01.02.2010 | Gebührenanrechnung
Anrechnung der Geschäftsgebühr nur, wenn sie auch tatsächlich entstanden ist
von RiOLG Frank-Michael Goebel, Koblenz
Die Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr gemäß Teil 3, Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG kommt nicht in Betracht, wenn zwischen der erstattungsberechtigten Partei und ihrem Prozess-bevollmächtigten keine Geschäftsgebühr im Sinne von Nr. 2300 VV RVG entstanden ist, sondern sie ihrem Prozessbevollmächtigten für dessen vorprozessuales Tätigwerden ein von einzelnen Aufträgen unabhängiges Pauschalhonorar schuldet (BGH 18.8.09, VIII ZB 17/09, Abruf-Nr. 093475). |
Sachverhalt
Die Parteien haben um die Rückabwicklung eines zwischen ihnen geschlossenen Fahrzeugkaufvertrags gestritten. Nachdem der Kläger bereits im ersten Rechtszug seine Klage zurückgenommen hatte, hat ihm das LG die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von 26.990 EUR auferlegt. Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat die Beklagte unter anderem eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG ungekürzt zur Festsetzung gegen den Kläger angemeldet und geltend gemacht, dass mit ihrem bereits vorprozessual in dieser Angelegenheit tätig gewordenen Prozessbevollmächtigten, der in gleicher Weise auch für ihre Muttergesellschaft und ihre Schwestergesellschaften tätig werde, eine Rahmenvereinbarung bestehe, nach der ein Pauschalhonorar gezahlt werde; sie schulde ihm deshalb keine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG und müsse damit auch keine Anrechnung nach Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG (im Folgenden: Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG) auf die Geschäftsgebühr hinnehmen. Das LG hat dies nicht für durchgreifend erachtet und unter anderem die Verfahrensgebühr auf eine 0,65-Gebühr gekürzt. Auf die Beschwerde der Beklagten hat das OLG die angemeldete 1,3-Verfahrensgebühr unter Abänderung der erstinstanzlichen Kostenfestsetzung ungekürzt festgesetzt. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom OLG zugelassenen Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe und Praxishinweis
Nach der mittlerweile einhelligen Auffassung der OLG (OLG Frankfurt a. M., AnwBl. 09, 310; OLG Bremen AGS 09, 215 f.; OLG München 24.4.09, 11 W 1237/09; OLG Stuttgart AGS 09, 214) und der gebührenrechtlichen Kommentarliteratur (Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 18. Aufl., VV 2300, 2301, Rn. 39; AnwK-RVG/Rick, 4. Aufl., § 4 Rn. 12) ist davon auszugehen, dass es sich bei einer vereinbarten Vergütung (§ 3a RVG, gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 RVG bis 30.6.08 § 4 RVG in der Fassung des KostRMoG, im Folgenden: § 4 RVG a.F.) nicht um eine (gesetzliche) Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 - 2303 VV RVG handelt. Soweit das OLG Stuttgart (AGS 08, 510) zunächst eine gegenteilige Sichtweise vertreten hat, ist diese ausdrücklich aufgegeben worden (AGS 09, 214).
Dem folgt nun auch der BGH. Bereits nach ihrem Wortlaut ordnet die Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG nur die Anrechnung entstandener Geschäftsgebühren nach Nr. 2300 - 2303 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens an. Zu den hier aufgezählten gesetzlichen Gebühren rechnet eine Pauschalvergütung nach § 4 RVG a.F., die für das vorprozessuale Tätigwerden des Rechtsanwalts allein angefallen ist, aber nicht. Vielmehr schuldet der Auftraggeber des Rechtsanwalts die gesetzliche Gebühr nur, wenn keine (wirksame) Vereinbarung über die von ihm zu entrichtende Vergütung getroffen ist (Gerold/Schmidt/Madert, a.a.O., § 1 RVG Rn. 212).
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