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  • 30.09.2009 | Gebührenanrechnung

    Zeitpunkt der Anwendbarkeit von §§ 15a und 55 Abs. 5 S. 2 RVG ist umstritten

    von Dipl.-Rechtspfleger Joachim Volpert, Willich

    Durch Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften („Reparaturgesetz“) sind der neue § 15a RVG (Anrechnung einer Gebühr) eingeführt und § 55 Abs. 5 S. 2 RVG (Anzeige von Zahlungen bei PKH) geändert worden. Diese Vorschriften sind nach Art. 10 S. 2 am 5.8.09 in Kraft getreten (BGBl. I 2449, 2470). In der Praxis ist bereits stark umstritten, ob diese Regelungen auch auf in der Vergangenheit liegende Tatbestände (Altfälle) anwendbar sind. Nachfolgend lesen Sie, wie sich die unterschiedlichen Auffassungen auswirken.  

    Ansicht 1: Anwendung von § 60 Abs. 1 S. 1 RVG

    Ein Teil der Gerichte beurteilt die Geltung von §§ 15a, 55 Abs. 5 S. 2 RVG n.F. für vor dem 5.8.09 entstandene Altfälle nach der allgemeinen und auf alle RVG-Änderungen zugeschnittenen Dauerübergangsvorschrift § 60 Abs. 1 S. 1 RVG (so OLG Celle, 26.8.09, Abruf-Nr. 092996; LAG Hessen RVGreport 09, 305; OLG Hamm, 22.6.09, II-6 WF 154/09, bislang n.v.; OLG Düsseldorf, 6.8.09, I-20 W 62/09, bislang n.v., KG, 138.09, 2 W 128/09, juris; OLG Frankfurt, 10.3.09, 12 W 91/09, juris). Danach kommt es auf den Zeitpunkt der unbedingten Beauftragung bzw. der Beiordnung im Wege der PKH an.  

     

    Argumente für die Anwendung von § 60 Abs. 1 S. 1 RVG (OLG Celle, Abruf-Nr. 092996)
    • Der Gesetzgeber hat für § 15a, § 55 Abs. 5 S. 2 RVG n.F. im „Reparaturgesetz“ keine eigenständige Übergangsvorschrift geschaffen und auch nicht bestimmt, dass § 60 Abs. 1 S. 1 RVG nicht gelten soll.
    • Mit der Neuregelung wird allein der Zweck verfolgt, die vom Gesetzgeber nicht bedachten Auswirkungen der Anrechnungsvorschriften auf die Kostenerstattungspflicht Dritter zu korrigieren. Darin liegt eine in die Zukunft wirkende Gesetzesänderung i.S. von § 60 Abs. 1 S. 1 RVG und nicht lediglich eine Klarstellung der Rechtslage, weil Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG nicht regelt, ob und inwieweit sich der Erstattungspflichtige auf die Anrechnung berufen kann. Eine Rückwirkung von § 15a, § 55 Abs. 5 S. 2 RVG n. F. auf Tatbestände vor dem 5.8.09 ist daher ausgeschlossen.
    • Der Begriff der Gesetzesänderung ist formal zu sehen. Eine Änderung liegt vor, wenn der Gesetzestext geändert oder eine neue Vorschrift eingefügt wurde.
     

    Die Auswirkungen auf die Praxis

    Wendet die Praxis § 60 Abs. 1 S. 1 RVG an, sollte aber darauf geachtet werden, dass für die Anwendung von § 15a RVG, § 55 Abs. 5 S. 2 RVG n.F. nicht auf den Zeitpunkt der Erteilung des vorgerichtlichen Vertretungsauftrags, sondern des unbedingten Prozessauftrags abgestellt wird (OLG Düsseldorf, 6.8.09, I-20 W 62/09, n.v.; LG Berlin, AGS 09, 367). Denn ein Anrechnungsfall i.S. von Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG tritt erst durch die Entstehung der Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG des gerichtlichen Verfahrens ein.