Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Berufung

    Terminsgebühr im Berufungsverfahren

    von RiLG Dr. Julia Bettina Onderka, Bonn

    | Für den im Berufungsverfahren tätigen Anwalt gibt es mehrere Möglichkeiten, die Terminsgebühr zu verdienen. Der folgende Beitrag aus unserer Reihe zu Gebühren im Berufungsverfahren zeigt die verschiedenen Abrechnungsvarianten anhand von Fallbeispielen. |

    1. Berufung wird durch Beschluss verworfen

    Nach § 522 Abs. 1 S. 1 ZPO muss das Berufungsgericht von Amts wegen prüfen, ob die Berufung statthaft ist und form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde. Andernfalls wird sie nach § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO verworfen.

    • Beispiel 1

    A ist vom LG zur Herausgabe eines Pkw verurteilt worden und legt Berufung ein. Der Berufungsschriftsatz geht einen Tag nach Fristablauf beim zuständigen OLG ein. Der Berufungsgegner stellt durch seinen Anwalt schriftsätzlich einen Verwerfungsantrag. Die Berufung wird vom Senat durch Beschluss verworfen.

    Eine Terminsgebühr nach Nr. 3202 Abs. 1 i.V. mit Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG kann in diesem Fall nicht entstehen. Das Berufungsgericht hat zwar eine Entscheidung getroffen. Jedoch ist für den Verwerfungsbeschluss keine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (§ 522 Abs. 1 S. 3 ZPO). Der Anwalt des Berufungsbeklagten kann hier keine Terminsgebühr geltend machen.

    2. Berufung wird zurückgewiesen

    Misst das Berufungsgericht der Berufung weder Erfolgsaussichten noch grundsätzliche Bedeutung bei, so weist es die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurück (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

    • Beispiel 2

    A ist vom AG zur Zahlung von 3.500 EUR verurteilt worden, hat form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese begründet. Das LG weist die Parteien darauf hin, dass es beabsichtigt, die Berufung zurückzuweisen. Beide Parteien nehmen hierzu schriftlich Stellung. Sodann ergeht der Zurückweisungsbeschluss.

    Auch in diesem Fall kann der Anwalt keine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3202 Abs. 1 i.V. mit Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG abrechnen. Denn für das Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO ist eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben. Die Pflicht zur Terminsbestimmung im Berufungsverfahren besteht nach § 523 Abs. 1 S. 2 ZPO erst dann, wenn die Berufung nicht nach § 522 ZPO durch Beschluss verworfen oder zurückgewiesen wurde und das Berufungsgericht über die Übertragung auf den Einzelrichter entschieden hat.

     

    Praxishinweis |

    Da der Zurückweisungsbeschluss nicht anfechtbar ist (§ 522 Abs. 3 ZPO), sollte sich der Anwalt anlässlich des gerichtlichen Hinweises nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO überlegen, ob er die Berufung aus Kostengründen zurücknimmt. Damit erreicht er immerhin eine Reduzierung der Gerichtsgebühren von 4,0 (Nr. 1220 KV GKG) auf 2,0 (Nr. 1222 KV GKG). Allerdings kann auch schon vor einem Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO eine Terminsgebühr entstehen (OLG Düsseldorf RVG prof. 11, 167, Abruf-Nr. 113164).

    Für den Anwalt gibt es jedoch eine andere Möglichkeit, in dieser Situation eine Terminsgebühr zu verdienen:

    • Abwandlung

    In Beispiel 2 ergeht der gerichtliche Hinweis auf die beabsichtigte Zurückweisung. Daraufhin telefoniert der Anwalt des Berufungsklägers mit der Gegenseite, um einen Vergleichsvorschlag zu besprechen. Nachdem die Einigung scheitert, ergeht der Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO.

    Für eine Besprechung zur Vermeidung/Erledigung des Verfahrens mit der Gegenseite erhält der Anwalt eine Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 3. Alt. VV RVG. Ob dies auch im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO möglich ist, ist in der Rechtsprechung umstritten.

     

    • Nach einer Ansicht muss eine mündliche Verhandlung gesetzlich vorgeschrieben sein, damit eine Terminsgebühr für eine außergerichtliche Besprechung entstehen kann (BGH AGS 07, 397 und 298).

     

    • Nach anderer Ansicht gilt dieses Erfordernis nur für die Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach Nr. 3104 Abs. 1 VV RVG (BGH RVGreport 08, 348; OLG München AGS 10, 168 und 420; OLG Düsseldorf JurBüro 11, 304).

     

    Die zweite Ansicht überzeugt: Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck von Vorbem. 3 Abs. 3 3. Var. VV RVG verlangen, dass für das betreffende Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgesehen ist. Voraussetzung ist vielmehr, dass die Besprechung darauf gerichtet ist, das Verfahren zu vermeiden oder zu erledigen. Der Anwalt soll nach seiner Bestellung zum Verfahrensbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen Beendigung desselben beitragen. Ab dem Zeitpunkt, zu dem der Anwalt einen Verfahrensauftrag erhalten hat, kann er also die Terminsgebühr verdienen, auch wenn es in der Folgezeit nicht zu einem gerichtlichen Verfahren kommt. Der Gesetzgeber erhoffte sich davon eine verstärkte Anstrengung der Anwälte im Hinblick auf Einigungen ohne Inanspruchnahme der Gerichte. Es geht also nicht allein um die Vermeidung einer eigentlich erforderlichen mündlichen Verhandlung, sondern um eine Erledigung bzw. Vermeidung des Verfahrens insgesamt und damit um eine Entlastung der Gerichte. Auch Verfahren, die ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, bedeuten Arbeitsaufwand für das Gericht. Daher sollte auch in diesem Bereich dem Anwalt ein Anreiz geboten werden, durch eine außergerichtliche Besprechung ein solches Verfahren zu vermeiden.

     

    3. Berufungsverhandlung findet statt

    Unproblematisch ist der Fall, dass im Berufungsverfahren eine mündliche Verhandlung vor dem Senat bzw. der Kammer durchgeführt wird. Denn dann hat der Anwalt für seine Partei vertretungsbereit an einem gerichtlichen Termin teilgenommen (vgl. Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG).

    • Beispiel 3

    A wird vom LG dazu verurteilt, ein wettbewerbswidriges Verhalten zu unterlassen (Streitwert: 50.000 EUR). Nachdem er durch seinen Anwalt Berufung eingelegt und diese begründet hat, führt der Senat eine mündliche Verhandlung durch.

    Der Anwalt erhält in Beispiel 3 für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung eine 1,2-Terminsgebühr aus 50.000 EUR nach Nr. 3202 VV RVG.

    • Abwandlung

    In Beispiel 3 erklären die Anwälte kurz vor der mündlichen Verhandlung, dass sie sich geeinigt und einen schriftlichen Vergleich geschlossen hätten. Der Termin wird daraufhin aufgehoben.

    Auch in diesem Fall erhält der Anwalt die Terminsgebühr nach Nr. 3202 Abs. 1 i.V. mit Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG. Denn da für das Berufungsverfahren ab dem Zeitpunkt der Entscheidung über die Terminierung (§ 523 Abs. 1 ZPO) eine mündliche Verhandlung gesetzlich vorgeschrieben ist, wird die Terminsgebühr auch durch den Abschluss eines schriftlichen Vergleichs ausgelöst. Dabei ist nicht erforderlich, dass dieser vor Gericht geschlossen oder von diesem festgestellt (§ 278 Abs. 6 ZPO) wird. Denn das Gesetz verlangt lediglich einen „schriftlichen Vergleich“. Die Anwälte erhalten auch in der Abwandlung von Fall 3 eine 1,2-Terminsgebühr aus 50.000 EUR nach Nr. 3202 VV RVG.

    4. Termin zur Protokollierung eines Vergleichs

    Die Terminsgebühr entsteht in Höhe derjenigen Ansprüche, hinsichtlich derer der Anwalt den betreffenden Termin wahrgenommen hat. Eine Ausnahme gilt jedoch nach Nr. 3104 Abs. 3 VV RVG (der nach Nr. 3202 Abs. 1 VV RVG auch im Berufungsverfahren Anwendung findet), wenn im Termin nur die bloße Protokollierung einer Einigung über nicht rechtshängige Ansprüche beantragt wird.

    • Beispiel 4

    A wird zur Zahlung von 15.000 EUR verurteilt. Im Berufungsverfahren vor dem OLG teilen die Parteien in der Verhandlung mit, dass sie sich über die Klagesumme sowie über eine weitere (nicht rechtshängige) Forderung in Höhe von 4.000 EUR geeinigt haben. Der Senat solle diesen Vergleich nur noch protokollieren.

    Dies führt - anders als Einigungsverhandlungen über weitergehende Ansprüche - nicht zu einer Erhöhung des Gegenstandswerts. In Beispiel 4 erhalten die Anwälte daher lediglich die Terminsgebühr aus 15.000 EUR.

     

    5. Terminsgebühr bei Einigungsverhandlung

    Führen die Parteien im Berufungstermin auch Einigungsverhandlungen, die sich auf in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche beziehen, so greift Nr. 3104 Abs. 2 i.V. mit Nr. 3202 Abs. 1 VV RVG ein. Folge: In dem Verfahren, in welchem der Termin stattfindet - nicht dagegen in dem Verfahren, dessen Gegenstand einbezogen wird (OLG Frankfurt AGS 08, 224; OLG Stuttgart AGS 05, 256) - entsteht eine 1,2-Terminsgebühr aus dem Wert der rechtshängigen sowie der nicht in diesem Verfahren rechtshängigen Ansprüche. Voraussetzung ist, dass die nicht in diesem Verfahren rechtshängigen Ansprüche Gegenstand von Einigungsverhandlungen im Termin waren.

    • Beispiel 5

    A wird vom LG zur Zahlung von 16.000 EUR verurteilt. In der Berufungsverhandlung verhandeln die Anwälte darüber, einen vor dem AG rechtshängigen Anspruch gegen A in Höhe von 3.000 EUR in einen Gesamtvergleich mit einzubeziehen. Die Einigung scheitert.

    Die 1,2-Terminsgebühr fällt im Beispiel 5 demnach aus dem Gesamtwert von 19.000 EUR an. Aus dem Wortlaut ergibt sich weiter, dass die betreffenden Ansprüche im Verfahren nicht rechtshängig sein dürfen. Sie können also

    • überhaupt nicht rechtshängig sein,
    • in einem anderen Verfahren rechtshängig sein oder
    • bereits rechtskräftig festgestellt sein.

    6. Anrechnung der Terminsgebühr

    Für die in einem anderen Verfahren entstandene Terminsgebühr enthält Nr. 3104 Abs. 2 VV RVG eine Anrechnungsregelung. Die Terminsgebühr aus dem Verfahren mit den Einigungsverhandlungen ist auf eine Terminsgebühr im Verfahren über den einbezogenen Anspruch anzurechnen. Die Anrechnung erfolgt aber nur in begrenzter Höhe, nämlich nur, soweit die Terminsgebühr den sich ohne Berücksichtigung der nicht rechtshängigen Ansprüche ergebenden Gebührenbetrag übersteigt.

     

    • Beispiel 6

    In Beispiel 5 wird nach Abschluss des Berufungsverfahrens und der dort gescheiterten Einigung das Verfahren vor dem AG über die Forderung von 3.000 EUR weiter geführt und endet mit einem Urteil.

    In Beispiel 6 beträgt die Terminsgebühr im Berufungsverfahren (nach einem Wert von 19.000 EUR) 727,20 EUR. Ohne Berücksichtigung der vor dem AG anhängigen Ansprüche wäre eine Terminsgebühr nur aus einem Wert von 16.000 EUR und damit in Höhe von 679,20 EUR entstanden. Damit ist auch nur der Differenzbetrag von 48 EUR auf die Terminsgebühr des zweiten Verfahrens vor dem AG (Wert: 3.000 EUR) anzurechnen.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2011 | Seite 196 | ID 29479480