29.10.2009 | Gebührenanrechnung
§ 15a RVG und Mahnverfahren
von Dipl.- Rechtspfleger Joachim Volpert, Willich
§ 15a RVG ist auch im Mahnverfahren zu beachten. Die durch § 15a Abs. 2 RVG vorgeschriebene Berufung auf die Anrechnung ist problematisch, weil dem Antragsgegner vor Erlass des Mahnbescheids gemäß § 702 Abs. 2 ZPO kein rechtliches Gehör gewährt wird. Wird hier auf den tatsächlich erhobenen Anrechnungseinwand abgestellt, ergeben sich praktische Probleme.
Beispiel 1 |
Im Mahnbescheidsantrag werden vom Antragsteller - ohne Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG - geltend gemacht:
Lösung: Mangels Anhörung kann sich der Antragsgegner vor Erlass des Mahnbescheids nicht auf die Anrechnung der Geschäftsgebühr berufen. Berücksichtigt das Mahngericht beide Gebühren ohne Anrechnung in voller Höhe im Mahnbescheid, kann der Antragsgegner dies erst im Widerspruchsverfahren bzw. im Einspruchsverfahren gegen den Vollstreckungsbescheid beanstanden. Nimmt der Antragsteller den Mahnbescheidsantrag nach Widerspruch/Einspruch nicht hinsichtlich des Anrechnungsbetrags zurück, muss deswegen ein Prozessverfahren durchgeführt werden. |
Mahnbescheidsantrag vor Inkrafttreten des § 15a RVG
Im Vollstreckungsbescheid wird einheitlich über einen materiell-rechtlichen (Geschäftsgebühr) als auch über einen prozessualen (Verfahrensgebühr) Kostenerstattungsanspruch entschieden. Um eine Berücksichtigung der Anrechnung zu gewährleisten, hatte die Koordinierungsstelle für Pflege und Weiterentwicklung des automatisierten gerichtlichen Mahnverfahrens beim Justizministerium Baden- Württemberg bereits mit Schreiben vom 15.5.07 mitgeteilt, dass bei Mahnbescheids-Vordrucken (Fassung 1.1.02) die Geschäftsgebühr in voller Höhe in Zeile 44 des Vordrucks als „sonstige Nebenforderung“ mit der Bezeichnung „Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG“ o.Ä. einzutragen ist. In der Vordruckfassung 1.5.07 bzw. 1.1.09 sollte der volle Betrag der Geschäftsgebühr in dem Feld „Anwaltsvergütung für vorgerichtliche Tätigkeit“ eingetragen werden. Der auf die Mahnverfahrensgebühr Nr. 3305 VV RVG nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnende Betrag der Geschäftsgebühr war als sog. „Minderungsbetrag“ der Verfahrensgebühr Nr. 3305 VV RVG in Zeile 43 oder 44 unter „Sonstige Auslagen“ bzw. unter „Sonstige Nebenforderung“ im Feld „Betrag“ und „Bezeichnung“ einzutragen.
Beispiel 2 | ||||||
Rechtsanwalt R macht im Mahnverfahren neben der Hauptforderung über 5.000 EUR die volle 1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG i.H. von 391,30 EUR gegen den Antragsgegner geltend.
Lösung: Der Minderungsbetrag der Verfahrensgebühr Nr. 3305 VV RVG berechnet sich wie folgt:
Als Minderungsbetrag war der von der Geschäftsgebühr auf die Mahnverfahrensgebühr anzurechnende Teil von 196,65 EUR einzutragen, also der Anrechnungsbetrag der Geschäftsgebühr. Durch diese Angabe wurde gewährleistet, dass im Vollstreckungsbescheid neben der vollen Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG i.H. von 391,30 EUR von der Verfahrensgebühr Nr. 3305 VV RVG nur noch ein Betrag i.H. von 105,35 EUR tituliert wurde. |
Mahnbescheidsantrag nach dem 5.8.09
Um Unsicherheiten entgegenzuwirken, hat die Koordinierungsstelle für die Pflege und Weiterentwicklung des automatisierten gerichtlichen Mahnverfahrens beim Justizministerium Baden- Württemberg der Bundesrechtsanwaltskammer sowie dem Deutschen Anwaltverein nunmehr mit Schreiben vom 2.7.09 (AZ 3733 a/0165) mitgeteilt, dass an der bisherigen Antragspraxis nichts geändert werden muss, um § 15a RVG zu genügen. Grundsätzlich gilt daher das Schreiben vom 15.5.07 weiter.
Vornahme der Eintragungen ab 5.8.09
Vertiefend erläutert die Koordinierungsstelle im Hinblick auf das dem Rechtsanwalt im Innenverhältnis zum Mandanten gemäß § 15a Abs. 1 RVG zustehende Wahlrecht in ihrem Schreiben vom 2.7.09, welche Eintragungen im Mahnbescheidsantrag vorzunehmen sind, um eine bestimmte Anrechnungsreihenfolge zu erzielen.
Beispiel 3 | ||||||||
R hat M außergerichtlich wegen eines Zahlungsanspruchs von 5.000 EUR vertreten. Die 1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG beträgt 391,30 EUR. Die 1,0 Mahnverfahrensgebühr Nr. 3305 VV RVG beträgt 301 EUR.
Lösung: Der Anrechnungsbetrag der Geschäftsgebühr beträgt nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG:
R darf von M wegen Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG insgesamt 496,65 EUR fordern (391,30 EUR + 301,00 EUR - ½ von 391,30 EUR mit 195,65 EUR). R kann von M z.B. die Geschäftsgebühr i.H. von 195,65 EUR und die Verfahrensgebühr i.H. von 301 EUR, die Geschäftsgebühr i.H. von 391,30 EUR und die Verfahrensgebühr i.H. von 105,35 EUR oder die Geschäfts- und Verfahrensgebühr jeweils i.H. von 248,32 EUR (496,65 EUR) verlangen. |
Wahlrecht des Rechtsanwalts
Aufgrund des Wahlrechts nach § 15a Abs. 1 RVG kann der Anwalt die Anrechnung bei der Geschäftsgebühr, bei der Verfahrensgebühr oder auch anteilig bei beiden Gebühren berücksichtigen. Bei der Antragstellung kann dieses Wahlrecht wie folgt berücksichtigt werden.
- Anrechnung auf die Geschäftsgebühr
- Anrechnung auf die Verfahrensgebühr
Praxishinweis: Wurde vor Inkrafttreten des § 15a RVG im Mahnbescheidsantrag die entstandene Geschäftsgebühr nicht geltend gemacht und kein Widerspruch/Einspruch erhoben, titulierte der Rechtspfleger im Vollstreckungsbescheid die volle 1,0 Verfahrensgebühr Nr. 3305 VV RVG, obwohl nach der Rechtsprechung des BGH (RVGprof. 08, 55; RVGprof. 08, 117) die entstandene Geschäftsgebühr teilweise darauf anzurechnen gewesen wäre. Diese Problematik tritt mit Einführung des § 15a RVG nicht mehr auf, weil sich der Antragsgegner nur unter den in § 15a Abs. 2 RVG genannten Voraussetzungen auf die Anrechnung der Geschäftsgebühr berufen kann.