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  • 31.05.2011 | § 48 RVG

    Verbindung vor Pflichtverteidigerbestellung: Keine Kosten ohne ausdrückliche Erstreckung

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    Dem bestellten oder beigeordneten Verteidiger stehen gesetzliche Gebühren für seine frühere Tätigkeit in hinzuverbundenen Verfahren, in denen er nicht zum Verteidiger bestellt oder als Beistand beigeordnet worden war, auch nur nach ausdrücklicher Erstreckung gemäß § 48 Abs. 5 S. 3 RVG zu, wenn die Verfahren vor der Verteidigerbestellung verbunden worden waren. Eine dahingehende Ermessensausübung ist aber in der Regel vorzunehmen, wenn in den hinzuverbundenen Verfahren eine Verteidigerbestellung notwendig war (OLG Oldenburg 27.12.10, 1 Ws 583/10, Abruf-Nr. 111778).

     

    Sachverhalt

    Rechtsanwalt R wurde durch Beschluss des LG Osnabrück vom 8.8.08 im (führenden) Verfahren vor Anklageerhebung zum Pflichtverteidiger bestellt. In diesem Verfahren war er bereits vorher als Wahlverteidiger tätig. Zum führenden Verfahren hatte die StA unter dem 30.1.08 die Verfahren 2, 3 und 4 hinzuverbunden. Auch in diesen war R bereits vor der Verbindung tätig gewesen. Nach Verurteilung des Angeklagten hat R die Festsetzung von Gebühren und Auslagen unter Einbeziehung seiner Tätigkeiten in den hinzuverbundenen Verfahren beantragt. Die Urkundsbeamtin meint, Grund- und Verfahrensgebühren für die verbundenen Verfahren könnten nicht verlangt werden, da keine Pflichtverteidigerbestellung vor der Verbindung der verschiedenen Ermittlungsverfahren erfolgt sei. Das LG hat der Erinnerung des R nicht abgeholfen, seine Beschwerde hatte Erfolg.  

     

    Entscheidungsgründe

    Das OLG hat die Gebühren gewährt, es sich in seiner Entscheidung aber nicht nehmen lassen, zu Erstreckungsfragen Stellung zu nehmen und - so muss man die Ausführungen wohl verstehen - eine Rechtsprechungsänderung zumindest für den OLG-Bezirk Oldenburg anzukündigen. Natürlich zulasten der Verteidiger. Bislang war es wohl h.M., dass dem Pflichtverteidiger gemäß § 48 Abs. 5 S. 1 RVG Gebührenansprüche auch für seine frühere Tätigkeit in solchen Verfahren zustehen, in denen er nicht zum Verteidiger bestellt worden war, die aber miteinander verbunden wurden, bevor er in den verbundenen Verfahren zum Verteidiger bestellt wurde. Nach dieser Auffassung gilt § 48 Abs. 5 S. 3 RVG nur, wenn zeitlich nach der Verteidigerbestellung noch Verfahren hinzuverbunden werden.  

     

    Dem will das OLG mit dieser Begründung nicht folgen: Weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte des § 48 Abs. 5 S. 3 RVG (BT-Drucksache 15/1971 S. 201) geben Veranlassung, ihn nicht auf alle Verfahrensverbindungen anzuwenden, egal wann sie erfolgen. Die ratio legis spricht vielmehr deutlich dafür. Denn die Vorschrift bezweckt nicht automatisch und ausnahmslos bei Verfahrensverbindungen eine Erstreckung der Gebührengewährung für frühere Anwaltstätigkeiten nach § 48 Abs. 5 S. 1 RVG, sondern nur aufgrund einer am Einzelfall orientierten Ermessensent-scheidung. Danach wird von einer solchen Erstreckung abzusehen sein, wenn diese zu einem sachlich nicht gerechtfertigten Gebührenanspruch gegen die Staatskasse führt. Das betrifft etwa frühere anwaltliche Tätigkeiten in Verfahren, in denen bei isolierter Durchführung - z.B. wegen eines geringfügigen Tatvorwurfs - keine Verteidigerbestellung erfolgt wäre. Hier ist nicht einzusehen, warum allein wegen einer - optionalen - Verbindung mit einem anderen Verfahren Gebührenansprüche für frühere Anwaltstätigkeiten gegen die Staatskasse entstehen sollten. Umgekehrt wäre eine Erstreckung auszusprechen, wenn auch in dem hinzuverbundenem Verfahren bereits eine Verteidigerbestellung angestanden hätte. Diese ratio legis der Einzelfall-Ermessensentscheidung nach § 48 Abs. 5 S. 3 RVG lässt nach Ansicht des Senats aber keine Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Verbindung zu.