Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 02.11.2010 | Befriedungsgebühr

    Teleologische Reduktion der Nr. 4141 VV RVG?

    von RA Detlev Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    1. Die Frist in Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 3 HS. 2 VV RVG kann nicht teleologisch dahingehend reduziert werden, dass sie nur auf die Rücknahme der Berufung seitens des Angeklagten Anwendung findet.  
    2. Zur Frage der Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Rücknahme der Berufung der Staatsanwaltschaft.  
    (OLG Dresden 1.9.10, 2 Ws 111/10, Abruf-Nr. 103472)

     

    Sachverhalt/Entscheidungsgründe

    Das AG hat den Angeklagten verurteilt. Dagegen hat die Staatsanwaltschaft (StA) mit Erfolg Berufung eingelegt. Auf die Revision des Angeklagten hat das OLG das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das LG zurückverwiesen. Dort wurde neuer Termin zur Berufungshauptverhandlung bestimmt. Drei Tage vor dem Termin wurde die Berufung der StA zurückgenommen. Dem Verteidiger ist vom LG auch eine Gebühr nach Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 3 VV RVG gewährt worden. Auf die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors hat das OLG die Gewährung der Nr. 4141 VV RVG abgelehnt (zur Vorentscheidung des LG Dresden RVG prof. 10, 27, Abruf-Nr. 100162).  

    Das OLG begründet seine Entscheidung mit zwei Aspekten. Es bezweifelt zunächst, ob der vom Wortlaut her eindeutige Gebührentatbestand in Bezug auf die zweiwöchige Rechtzeitigkeitsfrist überhaupt einer teleologischen Reduktion zugänglich ist, weil der „Telos der Vorschrift“ oder - subjektiv ausgedrückt - der „Wille des Gesetzgebers“ nicht eindeutig feststellbar ist. Die der Nr. 4141 VV RVG zugrunde liegende Honorierung der anwaltlichen Tätigkeit, die zu einer Aufwandsersparnis beim Gericht führe, greift grundsätzlich bei Rechtsmitteln beider Seiten, damit auch bei Rechtsmitteln der Staatsanwaltschaft. Sofern hier die zweiwöchige Ausschlussfrist nicht eingehalten wird, ist die Ersparnis bei Gericht in puncto Hauptverhandlungsvorbereitung nicht gegeben. Die Gebühr gerät nach dem Wortlaut der Norm in Wegfall. Weil den Gesetzesmaterialien keine Aussage über diesen Aspekt der Ausschlussfrist zu entnehmen sei, kann ein planwidrig zu weitgehender Wortlaut der Norm nicht festgestellt und einem - gleichfalls nicht eindeutig feststellbaren - Willen des Gesetzgebers nicht im Wege der teleologischen Reduktion zum Durchbruch verholfen werden.  

     

    Zudem verneint das OLG eine Mitwirkungshandlung des Verteidigers i.S. der Nr. 4141 Anm. 2 VV RVG. Es sei nicht ersichtlich, dass der Verteidiger - neben dem ohnehin vergüteten Revisionsverfahren (Nr. 4130 VV RVG) - eine auf die Förderung der Rechtsmittelrücknahme außerhalb der Hauptverhandlung gerichtete Tätigkeit entfaltet hat. Nach Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LG stellte das Verfahren vor dem neuen Gericht einen neuen Rechtszug dar (§ 21 Abs. 1 RVG). Es war damit gebührenrechtlich eine neue Angelegenheit, in der der Anwalt erneut neben der „normalen“ Verfahrensgebühr (Nr. 4124 VV RVG) auch - bei entsprechender Tätigkeit - die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 VV RVG hätte verdienen können. Den zu honorierenden Erfolg habe der Verteidiger in der Aufhebung des angegriffenen Urteils. Dieselbe Handlung könne ohne weiteres Hinzutun keinen weiteren Gebührentatbestand auslösen.  

     

    Praxishinweis