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  • 01.04.2005 | Anwaltshonorar

    Zwangsvollstreckungen richtig abrechnen

    von Dipl.-Rechtspflegerin Karin Scheungrab, selbstständige Trainerin für Anwaltsgebühren und Zwangsvollstreckung, Leipzig

    Nach Vorbem. 3.3.3 VV RVG gilt der Unterabschnitt 3 neben der Zwangsvollstreckung und der Vollziehung einer im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Entscheidung auch für Verfahren auf Eintragung einer Zwangshypothek (§§ 867, 870a ZPO), für Verfahren nach § 33 FGG und für Gerichtsverfahren über einen Akt der Zwangsvollstreckung (des Verwaltungszwangs). Der Beitrag zeigt, welche Gebühren dafür abrechenbar sind.  

     

    Zwangsvollstreckung ist gebührenrechtlich selbstständig

    Ob der Anwalt für den Gläubiger oder den Schuldner tätig wird, ist unerheblich. War er jedoch bereits als Prozessbevollmächtigter tätig, sind die in § 19 Abs. 1 S. 2 Nrn. 9, 11, 12, 15, 16 RVG genannten Folgetätigkeiten mit der Verfahrensgebühr des Erkenntnisverfahrens abgegolten. Für den Anwalt eines sonstigen Beteiligten der Zwangsvollstreckung, z.B. des Drittschuldners, gilt dieser Unterabschnitt nicht. Für die Abgabe der Drittschuldnererklärung kann aber die Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG abgerechnet werden, ggf. auch nur die Beratungsgebühr Nr. 2100 VV RVG.  

     

    Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV RVG beträgt 0,3

    Die Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV RVG entsteht mit dem Auftrag des Anwalts, die Zwangsvollstreckung durchzuführen bzw. abzuwenden:  

     

    • Beim Gläubigervertreter entsteht sie mit der Einholung von Informationen über mögliche Vollstreckungsmaßnahmen, für Anfragen beim Einwohnermeldeamt, dem zuständigen Postamt, für Internetrecherchen o.ä. zur Adressermittlung. Die in § 19 Abs. 1 S. 2 Nrn. 9, 11, 12, 15, 16 RVG genannten Folgetätigkeiten sind jedoch von der Verfahrensgebühr des Erkenntnisverfahrens abgedeckt.
    • Beim Schuldnervertreter fällt die Gebühr an, wenn der Mandant mit der Zwangsvollstreckung in Form der Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung konfrontiert wird und um Unterstützung bittet.

     

    Eine Ermäßigung der Gebühr ist nicht vorgesehen. Die 0,3 Verfahrensgebühr fällt also auch an, wenn sich der Auftrag vorzeitig durch Zahlung des Schuldners noch vor Beauftragung des Gerichtsvollziehers oder vor Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erledigt.  

     

    Gemäß § 18 Nr. 3 RVG bildet jede Vollstreckungsmaßnahme zusammen mit den durch diese vorbereiteten weiteren Vollstreckungshandlungen bis zur Befriedigung des Gläubigers eine Angelegenheit. Es entsteht damit nicht für jede Tätigkeit im Rahmen der Zwangsvollstreckung eine Verfahrensgebühr. Die Verfahrensgebühr fällt auch für die Ankündigung der Pfändung, also die Ausbringung eines vorläufigen Zahlungsverbots gemäß § 845 ZPO an. Wird fristgerecht binnen eines Monats nach Zustellung der Vorpfändung gepfändet, wird nur die ursprüngliche Vollstreckungsmaßnahme fortgeführt und die Verfahrensgebühr kann nur einmal abgerechnet werden. Dies gilt auch, wenn mit Vorpfändung und folgendem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf mehrere Forderungen des Schuldners zugegriffen wird, sofern die Pfändung mit einem Beschluss ausgesprochen wird. Wird jedoch ein weiterer Auftrag erteilt, auf weitere, später bekannt gewordene Forderungen zuzugreifen, fällt die Verfahrensgebühr erneut an.  

     

    Wird der Anwalt für mehrere Auftraggeber tätig, erhöht sich die Verfahrensgebühr gemäß § 7 RVG und Nr. 1008 VV RVG um konkret 0,3 für jeden weiteren Auftraggeber. Die maximale Erhöhung bei mehreren Auftraggebern beträgt 2,0 (Anm. Abs. 3 zu Nr. 1008 VV RVG).  

     

    Beispiel 1

    Wird Rechtsanwalt R für das Ehepaar A und B im Rahmen der Zwangsvollstreckung gegen das Ehepaar C und D tätig, handelt es sich um zwei Zwangsvollstreckungsaufträge, die mit je einer 0,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3309 VV RVG), erhöht um je 0,3 gemäß § 7 RVG i.V. mit Nr. 1008 VV RVG abgerechnet werden können. Insgesamt fallen 1,2 Gebühren an.  

     

    Beispiel 2

    Wird der Vollstreckungsauftrag von einer 25 köpfigen Erbengemeinschaft erteilt, fällt insgesamt eine 2,3 Verfahrensgebühr an (0,3 Gebühr gemäß Nr. 3309 VV RVG zzgl. maximale Erhöhung).  

     

    Terminsgebühr Nr. 3310 VV RVG beträgt ebenfalls 0,3

    Neben der Verfahrensgebühr kommt die Terminsgebühr Nr. 3310 VV RVG in Betracht. Sie fällt – im Gegensatz zur Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG – nur für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen oder an einem vom Gerichtsvollzieher anberaumten Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung an. Für die Teilnahme an Besprechungen mit der Gegenseite zur Vermeidung oder Erledigung der Zwangsvollstreckung soll sie gemäß der Begründung im Referentenentwurf zu Nr. 3310 VV RVG nicht abrechenbar sein.  

     

    Einigungsgebühr Nr. 1000 oder 1003 VV RVG kann zusätzlich anfallen

    Im Rahmen der Zwangsvollstreckung kann zusätzlich die Einigungsgebühr Nr. 1000 oder 1003 VV RVG anfallen (dazu RVG prof. 04, 55, und Hauskötter, RVG prof. 04, 199). Eine Einigung im Rahmen der Zwangsvollstreckung ist nach der Entwurfsbegründung zur Kabinettsvorlage noch nicht darin zu sehen, dass der Gläubiger auf die Durchsetzung des Titels verzichtet oder der Schuldner die Forderung erfüllt. Die Gebühren fallen aber an, wenn ein (Teil-) Zahlungsplan oder eine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen wird.  

     

    Im Hinblick auf das Mitwirkungserfordernis des Anwalts an der Einigung reicht es, wenn der Gläubiger mit seinem Anwalt abklärt, ob und unter welchen Bedingungen eine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen werden kann oder um Inhalte einer Vereinbarung abzuchecken. Der Gebührensatz beträgt 1,0 (Nr. 1003 VV RVG) bzw. 1,5 (Nr. 1000 VV RVG) je nachdem ob über den Vertragsgegenstand zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ein gerichtliches Verfahren anhängig war oder nicht.  

     

    Strittig ist, wann im Rahmen der Zwangsvollstreckung ein „gerichtliches Verfahren“ i.S. von Nr. 1003 VV RVG vorliegt. Kommt die Einigung zustande, solange noch der Prozess oder das Mahnverfahren anhängig ist, fällt nur die 1,0 Gebühr an. Gleiches gilt bei Anträgen an das Vollstreckungsgericht auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, an das Grundbuchamt zur Eintragung einer Zwangshypothek oder ähnliche Vollstreckungsmaßnahmen. Ist jedoch der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss an den Schuldner oder Drittschuldner zugestellt, wenn sich der Schuldner mit dem Vorschlag einer Ratenzahlungsvereinbarung an den Gläubigervertreter wendet, fällt bei Abschluss der Vereinbarung eine 1,5 Einigungsgebühr an.  

     

    Problematisch ist, ob auch ein Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher die Anhängigkeit eines „gerichtlichen Verfahrens“ herbeiführt, da der Gerichtsvollzieher kein Gericht im eigentlichen Sinn ist. Die Rechtsprechung zur BRAGO stellt darauf ab, dass er gerichtlichen Zwang ausübt. Damit müsste die 1,0 Einigungsgebühr angesetzt werden, wenn ein Auftrag zur Durchführung der Mobiliarvollstreckung oder Abnahme der eidesstattlichen Versicherung an den Gerichtsvollzieher erteilt wird (Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 23 Rn. 59). Berücksichtigt man jedoch, dass der Gesetzgeber die Terminsgebühr Nr. 3310 VV RVG für die Teilnahme am gerichtlichen Termin und für die Teilnahme am Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gewährt – und damit zwischen den Terminen unterscheidet –, ist das Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung kein gerichtliches Verfahren im eigentlichen Sinn. Die Einigungsgebühr kann also mit 1,5 abgerechnet werden, auch wenn der Gerichtsvollzieher mit der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung beauftragt ist.  

     

    Kosten trägt grundsätzlich der Schuldner

    Der Schuldner muss grundsätzlich die notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung erstatten, § 788 ZPO. Notwendig ist eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme, wenn er sie veranlasst hat und der Gläubiger zum Zeitpunkt der Beauftragung die Maßnahme – auch wenn sie erfolglos blieb – objektiv für erforderlich und notwendig halten konnte (LG Karlsruhe MDR 94, 94). Umstritten ist, ob der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung notwendige Kosten i.S. des § 91 ZPO auslöst. Die Erstattungsfähigkeit wird bejaht, wenn sich aus dem Vergleich ergibt, dass seine Kostenregelung diese Art von Kosten umfasst (OLG Düsseldorf RPfleger 94, 264). Deshalb sollte der Vergleich eine diesbezügliche Kostenregelung enthalten.  

     

    Musterformulierung: Kostenabrede im Vergleich

    Die für den Abschluss dieser Vereinbarung anfallende Anwaltsvergütung gemäß Nrn. 3309, 3310, 1000 VV RVG in Höhe von ... EUR trägt der Schuldner und wird wie folgt bezahlt ...“  

     

    PKH für Zwangsvollstreckung möglich

    Auch für die Zwangsvollstreckung kann PKH bewilligt werden. Oft wird aber die Beiordnung des Anwalts verweigert, weil die Zwangsvollstreckung als solches nicht schwierig sei und für den Gläubiger auch ohne einen Anwalt erledigt werden könne. Für Aufträge an den Gerichtsvollzieher zur Vollstreckung in körperliche Sachen des Schuldners werden tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten regelmäßig verneint. Der BGH hat jedoch entschieden, dass für die Lohnpfändung dem Gläubiger die Beiordnung eines Anwalts nicht ohne Prüfung des Einzelfalls versagt werden darf (BGH NJW 03, 3136).  

    Quelle: Ausgabe 04 / 2005 | Seite 61 | ID 91812