02.05.2011 | Aktuelle Gesetzgebung
Anwaltsverbände fordern Anpassung der Gebührentabelle und Änderungen beim RVG
Im folgenden Beitrag werden im Anschluss an RVG prof. 11/70 die restlichen RVG-Änderungsvorschläge von DAV und BRAK vorgestellt.
Übersicht: Die Änderungsvorschläge zum RVG (Nr. 11 bis Nr. 17) |
11. Erweiterung der Befriedungsgebühr in Strafverfahren In Nr. 4141 VV RVG sollten folgende vier weitere Fälle aufgenommen werden:
Begründung: Häufig kommen Fälle vor, in denen der Verteidiger den Inhalt der Anklage mit dem zuständigen Richter bespricht und anregt, bei der Staatsanwaltschaft nachzufragen, ob mit einer Bestrafung durch Erlass eines Strafbefehls Einverständnis besteht. Wenn dieser ergeht und rechtskräftig wird, ist durch die anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung als solche entbehrlich geworden, sodass sich die Frage ergibt, ob Nr. 4141 VV RVG anwendbar ist. Dem Wortlaut der Anmerkung nach ist diese Vorschrift nicht anzuwenden, da weder das Verfahren vorläufig eingestellt wird (Nr. 1) und das Gericht auch nicht beschlossen hat, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen (Nr. 2). Nr. 3 ist schon deshalb nicht anwendbar, weil kein Rechtsmittel zurückgenommen wird. Dennoch entspricht es dem Sinn der Vorschrift, die Vermeidung der Hauptverhandlung gesondert zu vergüten. Wegen gleich gelagerter Sachverhaltsgestaltungen ist eine Klarstellung im Gesetz erforderlich.
Begründung: Die Rücknahme des Privatklageantrags ist den sonstigen in Nr. 3 genannten Tätigkeiten gleichzustellen, da auch dadurch sich das gerichtliche Verfahren erledigt und die Hauptverhandlung entbehrlich wird. Es ist somit ein auf die Verfahrensförderung gerichteter Beitrag des den Privatklageantrag zurücknehmenden Rechtsanwalts ersichtlich, der das Entstehen einer Befriedungsgebühr rechtfertigt.
Begründung: Vor dem Hintergrund der Entscheidung des BGH 5.11.09, IX ZR 237/08, bestehen neuerdings Zweifel an der an sich klaren Absicht des Gesetzes, dass die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG auch entsteht, wenn das Strafverfahren eingestellt und das Verfahren anschließend nach § 43 OWiG an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung des Bußgeldverfahrens abgegeben wird. Es bedarf daher einer gesetzgeberischen Klarstellung.
Begründung: Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV RVG nicht in den Fällen der Entscheidung durch Beschluss nach § 411 Abs. 1 S. 3 StPO anfallen soll. Das schriftliche Verfahren nach § 411 Abs. 1 S. 3 StPO sollte daher in einer § 72 OWiG entsprechenden Formulierung als neue Nr. 5 in Abs. 1 der Anmerkung zu Nr. 4141 VV RVG eingefügt werden.
12. Anpassung des Auffangstreitwerts auf 5.000 EUR Der sogenannte Auffangstreitwert des § 23 Abs. 3 S. 2, 2. HS. RVG sollte von derzeit 4.000 EUR an den in § 52 Abs. 2 GKG für die Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit seit dem 1.7.04 geltenden Betrag angepasst werden: „(3) … ; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 5.000 EUR, nach Lage des Falls niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 EUR anzunehmen.“
Begründung: Durch die Verweisung in § 23 Abs. 1 S. 1 und 2 RVG findet die Regelung des § 52 Abs. 2 GKG für die Feststellung des Gegenstandswertes ohnehin schon Anwendung bei Verfahren vor den Gerichten der dort genannten Gerichtsbarkeiten. Schon bei den wortgleichen Kostenrechtsmodernisierungsgesetzen der Bundesregierung und der Bundestagsfraktionen von SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP aus dem Jahr 2004, mit denen das RVG geschaffen wurde (BR-Drucksache 830/03 vom 7.11.03, 161 und BT-Drucksache 15/1971 vom 11.11.03, 140), war ein tragender Gedanke, die Anwendung des Justizkostenrechts so weit wie möglich zu vereinfachen durch weitgehende Angleichung der verschiedenen Kostengesetze. Bei der Anhebung des seinerzeitigen Auffangstreitwertes von 4.000 EUR auf 5.000 EUR durch § 52 Abs. 2 GKG n. F. wurde dies mit der Anpassung an die allgemeine Entwicklung begründet (siehe S. 184 der o.g. BR-Drucksache bzw. S. 156 in der o.g. BT-Drucksache). Diese sowohl von der Bundesregierung wie auch den Fraktionen des Bundestags schon im Jahr 2003 berechtigterweise angeführte Argumentation dürfte im Jahr 2010 erst recht stichhaltig sein.
13. Anpassung des Gegenstandswerts in Asylsachen auf 5.000 EUR Es wird angeregt, § 30 RVG wie folgt zu fassen: „In Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz beträgt der Gegenstandswert in Klageverfahren 5.000 EUR. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wegen aufenthaltsbeendender Maßnahmen nach dem Asylverfahrensgesetz beträgt der Gegenstandswert 2.500 EUR, im Übrigen die Hälfte des Wertes der Hauptsache. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, so beträgt der Wert für jede Person 5.000 EUR und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2.500 EUR.“
Begründung: Mit Wirkung zum 1.7.93 wurde durch das „Gesetz zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften“ vom 30.6.93 die gesetzliche Festlegung des Gegenstandswerts in asylrechtlichen Streitigkeiten gem. § 83b Abs. 2 AsylVfG in das spezielle Prozessrecht des Asylverfahrens eingeführt (BGBl. I vom 1.7.93, 1061, 1069). Der Gesetzgeber orientierte sich hinsichtlich der Höhe des Gegenstandswerts am Auffangstreitwert des seinerzeitigen § 13 Abs. 1 S. 2 GKG (heute § 52 Abs. 2 GKG n.F.) für die Wertberechnung in den Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, der damals bei 6.000 DM bzw. 3.000 DM lag. Während der Orientierungsmaßstab aus dem Jahr 1993, der Auffangstreitwert für Verwaltungsrechtsverfahren, aber mit Wirkung zum 1.7.94 auf zunächst 8.000 DM (Art. 1 Abs. 1 Nr. 7 KostRÄndG vom 24.6.94, BGBl. I 1325) und zuletzt auf 5.000 EUR angehoben wurde (Art. 1 des KostRMoG vom 5.5.04, BGBl. I 718), erfuhr der Gegenstandswert für Asylverfahren seit nunmehr über 17 Jahren keine Anpassung.
14. Verfahren vor den Verfassungsgerichten/dem EuGH Es wird angeregt, in § 38 Abs. 1 RVG einen klarstellenden Verweis auf Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 VV RVG einzufügen.
Begründung: In § 37 Abs. 2 RVG wird auf Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 VV RVG verwiesen, in § 38 Abs. 1 RVG wird dagegen nur auf Teil 3 Abschnitt 2 VV RVG verwiesen. Hier ist unklar, welcher Unterabschnitt gilt.
15. Gebühren in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Es wird angeregt, § 37 Abs. 1 S. 1 RVG wie folgt zu ändern: „ (...) vor dem Bundesverfassungsgericht, dem Verfassungsgericht (Verfassungsgerichtshof, Staatsgerichtshof) eines Landes oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: (...)“
Begründung: Das RVG enthält keine Regelung für die Anwaltsgebühren in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Aus diesem Grund wird angeregt, die Vorschrift für die Vergütung von Rechtsanwälten, die in Verfahren vor den Verfassungsgerichten auftreten, auf die Tätigkeit vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auszudehnen.
16. Verzinsung für verspätet ausgezahlte/festgesetzte PKH- und VKH-Anwaltsvergütungen § 55 Abs. 1 S. 2 RVG wird wie folgt neu gefasst: „§ 104 Abs. 1 S. 2 ZPO gilt entsprechend.“
Begründung: Aus der anwaltlichen Praxis wird häufig eine unverhältnismäßig verspätete Auszahlung der PKH- bzw. der VKH-Vergütung moniert. Durch die Verzinsung ginge dies jedenfalls nicht mehr zu Lasten des Rechtsanwalts. Mit der vorgeschlagenen Regelung findet eine Gleichstellung mit der Regelung zur Verzinsung des Kostenerstattungsanspruches zwischen den Parteien statt.
17. Anhebung der Kilometer-Pauschale Es wird angeregt, die Kilometer-Pauschale in Nr. 7003 VV RVG von 0,30 EUR auf 0,50 EUR zu erhöhen sowie die Abwesenheitsgelder in Nr. 7005 VV RVG auf 30, 50 und 80 EUR anzuheben.
Begründung: Die Erhöhung der Kilometerpauschale, die auch von dem Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e.V. gefordert wird, sowie die Anhebung der Abwesenheitsgelder tragen den seit dem 1.7.04 eingetretenen erheblichen Kostensteigerungen Rechnung. |