· Fachbeitrag · Vergütung
Kostenvorschuss bei Pflichtmandaten
Art. 12 Abs. 1 GG gebietet es, dem Pflichtverteidiger einen angemessenen Vorschuss zu zahlen, wenn das Strafverfahren lange dauert, die höhere Pauschgebühr mit Sicherheit zu erwarten ist und es für den Verteidiger unzumutbar ist, die Festsetzung der endgültigen Pauschgebühr abzuwarten (BVerfG 1.6.11, 1 BvR 3171/10, Abruf-Nr. 113075). |
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer, ein RA, wendet sich gegen einen Beschluss, mit dem das OLG die Bewilligung eines Vorschusses auf die zu erwartende Pauschgebühr für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger in einem Strafverfahren vor dem AG versagt hat. Er war in zwei umfangreichen Strafverfahren als Pflichtverteidiger tätig. Unter anderem ordnete das LG ihn in einem Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung einem von mehreren Angeklagten als Pflichtverteidiger bei. Sein Mandant befand sich in Untersuchungshaft und war der deutschen Sprache nur eingeschränkt mächtig. Der RA nahm Akteneinsicht in die Ermittlungsakte und die Beiakten. Um die knapp 8.000 Seiten umfassenden Ermittlungsakte durchzuarbeiten, benötigte der RA etwa 129 Stunden. Während des Ermittlungsverfahrens stellte er außerdem eigene Ermittlungen zum Verbleib entlastender Unterlagen an und hielt mehrere telefonische und persönliche Besprechungen mit seinem Mandanten und dessen Ehefrau sowie mit den Verteidigern anderer Mitbeschuldigter ab. Außerdem beantragte er Telefon- und Besuchserlaubnisse und eine Haftprüfung, nahm an Haftprüfungsterminen teil, führte das Haftbeschwerdeverfahren durch und besuchte seinen Mandanten mindestens viermal in der JVA.
Aufgrund der Ermittlungsakte, die inzwischen aus vier Postkisten mit Aktenbänden und aus drei Umzugskisten mit TKÜ-Protokollen bestand, hat die StA im Dezember 2009 eine 124 Seiten umfassende Anklage zum LG erhoben. Der Beschwerdeführer ließ insgesamt 16.587 Kopien herstellen und benötigte nach eigenen Angaben etwa 216 Stunden, um die Akte durchzuarbeiten.
Entscheidungsgründe
Die Verfassungsbeschwerde war erfolgreich. Das OLG hat bei seiner Auslegung des § 51 Abs. 1 S. 5 RVG Bedeutung und Tragweite der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) des Beschwerdeführers verkannt. Es enthält ihm die von Verfassungs wegen gebotene Vergütung für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger vor und schränkt dadurch seine Berufsausübungsfreiheit unverhältnismäßig ein.
Praxishinweis
Einem als Pflichtverteidiger bestellten RA ist gemäß § 51 Abs. 1 S. RVG für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte auf Antrag eine Pauschgebühr zu bewilligen, die über die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis (RVG-VV) hinausgeht, wenn die in den Teilen 4 bis 6 der Anlage 1 zum RVG bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind. Auf Antrag ist außerdem ein angemessener Vorschuss zu bewilligen (§ 51 Abs. 1 S. 5 RVG).(CW)