03.03.2008 | Der praktische Fall
Kann der Versicherungsnehmer neben der Versicherung einen eigenen Anwalt bestellen?
In Verkehrsunfallmandaten stellt sich oft die Frage, ob der Versicherungsnehmer unabhängig von der Versicherung einen eigenen Anwalt beauftragen kann. Der folgende Beitrag beantwortet diese Frage anhand eines praktischen Falls.
Beispiel |
Mandant M sucht den Rechtsanwalt R auf und überreicht ihm eine Klageschrift, die ihm zugestellt worden ist. In dem Prozess wird er als Fahrer und Halter neben der Versicherung V wegen eines Verkehrsunfalls verklagt. M überlegt, ob er das Mandat annehmen soll.
Lösung: R wird das Mandat nur annehmen, wenn er die Gebühren im Fall eines Obsiegens auch im Rahmen der Kostenfestsetzung geltend machen kann.
Grundsatz: M und V stehen untereinander im Verhältnis als einfache Streitgenossen, sodass jeder seinen eigenen Prozess führen muss (BGH NJW 74, 2124). Die Befugnis, einen eigenen Anwalt zu beauftragen hat der BGH aber eingeschränkt (NJW-RR 04, 536). Hiernach ist für die Praxis entschieden, dass grundsätzlich Anwaltskosten des Versicherungsnehmers nicht zusätzlich zu den Anwaltskosten des Versicherers festsetzbar sind. Hintergrund ist, dass der Versicherer nach § 7 Abs. 2 Nr. 5, § 10 Abs. 1 und 4 AKB befugt ist, einen Anwalt für alle Versicherten, also auch den Fahrer zu beauftragen. Für den Versicherungsnehmer besteht also kein Anlass, einen eigenen Prozessbevollmächtigten zu bestellen.
Durch die Entscheidung des BGH (a.a.O.) ist auch die einschränkende Auffassung des LG Berlin (NJW-RR 02, 421) erledigt. Eine Erstattungsfähigkeit kann auch nicht angenommen werden, wenn der Versicherungsnehmer vor dem Versicherer einen Anwalt beauftragt.
Ausnahme: Erstattungsfähig sind die Kosten aber, wenn es einen Anlass gibt, einen eigenen Anwalt zu bestellen. Einen solchen Anlass gibt es bei einer beachtlichen Interessenkollision. Eine solche kommt vor allem in Betracht, wenn der Versicherer im Innenverhältnis sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht beruft (OLG Karlsruhe VersR 79, 944, 945) oder bei der Ankündigung des Rückgriffs durch den Versicherer (OLG Koblenz MDR 95, 263, 264). Nach Auffassung des BGH (a.a.O.) reicht ein möglicher Streit über die Notwendigkeit oder Angemessenheit von Schadenersatzleistungen und der möglichen Folge einer Rückstufung des Versicherungsnehmers für einen beachtlichen Interessengegensatz aber nicht aus. Denn dieser Streit kann im Verkehrsunfallprozess nicht geklärt werden, sondern ist in einem gesonderten Prozess auszutragen (OLG Bremen VersR 88, 1304; OLG Hamm MDR 90, 1019).
Praxishinweis: Auch bei anderen Streitgenossen steht es diesen zwar grundsätzlich frei, jeweils einen eigenen Anwalt zu beauftragen. Hierfür muss es aber sachliche Gründe geben. Gibt es solche nicht, z.B wenn bei einer GmbH & Co KG die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin der KG und die KG unterschiedliche Anwälte beauftragen, sind die Kosten des zweiten Anwalts nicht notwendig (OLG Koblenz MDR 94, 416), es sei denn es gibt eine Interessenkollision. |