30.03.2011 | Gebühren in Insolvenzsachen
Anwaltsvergütung in Insolvenzsachen
von RiLG Dr. Julia Betina Onderka, Bonn
Der folgende Beitrag zeigt anhand von Berechnungsbeispielen, welche Gebühren der Anwalt im Insolvenzverfahren abrechnen kann.
1. Beratung
Berät der Anwalt den Mandanten z.B. zur Frage, ob ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden soll, muss er eine Gebührenvereinbarung treffen. Ansonsten bestimmen sich seine Gebühren nach dem BGB und sind bei Verbrauchern auf einen Betrag von 250 EUR für die Beratung und 190 EUR für die Erstberatung beschränkt (§ 34 RVG).
2. Außergerichtliche Vertretung
Für die außergerichtliche Vertretung des Mandanten (z.B. Verhandlungen mit den Gläubigern über Ratenzahlungsmöglichkeiten o.Ä.) kann der Anwalt die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG fordern. Der Gegenstandswert bestimmt sich bei Vertretung des Gläubigers nach dem Nennwert der Forderung und bei Vertretung des Schuldners nach dem Wert der Insolvenzmasse (§ 23 Abs. 1 S. 3, § 28 RVG).
Die Insolvenzmasse umfasst das gesamte dem Schuldner bei Eröffnung gehörende und während des Verfahrens von ihm erlangte, einer Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen (§§ 35, 36 InsO). Nicht dazu zählen die Gegenstände, die aufgrund dinglicher oder persönlicher Rechte einem Aussonderungsrecht unterliegen (§ 47 InsO). Ebenfalls müssen die Gegenstände vom Wert der Masse abgezogen werden, die einer abgesonderten Befriedigung (§§ 49 ff. InsO) unterliegen (§ 58 Abs. 1 S. 2 GKG). Masseverbindlichkeiten (§§ 53 - 55 InsO) werden nicht abgezogen.
3. Eröffnungsverfahren
Im Eröffnungsverfahren (§§ 11 ff. InsO) erhält der Anwalt für die Vertretung des Schuldners eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3313 VV RVG. Der Gegenstandswert berechnet sich nach dem Wert der Insolvenzmasse, wobei der Mindestwert bei 4.000 EUR liegt (§ 28 Abs. 1 S. 2 RVG).
Beispiel: Vertretung des Schuldners | |||||||||||||||
Anwalt A stellt für Schuldner S auftragsgemäß einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. S hat nur noch 1.000 EUR Barvermögen, sodass der Mindestwert von 4.000 EUR eingreift.
Lösung: A kann folgende Gebühren aus einem Wert von 4.000 EUR abrechnen:
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Vertritt der Anwalt im Eröffnungsverfahren den Gläubiger, so erhält er eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3314 VV RVG. Der Gegenstandswert richtet sich nach dem Nennwert der Gläubigerforderung (§ 28 Abs. 2 RVG).
Beispiel: Vertretung des Gläubigers | |||||||||||||||
Gläubiger G hat eine Forderung in Höhe von 30.000 EUR gegen S. Nach einem erfolglosem Beitreibungsversuch beauftragt er A, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen.
Lösung: A erhält folgende Gebühren aus einem Wert von 30.000 EUR:
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Wenn der Anwalt bereits vor dem Eröffnungsverfahren für den Mandanten außergerichtlich tätig war, wird die dafür entstandene Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) zur Hälfte, höchstens jedoch mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die wegen desselben Gegenstandes entstehenden Gebühren nach Nr. 3313 und 3314 VV RVG angerechnet.
Beispiel: Vorangegangene außergerichtliche Vertretung des Schuldners | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
A nimmt zunächst zu Mahnschreiben des G Stellung, in denen Forderungen gegen den vermögenslosen S geltend gemacht werden. Dann beantragt er für S die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Lösung: A kann folgende Gebühren aus dem Mindestwert von 4.000 EUR abrechnen:
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Bei einem vorzeitigen Auftragsende fallen die Gebühren nach Nr. 3313, 3314 VV RVG in ungekürzter Höhe an, da das Vergütungsverzeichnis keinen Ermäßigungstatbestand vorsieht.
4. Insolvenzverfahren
Im Insolvenzverfahren kann der Anwalt, gleichgültig ob er den Schuldner oder einen Gläubiger vertritt, eine einheitliche 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3317 VV RVG abrechnen. Der Gegenstandswert für diese Verfahrensgebühr berechnet sich bei Vertretung des Schuldners nach dem Wert der Insolvenzmasse. Der Mindestwert von 4.000 EUR (§ 28 Abs. 1 S. 2 RVG) ist nur für das Eröffnungsverfahren vorgesehen, sodass der Wert im Insolvenzverfahren auch geringer sein kann. Bei Vertretung des Gläubigers richtet sich der Gegenstandswert nach dem Nennwert seiner Forderung einschließlich Nebenforderungen (§ 28 Abs. 2 S. 2 RVG: Zinsen und erstattungsfähige Kosten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens). Dies gilt auch, wenn der Wert der Insolvenzmasse geringer ist, weil § 28 Abs. 2 RVG - anders als § 28 Abs. 1 RVG - nicht auf § 58 Abs. 2 GKG verweist.
Beispiel | |||||||||||||||
G hat eine Forderung von 30.000 EUR gegen S. Für die vergebliche Geltendmachung durch ein Inkassounternehmen sind Kosten von 250 EUR entstanden. Die Forderung ist seit dem 1.1.09 mit 11 Prozent p.a. zu verzinsen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 31.3.10 wird A im Auftrag des G im Insolvenzverfahren tätig. Die Insolvenzmasse hat einen Wert von 15.000 EUR.
Lösung: A kann für die Tätigkeit im Insolvenzverfahren Gebühren aus einem Wert von 34.375 EUR verlangen. Für den Wert sind die Hauptforderung (30.000 EUR), die Nebenforderung von 250 EUR sowie die Zinsen (für 15 Monate) von 4.125 EUR zu addieren. Folgende Gebühren fallen an:
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Macht der Gläubiger nur einen Teilbetrag seiner Forderung im Insolvenzverfahren geltend, so ist nur dieser Teil für die Berechnung der Gebühr nach Nr. 3317 VV RVG maßgeblich. Bei der Berechnung der Gebühr für das Eröffnungsverfahren (Nr. 3314 VV RVG) ist diese Frage umstritten:
- Nach einer Meinung wird die Gebühr der Nr. 3314 VV RVG immer nach der gesamten Forderung berechnet (OLG Dresden MDR 94, 1253; Enders JurBüro 99, 171; Hartmann, Kostengesetze, § 28 RVG Rn. 13).
- Nach der Gegenmeinung wird auch diese Gebühr nur nach dem geltend gemachten Teilbetrag berechnet (LG Freiburg KTS 92, 565; Schneider/Wolf (Wolf), RVG, § 28 Rn. 9).
Der zweiten Meinung ist zuzustimmen, da der Wortlaut des § 28 Abs. 2 RVG keinen Anhaltspunkt dafür bietet, den Gegenstandswert einmal in Höhe der gesamten Forderung und einmal in Höhe nur des Teilbetrags anzusetzen. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten eine solche Differenzierung zwischen dem Eröffnungsverfahren und dem weiteren Verfahren nicht. Gerechnet wird also wie folgt:
Beispiel | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
A macht für G außergerichtlich eine Forderung in Höhe von 40.000 EUR gegen S geltend. Dieser wendet ein, einen Teilbetrag von 10.000 EUR habe er schon durch Verrechnung erfüllt. G ist zwar anderer Ansicht, beauftragt A aber aus Gründen der Vorsicht, nur wegen eines Betrages von 30.000 EUR die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen.
Lösung: Wird A auch im Insolvenzverfahren für G tätig, kann er folgende Gebühren verlangen:
Eröffnungs- und Insolvenzverfahren (Wert: 30.000 EUR)
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Im Insolvenzverfahren erfolgt keine Anrechnung der Gebühren nach Nr. 3313, 3314 VV RVG auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3317 VV RVG, da es an einer Anrechnungsbestimmung fehlt. Wohl aber erfolgt eine Anrechnung der Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG für eine außergerichtliche Tätigkeit auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3317 VV RVG, wenn sich die außergerichtliche Tätigkeit auf denselben Gegenstand bezog, wie die Tätigkeit im Insolvenzverfahren.
5. Schuldenbereinigungsplan
Legt der Schuldner im Verbraucherinsolvenzverfahren einen sog. Schuldenbereinigungsplan vor (§ 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO), wird dieser bei Zustimmung der Gläubiger zum abschließenden Vollstreckungstitel und die Anträge auf Insolvenzeröffnung bzw. Restschuldbefreiung gelten als zurückgenommen (§ 308 Abs. 2 InsO). Vertritt der Anwalt den Schuldner nicht nur im Eröffnungsverfahren, sondern auch im Zusammenhang mit diesem Plan, so erhält er nach Nr. 3315 VV RVG eine erhöhte Verfahrensgebühr von 1,5. Auch bei Vertretung eines Gläubigers kann der Anwalt zusätzlich eine Tätigkeit im Hinblick auf den Insolvenzplan entfalten, z.B. wenn er diesen im Auftrag des Gläubigers prüft oder zur Zustimmungsersetzung nach § 309 Abs. 2 InsO Stellung nimmt. Er erhält in diesem Fall die erhöhte Verfahrensgebühr nach Nr. 3316 VV RVG von 1,0.
6. Insolvenzplan
Im Verfahren über einen Insolvenzplan (§ 218 Abs. 1 InsO), entsteht für den Anwalt eine besondere Verfahrensgebühr nach Nr. 3318 VV RVG in Höhe von 1,0. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Anwalt den Plan selbst erstellt oder an seiner Ausarbeitung mitgewirkt hat. Vielmehr reicht die Tätigkeit im Verfahren nach §§ 217 ff. InsO aus, beispielsweise eine Stellungnahme zum Plan gemäß § 232 InsO. Vertritt der Anwalt den Schuldner, der den Plan vorgelegt hat, so erhöht sich die Gebühr auf 3,0 (Nr. 3319 VV RVG). Die Gebühren nach Nr. 3318, 3319 VV RVG entstehen neben den Verfahrensgebühren für das Eröffnungsverfahren und das Insolvenzverfahren besonders. Der Gegenstandswert ist unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses des Auftraggebers nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG zu bestimmen (§ 28 Abs. 3 RVG). Bei der Vertretung des Schuldners ist der zu erhaltende Vermögensteil maßgeblich. Bei Vertretung des Gläubigers kommt es auf die Differenz zwischen Plan und geforderter Quote an.
7. Restschuldbefreiung
Im Verfahren über Versagung oder Widerruf der Restschuldbefreiung (§§ 296, 303 InsO) erhält der Anwalt eine besondere Verfahrensgebühr in Höhe von 0,5 nach Nr. 3321 VV RVG. Diese Gebühr entsteht auch besonders, wenn der Antrag bereits vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt ist (vgl. Abs. 2 der Anm. zu Nr. 3321 VV RVG). Bei mehreren gleichzeitig anhängigen Anträgen erhält der Anwalt die Gebühr nach Abs. 1 der Anm. zu Nr. 3321 VV RVG nur einmal. Werden die Anträge dagegen nacheinander gestellt, so dass keine gleichzeitige Anhängigkeit gegeben ist, kann die Verfahrensgebühr mehrfach entstehen.
8. Anmeldung einer Insolvenzforderung
Beschränkt sich die Tätigkeit des Anwalts auf die Anmeldung einer Forderung, so reduziert sich die Verfahrensgebühr der Nr. 3317 VV RVG auf einen Satz von 0,5 (Nr. 3320 VV RVG). Die Gebühr entsteht auch nur einmal, wenn der Anwalt nach erstmaliger Anmeldung der Forderung Feststellungsklage nach § 180 InsO erheben musste und später mit dem obsiegenden Urteil nochmals die Anmeldung vornimmt. Denn dabei handelt es sich um die Fortsetzung derselben gebührenrechtlichen Angelegenheit.
9. Beschwerdeverfahren
Im Beschwerdeverfahren erhält der Anwalt die Gebühren nach Nr. 3500, 3513 VV RVG. Der Wert zur Berechnung der Gebühren richtet sich nach § 28 RVG. Bei Vertretung des Schuldners ist der Wert der Insolvenzmasse entscheidend (§ 28 Abs. 1 S. 1 RVG). Gleiches gilt, wenn der Anwalt den Schuldner als Beschwerdegegner im Beschwerdeverfahren gegen die Zurückweisung des Eröffnungsbeschlusses vertritt (OLG Köln JurBüro 94, 101). Bei Vertretung des Gläubigers ist der Nennwert der Forderung maßgeblich (§ 28 Abs. 2 RVG). In sonstigen Beschwerdeverfahren richtet sich der Wert nach dem wirtschaftlichen Interesse des Auftraggebers (§ 28 Abs. 3 RVG). Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens gegen die Anordnung einer Postsperre gemäß § 99 InsO bestimmt sich nach dem Interesse des Schuldners. Das OLG Köln hat ihn auf (umgerechnet) 20.000 EUR festgesetzt (OLG Köln ZIP 00, 1900).