· Fachbeitrag · Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Benachrichtigung des Steuerberaters über den Erlass eines Strafbefehls
von OStA Lutz Niemann, Köln
| Ein Steuerberater muss über den Erlass eines Strafbefehls informiert werden. Unterbleibt die Benachrichtigung, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Das hat das LG Köln aktuell entschieden. |
Sachverhalt
Das FA führte gegen den Angeklagten A ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Mit Vollmacht zur Vertretung im Steuer- und Strafverfahren bestellte sich Steuerberater K gegenüber dem FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung zum Verteidiger des A. Das AG erließ am 27.10.22 einen Strafbefehl gegen den A. In dessen Rubrum hat das AG als Verteidiger K aufgeführt. Eine Zustellung des Strafbefehls erfolgte ausschließlich an A. K wurde nicht in Kenntnis gesetzt. Mit Schriftsatz vom 9.12.22 bestellte sich Rechtsanwalt R für den A, legte Einspruch gegen den Strafbefehl ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Einspruchsfrist. Das AG verwarf den Einspruch sowie den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch Beschluss. Seine hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde war erfolgreich.
Entscheidungsgründe und Relevanz für die Praxis
Dem A ist gem. § 44 S. 1 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Einspruchsfrist gegen den Strafbefehl vom 27.10.22 zu gewähren (LG Köln 17.4.23, 116 Qs 2/23, Abruf-Nr. 235655). Er war unverschuldet verhindert, die Einspruchsfrist gegen den Strafbefehl zu wahren. Der A durfte sich darauf verlassen, dass sein Verteidiger von der Zustellung des Strafbefehls Kenntnis erhält und in der Folge auch die Frist für einen Einspruch selbstständig überwacht (KG 27.11.20, (5) 161 Ss 155/20 (47/20); OLG Köln 10.6.11, 2 Ws 308/11). Die diesem Zweck dienende und gem. § 145a Abs. 3 S. 2 StPO vorgeschriebene Unterrichtung des K über den Erlass des Strafbefehls ist nicht erfolgt. Das AG hat dem K den Strafbefehl nicht bekannt gemacht.
Der K war beim Erlass des Strafbefehls Verteidiger i. S. v. § 145a Abs. 3 S. 2 StPO. Gem. § 138 Abs. 1 StPO i. V. m. § 392 Abs. 1, 1. Hs AO können im selbstständigen Verfahren der Finanzbehörden Steuerberater zu Verteidigern gewählt werden. Ein solches Verfahren war hier jedenfalls beim Erlass des Strafbefehls durch das AG gegeben.
Es handelte sich zum Zeitpunkt des Erlasses des Strafbefehls noch um einen Teil des selbstständigen Verfahrens der Finanzbehörden i. S. v. § 392 Abs. 1, 1. Hs. AO. Gem. § 400 AO kann die Finanzbehörde bei zum Strafbefehlsverfahren geeigneten Sachen selbstständig beim AG den Erlass eines Strafbefehls beantragen. Dies hat das FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung getan und das Verfahren nicht gem. § 400 Var. 2 AO an die Staatsanwaltschaft abgegeben.
Streitig ist, ob ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe nach Erlass eines Strafbefehls berechtigt ist, als alleiniger Verteidiger aufzutreten (dazu Weyand in: Graf/Jäger/Wittig, AO, 2. Aufl., § 392 Rn. 22; Kämpfer/Lepper in: MüKo/StPO, AO § 392 Rn. 12), mithin wirksam Einspruch gegen einen von der Finanzbehörde selbstständig beantragten Strafbefehl einzulegen. Das LG Köln hat diese Frage offengelassen. Selbst wenn man mit der engeren Ansicht der Literatur davon ausgehen würde, dass der Steuerberater dazu alleine nicht mehr berechtigt wäre, wäre er jedenfalls über dessen Erlass zu informieren.
- Ein im selbstständigen Strafverfahren der Finanzbehörde als Verteidiger zugelassener Steuerberater, der auch als Verteidiger im Rubrum des Strafbefehlsantrags und des Strafbefehls geführt wird, ist jedenfalls bis zum Antrag der Finanzbehörde auf Erlass eines Strafbefehls beim AG unproblematisch nach dem Wortlaut von § 400 Var. 2 AO zulässiger Verteidiger.
- Erhalten Verteidiger und Beschuldigter erstmals Kenntnis von dem Abschluss des Verfahrens der Finanzbehörde durch Beantragung eines Strafbefehls beim AG durch den Erlass ebendieses Strafbefehls ‒ wie hier ‒ , muss der Erlass des Strafbefehls jedenfalls als Abschlussakt des selbstständigen Verfahrens der Finanzbehörde gelten, über den der bisherige Verteidiger zu informieren ist. Dies gilt auch, wenn man der Meinung folgt, ein Steuerberater sei nicht berechtigt, alleine Einspruch gegen einen Strafbefehl einzulegen. Denn ohne die Kenntnis des Steuerberaters von der Abgabe des Verfahrens von der Finanzbehörde an das Gericht, um einen Strafbefehl zu erlassen, hätte er keine Möglichkeit, einen zur weiteren Verteidigung berechtigten Berufsträger als nunmehr notwendigen weiteren Verteidiger hinzuzuziehen, um ggf. wirksame Rechtsbehelfe einzulegen oder dies mit dem Beschuldigten zu beraten.
- Auch unter Zugrundelegung der Auffassung, der Steuerberater könne nach Erlass eines Strafbefehls noch alleiniger Verteidiger sein, folgt denklogisch, dass ein Steuerberater im Zeitpunkt des Erlasses eines Strafbefehls alleiniger Verteidiger sein kann.
- Im Übrigen ergibt sich die jedenfalls notwendige Information des Steuerberaters des Beschuldigten als Verteidiger über den Erlass des Strafbefehls auch aus dem Umstand, dass Angehörige der steuerberatenden Berufe nach alleiniger Befassung der Finanzbehörden mit der Steuerstrafsache ihre Möglichkeit, als Verteidiger aufzutreten, nicht verlieren, sondern diese nur i. V. m. einem zur Verteidigung zugelassenen Berufsträger i. S. v. § 138 Abs. 1 StPO fortführen können. Auch in dieser Stellung wären sie aber über den Erlass eines Strafbefehls zu informieren, da ihre Verteidigerstellung nicht unzulässig ist.
- Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der K im Strafbefehlsantrag und im Strafbefehl im Rubrum ausdrücklich als Verteidiger geführt wurde, er nicht als Verteidiger zurückgewiesen wurde. In einem solchen Fall kann sich der Beschuldigte darauf verlassen, dass der auf der ersten Seite des Strafbefehls als sein Verteidiger aufgeführte Steuerberater auch tatsächlich vom Gericht als solcher geführt und in dieser Eigenschaft Kenntnis von wesentlichen Rechtsakten ‒ hierzu zählt der Erlass des Strafbefehls ‒ erhält.