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  • 01.05.2006 | Auslagen

    Wann erhält der Anwalt eine doppelte Auslagenpauschale?

    von Dipl.-Rechtspfleger Joachim Volpert, Düsseldorf

    Der folgende Beitrag erläutert, ob die außergerichtliche und die gerichtliche Vertretung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten sowie in Straf- und Bußgeldsachen für den Anwalt verschiedene Angelegenheiten bilden, so dass nach der Anmerkung zu Nr. 7002 VV RVG die Auslagenpauschale jeweils gesondert bzw. anrechnungsfrei gefordert werden kann.  

    Tätigkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten

    Auf Grund § 17 Nr. 2 RVG erhält der Anwalt für das Mahnverfahren und das streitige Verfahren zwei Postentgeltpauschalen (Onderka, RVG prof. 04, 135). Eine vergleichbare ausdrückliche Regelung für die außergerichtliche und die gerichtliche Vertretung enthält das RVG zwar nicht. Rechtsprechung und Schrifttum gehen aber auch insoweit überwiegend von verschiedenen Angelegenheiten aus (OLG München RVGreport 05, 303; Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 16. Aufl., § 15 Rn. 53). Für die Richtigkeit dieser Auffassung sprechen folgende Überlegungen:  

     

    • Wenn der Gesetzgeber bereits das insgesamt nach Teil 3 VV RVG abzurechnende gerichtliche Mahnverfahren und das Prozessverfahren als verschiedene Angelegenheiten ansieht, muss dies erst recht für die nach Teil 2 VV RVG abzurechnende außergerichtliche Vertretung und das nach Teil 3 VV RVG abzurechnende gerichtliche Verfahren gelten.

     

    • Sowohl die Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Vertretung als auch die Verfahrensgebühr für die gerichtliche Vertretung erhält der Anwalt für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information, Vorbem. 2.4 Abs. 3 und Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG. Würden die außergerichtliche und die gerichtliche Vertretung dieselbe Angelegenheit betreffen, erhielte der Anwalt nur eine der Gebühren, § 15 Abs. 1, 2 S. 1 RVG.

     

    • Nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG ist die Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen. Diese Anrechnungsregelung wäre überflüssig, wenn es sich bei der außergerichtlichen und der gerichtlichen Vertretung nicht um verschiedene Angelegenheiten handeln würde (Enders, JurBüro 04, 169).

     

    Die Auslagenpauschalen sind nicht aufeinander anzurechnen

    Das RVG unterscheidet in § 1 Abs. 1 S. 1 RVG zwischen Gebühren und Auslagen. Da nach dem Wortlaut von Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG nur die Geschäftsgebühr angerechnet wird, bleiben die für die außergerichtliche und die gerichtliche Vertretung nach Teil 7 VV RVG angefallenen Auslagenpauschalen anrechnungsfrei nebeneinander bestehen (OLG München, a.a.O.; Gerold/Schmidt/Madert, a.a.O., Nrn. 2400 bis 2403 VV Rn. 224; a.A. LG Leipzig AGS 03, 299).  

     

    Praxishinweis: Wird der anrechnungsfrei verbleibende Teil der Geschäftsgebühr auf Grund eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs im Klagewege (OLG Zweibrücken RVG prof. 05, 139, Abruf-Nr. 051762; BGH RVGreport 06, 72) oder im Mahnverfahren (RVG prof. 05, 203; AG Stuttgart RVG prof. 05, 1, Abruf-Nr. 043049) gegen den Gegner geltend gemacht, sollte daher die für die außergerichtliche Vertretung angefallene Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG bei der Geltendmachung nicht vergessen werden.  

     

    Auslagenpauschale wird nach den Gebühren vor Anrechnung berechnet

    Da sich die Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG nach den gesetzlichen Gebühren richtet, ist die Postentgeltpauschale des Prozessverfahrens auf der Grundlage der vor Anrechnung der Geschäftsgebühr entstandenen Verfahrensgebühr zu berechnen (LG Bonn AGS 03, 348; Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, Teil 18 Rn. 103, 104; BRAGO prof. 99, 134; a.A. KG JurBüro 00, 583).  

    Tätigkeit in Straf- und Bußgeldsachen

    Unter Geltung der BRAGO war h.M., dass das vorbereitende Verfahren bzw. das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das Hauptverfahren dieselbe Angelegenheit bilden und daher nur eine Auslagenpauschale anfällt (LG Köln JurBüro 91, 1331; Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 26 Rn. 6; a.A. LG Wuppertal JurBüro 78, 1342).  

     

    §§ 17 und 18 RVG enthalten hierzu keine ausdrückliche Regelung. In Rechtsprechung und Schrifttum zum RVG ist die Frage umstritten:  

     

    • Dieselbe Angelegenheit: LG Düsseldorf RVGreport 05, 344; Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, ABC-Teil: Angelegenheiten, Rn. 4 und 5; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, a.a.O., Rn. 28 zu VV 7001, 7002.

     

    • Verschiedene Angelegenheiten: N. Schneider in Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, Teil 14 Strafsachen, Rn. 380.

     

    Für das Vorliegen verschiedener Angelegenheiten spricht Folgendes (vgl. N. Schneider AGS 05, 7):  

     

    • Nach § 15 Abs. 2 S. 1 RVG kann eine Verfahrensgebühr in jeder Angelegenheit pro Rechtszug nur einmal anfallen. In Straf- und Bußgeldsachen sieht das RVG für das vorbereitende Verfahren bzw. das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das Hauptverfahren jedoch jeweils eigene Verfahrensgebühren vor.

     

    • In anderen Verfahren, z.B. bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, bilden die außergerichtliche und die gerichtliche Vertretung verschiedene Angelegenheiten.

     

    • Die Regelungen in Abs. 3 der Anm. zu Nr. 4142 VV RVG bzw. in Abs. 3 der Anm. zu Nr. 5116 VV RVG wären überflüssig, wenn vorbereitendes Verfahren bzw. Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und Hauptverfahren ohnehin dieselbe Angelegenheit bilden.

     

    Quelle: Ausgabe 05 / 2006 | Seite 86 | ID 91856