Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.09.2008 | Aus den Gremien

    56. Tagung der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern

    Im April 08 fand in Mainz die 56. Tagung der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern statt (Bericht über die 55. Tagung: RVG prof. 07, 213).  

     

    Wichtige Erkenntnisse der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern

    Generalthema 1: Erfolgshonorare  

    Kritisiert wurde, dass künftig keine Heilung unwirksamer Vergütungsvereinbarungen eintritt, wenn der Mandant freiwillig und vorbehaltlos darauf zahlt. § 4 Abs. 1 und Abs. 5 RVG werden gestrichen und in den neuen § 3a Abs. 3 S. 2 und § 4b S. 2 RVG durch einen Verweis auf §§ 812 ff. BGB ersetzt (vgl. Hauskötter, RVG prof. 08, 91, 96; 109, 114).  

     

    Bis zur Änderung der BRAO im September 94 waren Erfolgshonorare nicht gesetzlich verboten. Allerdings untersagten die damaligen Standesrichtlinien für Anwälte das Erfolgshonorar generell, § 52 RichtlRA (bis Juli 87 in Kraft). Ausnahmen enthielt § 52 Abs. 2 RichtlRA. Die Voraussetzungen der neuen Kriterien für einen Rückforderungsausschluss nach § 814 BGB sind eingeschränkter als in § 4 RVG. Im Unterschied zur bisherigen Rechtslage setzt § 814 BGB positive Kenntnis des Mandanten von der Nichtschuld voraus. Die Gebührenreferenten sehen die neue Regelung als Einfallstor für rechtsunsichere Vergütungsvereinbarungen. Sie bewerten § 3a Abs. 3 RVG n.F. wie folgt: „Leistet der Mandant an den Anwalt in Kenntnis der Tatsache, dass die gesetzliche Vergütung überschritten wird, kann er das Geleistete später nicht deshalb zurückfordern, weil die Vergütungsvereinbarung unwirksam ist.“  

     

    Generalthema 2: Vergütungsprobleme in sozialgerichtlichen Verfahren  

    • Überblick:
    • Unterschiedliche Vergütung im Sozialrecht durch Abrechnung nach Wertgebühren einerseits und nach Betragsrahmengebühren andrerseits.
    • Außergerichtliche Beratung nach Nrn. 2100 und 2101 VV RVG bis 30.6.06 und ohne gesetzliche Regelung seit dem 1.7.06.
    • Initiales Verwaltungsverfahren nach Nrn. 2300 und 2400 VV RVG.
    • Folgendes Verwaltungsverfahren ohne Vorbefassung nach Nrn. 2300 und 2400 und mit Vorbefassung (eingeschränkte Rahmen) nach Nrn. 2301 und 2401 VV RVG.
    • Verfahrensgebühr in 1. Instanz nach Nrn. 3100 oder 3102 (ohne Vorbefassung) bzw. nach Nrn. 3100 oder 3103 VV RVG (mit Vorbefassung).
    • Terminsgebühr in 1. Instanz nach Nrn. 3104 oder 3106 VV RVG (inklusive fiktiver Terminsgebühr bei schriftlichen Vergleichen).
    • Berechnungsbeispiele für die Vergütungssumme im Normalfall, die Mindest-und Höchst-Vergütungssumme mit und ohne Anrechnung (Spannweite von 100 EUR bis 1.384,25 EUR).

     

    • Terminsgebühr: Anders als in Zivilverfahren entsteht im Sozialgerichtsverfahren keine Terminsgebühr durch Abschluss eines schriftlichen Vergleichs (§ 278 Abs. 6 ZPO), da Nr. 3106 VV RVG dies nicht regelt. Vermutlich handelt es sich dabei um ein Versehen des Gesetzgebers. Das LSG NRW verneint insoweit eine analoge Anwendung von Nr. 3104 Ziff. 1 VV RVG (LSG NRW 15.5.08, L 7 B 63/08 AS, Abruf-Nr. 082654). Es liege keine planwidrige Regelungslücke vor, da Nr. 3104 Nr. 1 VV RVG ausdrücklich nur anwendbar sei, soweit in Nr. 3106 nichts anderes bestimmt sei. Der Gesetzgeber habe schriftliche Vergleiche, in denen Betragsrahmengebühren anfallen, bewusst vom Entstehen einer Terminsgebühr ausgeklammert. Mit Gesetzesänderung dürfte in nächster Zeit nicht zu rechnen sein, da eine Erhöhung der Gebühren in sozialgerichtlichen Verfahren nach Ansicht des BMJ politisch derzeit nicht darstellbar sei, da damit über PKH die Länderkassen belastet würden.

     

    • PKH-Bewilligung: Nach LSG Hamburg kann ein beigeordneter Anwalt Ansprüche auf Vergütung gegen die Klägerin nicht und gegen die Landeskasse im Hinblick auf übergegangene Ansprüche eines beigeordneten Anwalts gegen die Klägerin nur unter bestimmten Voraussetzungen geltend machen. Andere LSG bewilligen bei teilweiser Erfolgsaussicht insgesamt keine PKH.

     

    • Gebührenhöhe bei Untätigkeitsklage: Für solche Mandate wurde früher die vierfache Mindestgebühr angesetzt. Derzeit setzen einige SG‘e 60 % der Mittelgebühr, andere aber nur die Mindestgebühren fest. Beides wurde kritisiert. Die pauschale Festlegung auf bestimmte Prozentsätze des Gebührenrahmens wird als fehlerhaft bewertet. Auch hier müssten die Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG angewendet werden. Kompromissvorschlag: Es werden die Regelungen aus dem Strafrecht übernommen und sich am Mittelwert des Gebührenrahmens orientiert.

     

    • Bemessungskriterien des § 14 Abs. 1 RVG: Diese würden in sozialgerichtlichen Verfahren nicht ausreichend beachtet. Insbesondere sei es unangemessen, das bei den Kriterien aufgeführte besondere Haftungsrisiko nur zu berücksichtigen, wenn die Bearbeitung der Angelegenheit überdurchschnittlich umfangreich oder überdurchschnittlich schwierig sei. Bei allen Gebühren, die Schwellenwerte mit den Kriterien Umfang und Schwierigkeit vorsehen, komme ein erhöhtes Haftungsrisiko bei Gebühren unterhalb des Schwellenwerts faktisch nicht zum Tragen.

     

    • Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr: Kritisiert haben die Gebührenreferenten die Entscheidung des BGH vom 22.1.08 (NJW 08, 1323). Eine weitere ungünstige Entscheidung des BGH datiert vom 30.4.08 (RVG prof. 08, 117, Abruf-Nr. 081737). Zwar seien noch weitere Rechtsbeschwerden dazu anhängig. Zweifelhaft sei aber, ob ein anderer Senat anders entscheide. Der Gesetzgeber habe jedoch Offenheit für eine Änderung der bisherigen Anrechnungsregelung signalisiert.

     

    Das OLG Frankfurt vertritt die Mindermeinung, dass die Anrechnung der außergerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr unter allen Umständen auch im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden müsse (Entscheidung v. 30.10.07 - 18 W 282/07, n.v., Abruf-Nr. 073803). Für den siegreichen Mandanten, der sich schon vorgerichtlich vom Anwalt habe vertreten lassen, sei dies unbefriedigend, da er bei der Kostenfestsetzung nur die geminderte Verfahrensgebühr zugesprochen bekomme, obwohl ihm oft kein materiell-rechtlicher Anspruch auf Erstattung der außergerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr zusteht. Durch die geänderte Auffassung des BGH zur Anrechnung der Geschäftsgebühr wird die Frage, in welcher Höhe die Geschäftsgebühr angemessen ist, nun voll ins Kostenfestsetzungsverfahren verlagert. Probleme ergeben sich auch in den Zinsfolgen bei langer Verfahrensdauer.

     

    Es wurde berichtet, dass insgesamt noch 17 Rechtsbeschwerdeverfahren beim BGH anhängig seien. Es gäbe daher noch Hoffnung, dass andere Senate anders als der VIII. und der III. Senat entscheiden könnten. Nach historischer Auslegung der Anrechnungsvorschriften sei eindeutig, dass die Anrechnung selbst nur das Verhältnis des abrechnenden Anwalts zum Mandanten betreffe. Die Anrechnung verhindere dagegen nicht schon das Entstehen der Verfahrensgebühr. Bei jedem Anrechnungstatbestand entstehe die Gebühr, auf die anzurechnen sei, zunächst im vollen Umfang.

     

    Die Gebührenreferenten fassten die gemeinsame Auffassung, dass in der Diskussion weiter betont werden soll, dass das RVG nur das Verhältnis von Mandant und Anwalt, nicht aber das Verhältnis zum erstattungspflichtigen Dritten betrifft.

     

    Ein Gast der Konferenz (ein RiLG), wies darauf hin, dass im Kostenfestsetzungsverfahren seit der BGH-Entscheidung ein Mehraufwand entstehe, der das Verfahren verzögere. Der Einwand außergerichtlicher Tätigkeit des Parteivertreters müsse von Amts wegen berücksichtigt werden, wenn er ausgeurteilt worden sei. Sei die Geschäftsgebühr nicht ausgeurteilt, müsse substanziiert vorgetragen werden, dass ein unbedingter Prozessvertretungsauftrag erteilt worden sei.

     

    Außerdem müsse zur Höhe der Gebühr Stellung genommen werden. Im Hinblick auf die Rückwirkung bei PKH bestehe keine Pflicht, dem Gericht die außergerichtliche Vertretung anzuzeigen. Dies gelte nur, wenn Zahlungen auf die außergerichtliche Vertretung geleistet worden seien. Häufig würden aber den armen Mandanten keine Geschäftsgebühren berechnet. Eine Empfehlung laute, grundsätzlich in das letzte Mahnschreiben mit aufzunehmen, dass Klageauftrag erteilt worden sei. Auch auf andere Anrechnungen, z.B. die Anrechnung der Vergütung für die außergerichtliche Beratung, habe die BGH-Rechtsprechung Auswirkungen. Das Gleiche gelte für das Mahnverfahren und die dortigen Anrechnungsregeln. Problematisch sei, dass die Formulare für das Mahnverfahren die aktuelle Anrechnungsproblematik nicht berücksichtigten. Im Übrigen bestehe keine Pflicht, sich im Mahnverfahren über die außergerichtliche Tätigkeit zu erklären. Das Problem bestehe nur, wenn derselbe Anwalt im außergerichtlichen Verfahren und im Prozess tätig sei. Überlegenswert sei, den Anwalt zwischen der außergerichtlichen und der gerichtlichen Mandatierung zu wechseln.

     

    Die Rechtsschutzversicherungen (RSV) würden es begrüßen, wenn regelmäßig ein unbedingter Prozessauftrag erteilt werde. Damit würden sie Gebühren sparen. Angesprochen wurden auch Nachteile, die ein unbedingter Prozessauftrag mit sich bringe, insbesondere bei vorzeitiger Beendigung des Prozessmandats, da die Verfahrensgebühr nur zu 0,8 entsteht. Berichtet wurde, dass in Baden-Württemberg eine Berücksichtigung im Formular für den Mahnbescheid erfolge. Allerdings könne der Betrag nicht verzinsbar eingetragen werden. Daher müsse man die Forderung im oberen Teil des Formulars bei den Forderungen eintragen. Dies würden jedoch die Mahngerichte monieren.

     

    Diskutiert wurde auch die Frage der Anrechnung der außergerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr (ohne Beratungshilfe) auf die PKH-Vergütung eines Anwalts. Eine gezahlte Geschäftsgebühr ist zunächst auf die Differenz zwischen Wahlanwaltsvergütung und PKH-Gebühren anzurechnen.

     

    Es dürfte sich um einen Haftungsfall für den Anwalt handeln, wenn er die Geschäftsgebühr nicht voll mit einklagen würde. Sollte ein anderer BGH-Senat anders entscheiden als die bisherigen Senate, müsse wahrscheinlich der Große Senat des BGH angerufen werden. Schon daher sollte man nicht abwarten, sondern den Gesetzgeber zum unverzüglichen Tätigwerden auffordern.

     

    Die Gebührenreferenten fassten folgende gemeinsame Auffassung:
    • Die Ansicht des BGH, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im Sinne einer Ermäßigung der Verfahrensgebühr zu verstehen ist, für falsch.
    • Die BRAK soll an den Gesetzgeber herantreten und eine Gesetzesänderung in dem Sinne vorschlagen, dass sich die Geschäftsgebühr auf die Hälfte, jedoch höchstens um einen Gebührensatz von 0,75 ermäßigt, soweit wegen des selben Gegenstandes eine Verfahrensgebühr entsteht.
    • Es soll eine Empfehlung an die Kollegen gegeben werden, die volle Geschäftsgebühr mit der Hauptsache einzuklagen, damit diese tituliert ist.

     

    Thema RSV  

    • Arbeitsgruppe RSV: RSV richten vermehrt Hotline-Dienste ein, wodurch den niedergelassenen Anwaltskanzleien spürbar Beratungs- und Vertretungsmandate verloren gehen. Die Überlegungen der BRAK-Arbeitsgruppe, für Rechtsschutzversicherte unterhalb der Erstberatungs-Kappungsgrenzen mit Pauschalbeträgen tätig zu werden, fanden bei den Gebührenreferenten wenig Zustimmung. Fazit: Es soll in anderer Richtung weitergedacht werden.

     

    • Unmittelbarer Klageauftrag oder außergerichtliche Vertretung? Diskutiert wurde die Frage, wenn eine außergerichtliche Vertretung bei Rechtsschutzversicherten notwendig ist, ob dies der nachträglichen Bewertung durch die Versicherung unterliegt. Unterschiedliche Ansichten wurden für den Kündigungsschutzprozess geäußert, da i.d.R. ein unmittelbarer Klageauftrag notwendig sei.

     

    • Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG: Eheleute hatten als Gläubiger gemeinsam einen Anwalt beauftragt, außergerichtlich für sie tätig zu werden. Nach Scheitern der Verhandlungen erteilten sie Prozessauftrag. Gemäß dem Rat des Anwalts trat ein Ehegatte seine Ansprüche an den anderen ab. Nur dieser Ehegatte klagte die Ansprüche ein. Hier wurden unterschiedliche Auffassungen bekundet, ob der Anwalt, wenn er von mehreren Auftraggebern zwar beauftragt werde, aber nur einen Auftraggeber noch im Prozess vertrete, den Mehrvertretungszuschlag geltend machen könne.

     

    • Höhe der Beratungsgebühr bei fehlender Vereinbarung: Mehrere Gerichte haben mangels Vereinbarung über die Höhe der Beratungsgebühr den Erstberatungs-Kappungsbetrag von 190 EUR bei Verbrauchern zugrunde gelegt. Bei den Kammern gibt es viele Anfragen, wie hoch die übliche Vergütung sei. Antworten der Kammern dazu lauten z.B.
    • Ablehnung einer pauschalen Beantwortung wegen der Bedeutung des Einzelfalls,
    • Stundensatz von 190 EUR sei nicht zu beanstanden,
    • Stundensatz im Rahmen von 150 bis 250 EUR sei ein angemessener Betrag,
    • für eine Übergangszeit könne zur Kontrollberechnung die Höhe der früheren Rahmengebühr herangezogen werden (str.).

     

    Gemäß Umfrage im Bezirk des LG Dortmund berechnen Anwälte Stundensätze dort zwischen 34 und 400 EUR.

     

    • Gebührengutachten der Kammern bei Beratung nach § 34 RVG: Das AG Emmerich hat eine Vergütungsvereinbarung für unwirksam bewertet (AnwBl. 08, 74). Zur Frage der Üblichkeit des nach BGB zu bestimmenden Beratungshonorars hatte es ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer Köln angefordert. Die Kammer hat dies abgelehnt, da sie nur für Gebührengutachten in den Fällen des § 14 Abs. 2 RVG zuständig sei, also wenn die Vergütung durch das RVG geregelt sei. Die Gebührenreferenten bewerteten die Antwort der Kammer Köln zwar als korrekt, die Kammer hätte aber auch ein Gutachten nach § 73 Abs. 2 Nr. 8 BRAO erstatten können. In der Sache sei die Gebührenhöhe nach § 612 Abs. 2 BGB zu beurteilen gewesen. Eine Taxe war nicht erkennbar. Die übliche Vergütung war nicht feststellbar. Auch die Vertragsauslegung hilft nicht weiter, sodass auf die §§ 315, 316 BGB zurückgegriffen werden muss. Entscheidend für die Höhe sind also die Grenzen der Billigkeit. Dieser Rahmen lasse einen gewissen Spielraum. Man könne sich an den früheren Gebühren des RVG für die Beratung orientieren. Auch ein Stundensatz von bis zu 300 EUR wurde als angemessen eingestuft. Diskutiert wurde über die Frage, ob der Gesetzgeber mit § 34 RVG n.F. die gesetzliche Vergütung habe deregulieren wollen und deshalb keine Orientierung an den früheren Beratungsgebühren nach RVG in Frage kommt. Die Gegenmeinung hält auch eine Orientierung an früher angemessenen gesetzlichen Beratungsvergütungen für zulässig im Rahmen des § 315 BGB. Nicht als einheitliche Auffassung, aber als Meinungsbild der anwesenden Rechtsanwaltskammern wurde festgestellt: Die Rechtsanwaltskammern erstatten mit Ausnahme der Kammern Stuttgart und Zweibrücken Gutachten nach § 73 Abs. 2 Nr. 8 BRAO zur Frage der üblichen Vergütung.

     

    • Gebührengutachten der Kammern nach § 73 Abs. 2 Nr. 8 BRAO: Ein Gericht hatte einen Kammervorstand gebeten, ein Gebührengutachten zu erstatten. Aus der Akte war nicht ersichtlich, dass entscheidende Vorfragen für die Angemessenheit der Gebühren beantwortet waren. Eine Beweiserhebung zur Art und zum Umfang der anwaltlichen Tätigkeit hatte das Gericht nicht durchgeführt. Abgerechnet war ein Stundenhonorar entsprechend einer Vergütungsvereinbarung. Die Gebührenabteilungen der angefragten Kammer vertreten die Auffassung, dass nur gezielte Fragen eines Gerichts beantwortet werden könnten, wenn es darum gehe, die Angemessenheit eines abgerechneten Stundenhonorars zu beurteilen. Dann handele es sich um ein Gutachten nach § 73 Abs. 2 Nr. 8 BRAO.

     

    Zur Diskussion gestellt wurde die Frage, wie weit grundsätzlich die Pflicht einer Kammer geht, sich in Gebührengutachten zu äußern. Im Ergebnis blieb es offen, ob die Kammern bei solchen Gutachtenaufträgen sich zur Notwendigkeit des vorgetragenen Zeitaufwands äußern sollten, z.B. durch Empfehlung eines Gutachters. Bei Unklarheiten könnte der Gutachtenauftrag an das Gericht zurückgegeben werden mit dem Hinweis, dass weitere Sachverhaltsaufklärung erforderlich sei.

     

    Beratungshilfethemen  

    • Bestimmung der Angelegenheit: Im Familienrecht werden oft vielfältige Beratungsgegenstände zu einer Angelegenheit zusammengefasst und nur dafür Beratungshilfe bewilligt. Die Anwälte stufen dagegen die Bereiche Umgang, Kindes-, Trennungsunterhalt, Hausrat usw. als eigene Angelegenheit ein, für die jeweils gesondert eine Beratungsgebühr anfällt.
    Der Begriff „dieselbe Angelegenheit“ ist gesetzlich nicht definiert. Nach § 16 Nr. 4 RVG bilden Scheidungs- und Folgesachen dieselbe Angelegenheit. § 17 RVG regelt verschiedene behördliche und gerichtliche Verfahren. § 18 RVG schließlich normiert, welche Angelegenheiten als besondere Angelegenheiten separat abgerechnet werden. § 16 Nr. 4 RVG spricht eher dafür, dass die einzelnen Folgesachen unterschiedliche Angelegenheiten sind, die nur im Scheidungsverbund zusammengefasst werden. Nach allgemeiner Auffassung ist dieselbe Angelegenheit anzunehmen, wenn drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: ein
    • einheitlicher Auftrag in Bezug auf verschiedene Gegenstände,
    • einheitlicher Rahmen der Tätigkeit und
    • innerer Zusammenhang der verschiedenen Gegenstände.

     

    Danach können die familienrechtlichen Angelegenheiten Unterhalt, Sorgerecht, Umgang, Hausrat, Nutzung der Ehewohnung, Zugewinnausgleich usw. dieselbe Angelegenheit sein, müssen es aber nicht.

     

    Nach Ansicht der Rechtsanwaltskammer Kassel darf der Anwalt die Beratung verweigern und dem Mandanten empfehlen, einen Beratungshilfeschein beizubringen, der die Voraussetzungen des § 6 BerHG erfüllt, falls das AG einen einheitlichen Beratungshilfeschein trotz Vorliegens verschiedener Angelegenheiten erteilt hat. Der einheitliche Beratungsschein sei zu unbestimmt. Ihm sei nicht zu entnehmen, in welcher Angelegenheit genau das Mandat unter den Bedingungen der Beratungshilfe zustande kommt. § 49a BRAO verpflichtet den Anwalt nicht, zu allen in Betracht kommenden Problemfeldern eine umfassende Beratungshilfe in Familiensachen zu gewähren. Ähnliches wurde aus dem Bezirk der Kammer Rostock berichtet. Die Gebührenreferenten teilen diese Auffassung.

     

    • Berufsrechtliche Pflicht zur Übernahme von Beratungshilfemandaten: Eine Reihe von AG vertreten die Ansicht, dass die Anwälte Beratungshilfe für ihre Mandanten beantragen müssten, so z.B. AG‘e Trier, Baden-Württemberg und Kassel. Die Referenten empfehlen den Anwälten, darauf zu beharren, dass die Mandanten den Bewilligungsschein selbst vorlegen. Die Anwälte sollten mangels gesonderter Vergütung dafür keinen umfangreichen Schriftverkehr führen. Es gebe auch keine Pflicht, den Beratungshilfeantrag für den Mandanten zu stellen. Ein geplantes Beratungshilfe-Begrenzungsgesetz sieht vor, dass die Rechtsuchenden selbst die Hilfe beantragen müssen. Die BRAK soll dazu eine Formulierung auf ihrer Homepage zur Verfügung stellen.

     

    • Höhe der Geschäftsgebühr bei außergerichtlicher Besprechung: Das LG Berlin hat festgestellt, dass, wenn eine Besprechung stattgefunden hat, die nach der BRAGO mit einer 1,5 Gebühr anzusetzen gewesen wäre, die nach dem RVG anzusetzende Geschäftsgebühr deutlich höher ausfallen müsse (Berliner AnwBl. 06, 481). Denn das RVG bezwecke eine bessere und höhere Bewertung rechtsanwaltlicher Tätigkeit, weil die Rechtsanwaltsgebühren jahrelang nicht erhöht worden seien.

     

    • Pauschalhonorar für Terminsvertreter: Eine Kanzlei aus dem Rheinland hatte sich vor dem LG Saarbrücken durch dortige Anwälte vertreten lassen. Mit dem Kostenfestsetzungsantrag machten die rheinischen Anwälte neben den Kosten als Hauptbevollmächtigte auch die Kosten des Terminsvertreters geltend. In der Kostennote wurde dafür ein Pauschalbetrag für eine freie anwaltliche Mitarbeit von 90 EUR netto geltend gemacht. Die Kosten lagen unter den fiktiven Reisekosten, die entstanden wären, wenn die Hauptbevollmächtigten den Termin in Saarbrücken wahrgenommen hätten. Im Einverständnis mit dem Beklagten sei der Anwalt vor Ort beauftragt worden. Die Kammer des Saarlandes neigt dazu, dies zu beanstanden, da durch den Terminsvertreter eine geringere als die ihm zustehende Gebühr mit dem Mandanten vereinbart wurde. Dies verstoße gegen § 49b Abs. 1 BRAO i.V. mit § 4 Abs. 2 RVG a.F. (bis zum 30.6.08 geltend). Es bestand Einigkeit, dass bei Vereinbarungen zwischen Anwälten untereinander es berufsrechtlich zulässig ist, dass die Vergütung eines Terminsvertreters die gesetzlichen Gebühren unterschreitet. Unzulässig sei allerdings, eine Vereinbarung zwischen dem Terminsvertreter und dem Mandanten. Es wurde darauf hingewiesen, dass der BGH im Allgemeinen eher großzügig bei der Erstattungsfähigkeit der Kosten des Terminsvertreters sei.

     

    • Kappung der vereinbarten Vergütung auf das Fünffache der gesetzlichen Gebühren: Ein Anwalt hat eine Verfassungsbeschwerde erhoben, da dessen vereinbarte Vergütung vom Gericht auf das Fünffache der gesetzlich zulässigen Gebühren beschränkt wurde. Sowohl der Verfassungsrechtsausschuss des DAV als auch der der BRAK halten die Verfassungsbeschwerde für begründet. Beispiele aus dem Strafverteidigungsbereich machten deutlich, dass eine solche Begrenzung häufig zu unangemessen niedrigen Vergütungen führe. Außerdem hat das OLG Hamm entschieden, dass sogar das 38-fache der gesetzlichen Gebühren nicht unangemessen hoch sei (AnwBl. 08, 546, nrkr.)

     

    • Gerichtskostenzahlung bei Vergleichsschluss im PKH-Mandat: Im Termin in der 2. Instanz beim LG Essen hatten die Parteien sich verglichen. Eine Partei hatte ratenfreie PKH bewilligt bekommen. Im Vergleich hatte diese Partei entsprechend der Vergleichsquote die Kosten übernommen. Das Gericht ging unzutreffend davon aus, dass die Partei aufgrund der PKH nicht mit den Gerichtskosten belastet werde. Die Gerichtskasse nahm die PKH-Partei als Kostenschuldnerin für sämtliche Gerichtskosten 2. Instanz in Anspruch. Für den Anteil der Gegenseite hafte die PKH-Partei als Zweitschuldnerin (§ 22 GKG), weil sie Berufung eingelegt hatte. Dies wurde als problematisch bewertet. Eine generelle Lösung sollte angestrebt werden. Gespräche mit dem BMJ dazu hat es bereits gegeben.

     

    • Kostenerstattungsansprüche durch Inkassobüros: Mit dem Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) zum 1.7.08 haben die Anwälte verstärkt Konkurrenz durch Inkassounternehmen erhalten. Das RDG beschränkt die Gebührenerstattung für diese im gerichtlichen Mahnverfahren auf 25 EUR. Einige Verbraucherschutzverbände und Beratungsstellen würden empfehlen, dass Bürger gegen einen Mahnbescheid, der eine unbestrittene Forderung enthalte, stets Widerspruch einlegen sollten, sofern der Mahnbescheid vom Anwalt beantragt worden sei. Kostenminderungsgesichtspunkte würden es erfordern, diese Tätigkeiten von Seiten des Unternehmers nur über Inkassobüros wegen der gedeckelten Kosten vorzunehmen.

     

    • Kostenerstattung im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren: Diskutiert wurde die Regelung, dass sich die Erstattungspflicht des Staates verringert, wenn im Verwaltungsverfahren ein Anwalt bereits im Ausgangsverfahren tätig geworden ist. Beauftragt der Rechtsuchende den Anwalt erst im Widerspruchsverfahren, muss die Behörde die Anwaltsgebühren voll tragen. Beauftragt der Rechtsuchende den Anwalt bereits im Verwaltungsverfahren, wird die Behörde hinsichtlich der Kostenerstattungspflicht durch die Anrechnung entlastet. Nach altem Gebührenrecht musste die Behörde nach erfolgreichem Widerspruch die Anwaltsgebühren wegen der einheitlichen Betrachtung von Ausgangs- und Widerspruchsverfahren in § 119 BRAGO ganz oder weitgehend erstatten. Dadurch, dass sich das Widerspruchsverfahren in Nr. 2301 VV RVG verselbstständigt hat, muss der Bürger trotz rechtswidrigen Verhaltens der Behörde jetzt den überwiegenden Teil der Anwaltsgebühren selbst tragen. Zu dem Problem, das sich auch im Sozialrecht zeigt, soll eine Gesetzesänderung initiiert werden.

     

    • Vergütung des Zeugenbeistands: Berichtet wurde, dass eine Anwältin als Zeugenbeistand in einem Menschenhandel-Verfahren Gebühren nur nach Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG erstattet bekam. Richtigerweise wären die Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abzurechnen gewesen. Auch mehrfache Erinnerungen hätten schließlich nur zur Zahlung von rund 2/3 der beantragten Gebühren geführt. Die Gebührenreferenten waren sich einig darüber, dass die Entscheidung falsch ist. Die Gebühren des Zeugenbeistands sind nach Teil 4 Abschnitt 1 abzurechnen.

     

    • Anwaltliche Verrechnungsstellen: Die BRAK ist von der Deutschen Anwaltlichen Verrechnungsstelle AG auf eine Zusammenarbeit im Gebührenrecht angesprochen worden. Bisher gibt es keine solche.

     

    • Änderung des Gebührenrechts bei Berufsrechtsverfahren: Der Referentenentwurf für ein Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht enthält auch Änderungen der kosten- und gebührenrechtlichen Vorschriften in diesen Verfahren.

     

    • Themen der nächsten Gebührenreferentenkonferenz: Hauptthemen sollen die ersten Erfahrungen mit dem Erfolgshonorar und Konsequenzen aus dem neuen RDG sein.

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 09 / 2008 | Seite 157 | ID 121355