01.12.2009 | Gebührenanrechnung
§ 15a Abs. 2 RVG und Kostenerstattung durch Dritte
von Dipl.- Rechtspfleger Joachim Volpert, Willich
Der Beitrag befasst sich mit den Folgen von § 15a Abs. 2 RVG für die Gebührenanrechnung im Verhältnis zum erstattungspflichtigen Dritten. Nach § 15a Abs. 2 RVG kann sich ein Dritter auf die Anrechnung ausnahmsweise berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat (z.B. durch Zahlung oder Aufrechnung), wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht, oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden (Volpert RVGprof. 09, 104). Dritte i.S. von § 15a Abs. 2 RVG sind nicht am Mandatsverhältnis beteiligte Personen (BT- Drucks. 16/12717, 68), die dem Mandanten für die entstandenen Gebühren nach materiell-rechtlichen Vorschriften oder aufgrund eines prozessualen Erstattungsanspruchs Ersatz zu leisten haben. Die hinter dem Auftraggeber stehende Rechtsschutz- oder Haftpflichtversicherung ist nicht Dritte i.S. von § 15a Abs. 2 RVG.
- Keine Schwierigkeiten bereitet die Erhebung des Anrechnungseinwands im Fall der vollständigen Erfüllung eines Gebührenanspruchs, soweit das RVG die vollständige Anrechnung einer Gebühr auf eine andere vorschreibt (z.B. Vorbem. 3 Abs. 5 und 6 VV RVG, Abs. 1 und Abs. 2 der Anm. zu Nr. 3100 VV RVG, Anm. zu Nr. 3305 und 3307 VV RVG). In diesem Fall ist der gezahlte Betrag in voller Höhe auf die andere Gebühr anzurechnen.
Beispiel 1 (Vollständige Erfüllung und vollständige Anrechnung) |
Im Urkundenprozess ergeht ein Vorbehaltsurteil, in dem dem Beklagten B die Kosten auferlegt werden. B zahlt die von Rechtsanwalt R für den Kläger A verlangte 1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG über 391,30 EUR (Wert 5.000 EUR). Im Nachverfahren wird das Vorbehaltsurteil für vorbehaltlos erklärt und B werden die weiteren Kosten auferlegt.
Lösung: Die Verfahrensgebühr des Urkundenprozesses ist nach Abs. 2 der Anm. zu Nr. 3100 VV RVG vollständig auf die Verfahrensgebühr des Nachverfahrens anzurechnen. Auf diese Anrechnung kann sich B wegen vollständiger Zahlung der Verfahrensgebühr des Urkundenprozesses auch berufen, sodass A für das Nachverfahren keine Verfahrensgebühr mehr fordern kann. |
Beispiel 2 (Teilweise Erfüllung und vollständige Anrechnung) |
Wie Beispiel 1; B hat lediglich 301 EUR gezahlt.
Lösung: A kann für das Nachverfahren noch eine Verfahrensgebühr über 90,30 EUR von B erstattet verlangen (391,30 EUR ./. 301 EUR). |
- Nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG ist die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 bis 2303 VV RVG im Fall der Gegenstandsidentität zur Hälfte, höchstens mit 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen. Wird der Anspruch auf eine der beiden Gebühren vom Dritten erfüllt, kann er sich auf die Anrechnung mit dem durch Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG vorgeschriebenen Anrechnungsbetrag berufen.
Beispiel 3 (Vollständige Erfüllung und teilweise Anrechnung) |
B zahlt im Prozess die Hauptforderung (5.000 EUR) sowie die klageweise geltend gemachte 1,3 Geschäftsgebühr (391,30 EUR). Nach Erledigungserklärung werden B die Kosten auferlegt.
Lösung: Da B den Anspruch von A auf Erstattung der Geschäftsgebühr vollständig erfüllt hat, kann er sich auf die durch Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG vorgeschriebene hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr berufen. Deshalb kann A in der Kostenfestsetzung nur noch eine 0,65 Verfahrensgebühr statt der im Prozess angefallenen 1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG von B verlangen. B hat zwar mehr als den Anrechnungsbetrag der Geschäftsgebühr (0,65) gezahlt. Das führt aber nicht dazu, dass der Höchstsatz der Anrechnung in Höhe von 0,75 zu berücksichtigen und von B nur eine 0,55 Verfahrensgebühr (1,3 ./. 0,75) zu erstatten ist. |
Beispiel 4 (Teilweise Erfüllung und teilweise Anrechnung) |
Wie Beispiel 3; B hat statt der verlangten 1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG über 391,30 EUR lediglich eine 0,8 Geschäftsgebühr in Höhe von 240,80 EUR gezahlt.
Lösung: Die von B in der Kostenfestsetzung zu erstattende Verfahrensgebühr verringert sich um 0,4 (1/2 von 0,8). Würde der in Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG vorgesehene Höchstsatz der Anrechnung in Höhe von 0,75 berücksichtigt, ergäbe sich in den Beispielen 3 und 4 derselbe Anrechnungsbetrag, obwohl B in Beispiel 4 einen geringeren Betrag gezahlt hat. |
- Ist zwischen den Parteien streitig, ob und inwieweit ein Gebühren-anspruch erfüllt worden ist, kann der Rechtspfleger über diesen materiellen Einwand im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß §§ 103 ff. ZPO nicht abschließend entscheiden. Keine Anrechnung erfolgt daher, wenn im Kostenfestsetzungsverfahren nicht geklärt werden kann, ob und inwieweit Erfüllung eingetreten ist (Hansens AnwBl. 09, 535, 538).
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