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  • Kostenfestsetzungsantrag

    Grundlagen für die Erstattung der Anwaltsgebühren bei PKH-Bewilligung

    von Rechtspfleger Thilo Winge, Berlin

    Infolge der schlechter gewordenen finanziellen Situation großer Teile unserer Gesellschaft und der im Gegenzug  gestiegenen Prozeßkosten gibt es immer mehr rechtsuchende Bürger, die ihre Kosten für einen Prozeß gar nicht oder nur zum Teil aufbringen können. Daher gewinnt die Prozeßkostenhilfe (PKH) im kostenrechtlichen Alltag immer mehr an Bedeutung. Inzwischen müssen sich deshalb oftmals auch die Mitarbeiter solcher Anwaltskanzleien mit den Grundzügen der PKH vertraut machen, die früher nie PKH-Mandanten zu betreuen hatten. Deshalb hier noch einmal die wichtigsten Grundsätze:

    Klageerhebung von PKH-Bewilligung „abhängig“ machen!

    Aus kostenrechtlicher Sicht ist es im Interesse des Mandanten unbedingt geboten, die Klageerhebung von der Bewilligung der PKH abhängig zu machen. Bei umgekehrter Reihenfolge würde die 3,0-Verfahrensgebühr nach § 11  GKG, Nr. 1201 KV GKG nämlich bereits mit Anhängigkeit des Rechtsstreits (§ 61 GKG) fällig. Würde anschließend die PKH versagt, so könnte die Verfahrensgebühr nur noch durch eine Klagerücknahme auf eine 1,0-Gebühr (vergleiche Nr. 1202 KV GKG) gemindert werden.

    Der Anwalt kann PKH-, Wahlanwaltsvergütung oder Vorschüsse geltend machen

    Die besondere PKH-Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts erfolgt nach Maßgabe des § 123 BRAGO aus der Staatskasse. Diese ist in den Endbeträgen geringer als die Wahlanwaltsgebühren nach der normalen Tabelle.

    Für bereits entstandene und voraussichtlich noch entstehende Gebühren und Auslagen kann der Rechtsanwalt noch vor der Fälligkeit nach § 16 BRAGO einen Vorschuß aus der Staatskasse verlangen (§ 127 BRAGO).

    Verfügt die PKH-Partei über ein Einkommen, das über den Grenzen nach § 115 ZPO liegt, so ordnet das Gericht die Rückzahlung der Kosten durch die Partei in monatlichen Raten an die Staatskasse an. Für den Fall, daß die von der Partei gezahlten Raten oder sonstigen Vermögensbeiträge die dem Rechtsanwalt aus der Staatskasse erstatteten PKH-Gebühren und Gerichtskosten übersteigen, wird dem Anwalt auch die Differenz zwischen den PKH-Gebühren und den vollen Wahlanwaltsgebühren nach § 11 BRAGO erstattet (Wahlanwaltsvergütung).

    Beispiel

    A. erhebt gegen B. Klage auf Zahlung von 15.000 DM. Dafür wird dem A. ohne Ratenzahlung PKH unter Beiordnung seines Prozeßbevollmächtigten R. bewilligt.

    Lösung

    a) An Gerichtskosten entstehen:
         3,0-Verfahrensgebühr nach § 11 GKG, Nr. 1201 KV GKG                   975,00 DM
     
    b) und c) R. stehen Anwaltskosten wie folgt zu:
     
                                                                        b) PKH-Vergütung     c) Wahlanwaltsvergütung
    Prozeßgebühr                                                       465,00 DM                       805,00 DM
    Verhandlungsgebühr                                             465,00 DM                       805,00 DM
    Auslagenpauschale, § 26 BRAGO                          40,00 DM                         40,00 DM
    16 % Umsatzsteuer, § 25 Abs. 2 BRAGO            155,20 DM                       264,00 DM
    insgesamt                                                          1.125,20 DM                    1.914,00 DM
     
    Die Differenzkosten zwischen PKH- und Wahlanwaltsvergütung
    betragen hier                                                                                                  788,80 DM

    Lösung Fall 1: Die Klage wird abgewiesen

    Die Klage wird abgewiesen, die unterlegene PKH-Partei trägt die Kosten. Es gilt:

    a) Die Gerichtskosten bleiben außer Ansatz.

    b) Der beigeordnete R. erhält seine PKH-Vergütung von 1.125,20 DM aus der Staatskasse.

    c) Eine weitere Vergütung wird nicht ausgezahlt, da A. mangels angeordneter Raten keine Zahlung auf die weiteren Kosten geleistet hat.
     
    Hinweis: Eine Festsetzung gegen den eigenen Mandanten nach § 19 BRAGO kommt hier wegen § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht in Betracht.


    Lösung Fall 2: Der Klage wird stattgegeben

    Der Klage wird stattgegeben, B. wird zur Zahlung von 15.000 DM und zur Kostentragung verurteilt.

    a) Die Gerichtskosten zahlt der Beklagte (§ 54 Nr. 1 GKG).

    b) Der Klägervertreter R. kann sich seine PKH-Vergütung von 1.125,20 DM aus der Landeskasse auszahlen lassen, welche diese dann im Gegenzug vom Beklagten B. wieder einzieht (§ 130 BRAGO).

    c) Die  Differenz zwischen PKH- und Wahlanwaltsvergütung von 788,80 DM hat B. nach § 126 ZPO an den Klägervertreter R. zu zahlen. Auch eine Festsetzung zugunsten der Partei ist nach herrschender Meinung zulässig und in der Praxis üblich (siehe dazu Zöller/Philippi, 20. Auflage, ZPO, §126 Rz 7).

    R. könnte aber auch sofort die gesamte Wahlanwaltsvergütung von 1.914 DM nach § 11 BRAGO – entweder im eigenen Namen nach § 126 ZPO oder im Namen seiner Partei gemäß §§ 103 ff. ZPO – von B. beitreiben (vergleiche allgemein: OLG Düsseldorf Rpfleger 93, 28; Rpfleger 97, 484; Gerold/Schmidt/v. Eicken/ Madert, BRAGO, 13. Auflage, § 121 Rz 26).

    Doch Vorsicht: Werden die eigentlich dem Anwalt zustehenden Kosten nach den §§ 103 ff. ZPO zugunsten der Partei festgesetzt, kann die Gegenpartei aufrechnen. Dies kann unter Umständen  zum Verlust des gesamten Vergütungsanspruchs des Rechtsanwalts führen (siehe nachfolgend).

    Bei der Kostenfestsetzung sollte der Anwalt immer aus eigenem Recht vorgehen

    In Literatur und Rechtsprechung ist anerkannt, daß das Beitreibungsrecht der PKH-Partei und ihres Anwalts selbständig nebeneinander stehen (BGH 6.3.52, BGHZ 5, 251, 253; OLG Nürnberg 20.4.83, AnwBl. 83, 570; OLG Düsseldorf Rpfleger 97, 484;  Zöller/Philippi, ZPO, aaO, § 126 Rz 9). Dabei gilt:

    • Das Beitreibungsrecht des Anwalts genießt Vorrang (§ 126 Abs.1 ZPO), das bedeutet: Wurden bereits die Kosten im Namen der Partei nach §§ 103 ff.  ZPO festgesetzt, so hindert dies nicht den Erlaß eines zweiten Kostenfestsetzungsbeschlusses zugunsten des Rechtsanwalts. Umgekehrt ist dies dagegen nicht möglich (siehe Zöller/Philippi, aaO).
    • Wendet die kostenpflichtige Partei nach dem Erlaß eines Beschlusses gemäß §§ 103 ff. ZPO die Erfüllung des Erstattungsanspruchs durch Zahlung oder Aufrechnung ein, so erlischt die Kostenforderung in entsprechender Höhe (§ 362 Abs. 1, § 389 BGB). Auch der PKH-Anwalt muß diesen Erfüllungseinwand gegen sich gelten lassen. Eine Festsetzung zu seinen Gunsten nach § 126 ZPO ist in diesem Fall dann nicht mehr möglich (OLG München 14.5.97, JurBüro 97, 589; Zöller/Philippi, aaO, ZPO, §126 Rz 17).
    • Wurde bereits die gesamte Wahlanwaltsvergütung festgesetzt, kommt auch eine Auszahlung der PKH-Vergütung aus der Staatskasse nicht mehr in Betracht. Der Rechtsanwalt kann auf diese Weise seinen gesamten Vergütungsanspruch gegen den Gegner und gegenüber der Staatskasse verlieren.
    • Lösung: Ihm bliebe nur, gegen die eigene Partei aus dem Bereicherungsrecht vorzugehen, da auch eine Festsetzung nach § 19 BRAGO an § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO scheitert.

    Tips: Wegen des möglichen vorrangigen Beitreibungsrechts des Anwalts, des Risikos des Erfüllungseinwands oder sogar des Verlustes des Honoraranspruchs sollten Sie unbedingt folgendes beachten:

    • Der beigeordnete Rechtsanwalt im PKH-Verfahren sollte wegen seines Vergütungsanspruchs die Kostenfestsetzung grundsätzlich und von vornherein nach § 126 ZPO aus eigenem Recht betreiben.
    • Wurde die Festsetzung nach § 126 ZPO beantragt, kann der beigeordnete Rechtsanwalt auch dann die auf seine Kosten entfallende Umsatzsteuer vom Gegner erstattet verlangen, wenn seine Partei vorsteuerabzugsberechtigt ist (OLG Koblenz 30.5.97, JurBüro 97, 588).

    Quelle: RVG professionell - Ausgabe 07/1999, Seite 90

    Quelle: Ausgabe 07 / 1999 | Seite 90 | ID 106194