01.12.2006 | Insolvenzrecht
Welche Auswirkungen hat die Insolvenz des Mandanten auf die Vergütung des Anwalts?
von RiLG Dr. Julia Bettina Onderka, Bonn
| | 1. Soweit an einen Anwalt Vorschusszahlungen in einer abgeschlossenen Angelegenheit erfolgen, für die bereits ein Vergütungsanspruch fällig geworden, jedoch nicht geltend gemacht ist, sind die Leistungen inkongruent. |
| | 2. Erbringt ein Anwalt Vorleistungen, die der inzwischen in der Krise befindliche Mandant mehr als 30 Tage später vergütet, handelt es sich nicht mehr um ein anfechtungsrechtlich privilegiertes Bargeschäft. |
Sachverhalt
Der beklagte Anwalt war seit Oktober 01 für die in finanziellen Schwierigkeiten befindliche GmbH tätig. Als Honorar erhielt er Anfang November zwei Barzahlungen von 5.000 DM und 10.000 DM. Am 9.11.01 stellte der Geschäftsführer der GmbH im Beisein des Beklagten einen Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit. Am 12.11.01 erhielt der Beklagte – wiederum in bar – von der GmbH eine weitere Zahlung von rund 36.000 DM. Über den Gesamtbetrag aller Zahlungen existiert eine auf den 12.11.01 datierte Rechnung des Beklagten. Das Insolvenzverfahren wurde am 1.2.02 eröffnet. Der Insolvenzverwalter nimmt den Beklagten auf Rückzahlung des Honorars in Anspruch. Nach Stattgabe der Klage durch das LG hat das OLG die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und teilweise zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, im Übrigen zur Zurückverweisung.
Entscheidungsgründe und Praxishinweis
Die noch zur BRAGO ergangene Entscheidung kann auf das RVG übertragen werden. Droht bei seinem Mandanten Zahlungsunfähigkeit, muss der Anwalt bezüglich seiner Vergütungsforderungen auf Folgendes achten.
Checkliste: Absicherung der Vergütung bei drohender Zahlungsunfähigkeit des Mandanten |
- Der Anwalt muss vermeiden, dass die Honorarzahlungen im Hinblick auf einen späteren Insolvenzantrag des Mandanten als sog. inkongruente Deckungsgeschäfte i.S. des § 131 InsO angesehen werden und damit der Rückforderung durch den Insolvenzverwalter unterliegen. Dafür gilt Folgendes:
- Leistung des Mandanten nur auf fällige Ansprüche: Zahlungen auf einen noch nicht fälligen Anspruch sind inkongruente Leistungen und damit nach dem Insolvenzrecht anfechtbare Leistungen.
- Nicht beendete Angelegenheit – Vorschuss statt Vergütung fordern: Ist die Angelegenheit noch nicht beendet, kann der Anwalt keine Vergütung, sondern nur einen Vorschuss verlangen, weil es der Vergütung an der Fälligkeit gemäß § 8 Abs. 1 RVG fehlt.
- Schnellstmöglich eine Rechnung erstellen: Zahlungen auf noch nicht berechnete Ansprüche sind inkongruente Leistungen und damit ebenfalls anfechtbar.
- Rechnung dem Mandanten zukommen lassen: Ist die Angelegenheit zwar beendet und der Vergütungsanspruch damit fällig, handelt es sich dennoch um eine inkongruente Leistung, wenn die Berechnung nach § 10 RVG dem Auftraggeber noch nicht mitgeteilt wurde. Der Anwalt muss eine Abrechnung erstellen und erst auf deren Grundlage die Vergütung verlangen.
- Beendete Angelegenheit – keinen Vorschuss mehr fordern: Soweit der Anwalt seine Tätigkeit in einer eigenständigen gebührenrechtlichen Angelegenheit abgeschlossen hat, darf er keinen Vorschuss (§ 9 RVG) mehr dafür fordern. Denn in diesem Stadium kann nach § 10 RVG abgerechnet werden.
Ein dennoch gezahlter Vorschuss unterliegt als inkongruente Leistung der Anfechtung nach § 131 InsO. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Anwalt im Rahmen eines umfassenden Auftrags tätig wird, der insgesamt noch nicht erledigt ist. Denn die Vergütung für die einzelne Angelegenheit ist – unabhängig vom Schicksal des Auftrags – mit Beendigung derselben nach § 8 Abs. 1 RVG fällig. - Hat der Anwalt die oben dargestellten Voraussetzungen erfüllt, liegt ein kongruentes Deckungsgeschäft vor, das eine Insolvenzanfechtung nach § 131 InsO ausschließt.
- In diesen Fällen unterliegen die Zahlungen des Mandanten aber möglicherweise noch der Anfechtung nach § 130 InsO.
Der BGH stellt dar, wann eine solche Anfechtung ausscheidet, weil die Zahlungen als Bargeschäft i.S. des § 142 InsO anfechtungsrechtlich privilegiert sind: - Erforderlich ist ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung. Dabei kommt es auf den Zeitraum zwischen der Annahme des Auftrags bzw. dem Beginn der Tätigkeit einerseits und der Gegenleistung andererseits an.
- Es handelt sich nicht mehr um ein Bargeschäft, wenn zwischen dem Beginn der anwaltlichen Tätigkeit und der Erbringung der Gegenleistung mehr als 30 Tage liegen. Der Anwalt muss also in regelmäßigen Abständen Vorschüsse verlangen.
- Die einzelnen Vorschusszahlungen dürfen – in Einschränkung von § 9 RVG – der Höhe nach eine wertäquivalente Vergütung für die nächsten 30 Tage nicht überschreiten. Diese Einschränkung scheint der BGH sogar für den Bereich der Festgebühren zu vertreten, bei denen die volle Gebühr bereits mit der ersten Tätigkeit entsteht.
- Wie der Anwalt den Wert seiner bisher erbrachten bzw. in den nächsten 30 Tagen zu erbringenden Leistung anhand der gesetzlichen Gebühren prognostizieren soll, dazu schweigt sich die Entscheidung aus. Daher sollten (bei entsprechender Insolvenzgefahr) mit dem Mandanten feste monatliche Teilleistungen gegen wertäquivalente Teilzahlungen vereinbart werden.
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