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  • 30.04.2008 | Mehrere Auftraggeber

    Richtig abrechnen bei mehreren Auftraggebern und deren Gesamtschuldnerhaftung

    von Bürovorsteher Detlev Schönemann, Würzburg

    Bei Vertretung mehrerer Mandanten ist im Rahmen der Gesamtschuldnerhaftung § 7 Abs. 2 RVG zu beachten. Danach schuldet jeder Auftraggeber die Gebühren und Auslagen, die er schulden würde, wenn der Anwalt nur in seinem Auftrag tätig geworden wäre. Dies wird selten beachtet. Vielmehr werden beiden Mandanten die Gesamtkosten in Rechnung gestellt. Die folgenden Beispiele zeigen, wie Sie richtig abrechnen.  

     

    Beispiel 1: Mehrere Auftraggeber (eine Angelegenheit, ein Gegenstand)

    Rechtsanwalt R ist beauftragt, für die Mandanten A und B eine diesen gemeinschaftlich zustehende Forderung in Höhe von 2.000 EUR geltend zu machen. Angefallen sind die Verfahrens- und Terminsgebühr.  

     

    Übliche, aber unzutreffende Abrechnung: 

    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG  

    172,90 EUR  

    0,3 Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG  

    39,90 EUR  

    1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG  

    159,60 EUR  

    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG  

    20,00 EUR  

     

    392,40 EUR  

    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 19 %  

    74,56 EUR  

     

    466,96 EUR  

     

     

    Korrekterweise sind jedoch zunächst die Gebühren zu berechnen, die der Anwalt gegenüber dem einzelnen Auftraggeber geltend machen kann, und zwar  

     

    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG  

    172,90 EUR  

    1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG  

    159,60 EUR  

    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG  

    20,00 EUR  

     

    352,50 EUR  

    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 19 %  

    66,98 EUR  

     

    419,48 EUR  

     

    R kann von jedem Auftraggeber 419,48 EUR verlangen, jedoch gemäß § 7 Abs. 2 RVG nicht mehr als insgesamt 466,96 EUR.  

     

    Vielfach wird die Auffassung vertreten, die gesamtschuldnerische Haftung bestehe in der 1,3 Verfahrens- und 1,2 Terminsgebühr nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer, also in Höhe von 419,48 EUR. Damit ist aber das Schicksal der 0,3 Erhöhungsgebühr nicht geklärt. Denn bei Zahlung eines Mandanten in Höhe des Betrags von 419,48 EUR wird der andere Auftraggeber gemäß § 422 Abs. 1 BGB entlastet. Folge: Der Anwalt kann von keinem Auftraggeber die Erhöhungsgebühr verlangen. Dies kann jedoch nicht zutreffend sein. Vielmehr ist folgende Berechnungsmethode anzuwenden:  

     

    Abwandlung: Aufteilung der Erhöhungsgebühr

    Die Einzelhaftungen sind zu addieren und nach Abzug der Gesamtvergütung ergibt sich der verbleibende Betrag, für den beide Auftraggeber allein haften:  

       

    Einzelanspruch gegen Mandant A  

    419,48 EUR  

    Einzelanspruch gegen Mandant B  

    419,48 EUR  

     

    838,96 EUR  

    abzüglich Gesamtvergütungsanspruch  

    ./. 466,96 EUR  

     

    372,00 EUR  

       

     

    Es haften A und B jeweils allein  

    419,48 EUR  

    abzüglich Gesamtschuld  

    ./. 372,00 EUR  

     

    47,48 EUR  

     

     

    Insgesamt kann der Anwalt jetzt beanspruchen  

       

    gesamtschuldnerisch von A und B  

    372,00 EUR  

    von Mandant A allein  

    47,48 EUR  

    von Mandant B allein  

    47,48 EUR  

     

    466,96 EUR  

     

     

    Die gleiche Methodik ist auch anzuwenden, wenn mehrere Auftraggeber den Anwalt in derselben Sache, jedoch mit verschiedenen Gegenständen beauftragt haben. In diesem Fall sind die Gebühren aus dem zusammengerechneten Wert gemäß § 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG zu berechnen. Dies hat zugleich zur Folge, dass keine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG in Ansatz gebracht werden kann.  

     

    Beispiel 2: Mehrere Auftraggeber (eine Angelegenheit, verschiedene Gegenstände)

    Unfallsache: R vertritt den Fahrzeughalter H wegen dessen Schadenersatzansprüchen von 5.000 EUR und den Fahrzeugführer F wegen dessen Schmerzensgeldansprüchen von 2.000 EUR. Die Vergütung des R errechnet sich aus den addierten Werten von 7.000 EUR wie folgt:  

     

    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG  

    487,50 EUR  

    1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG  

    450,00 EUR  

    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG  

    20,00 EUR  

     

    957,50 EUR  

    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 19 %  

    181,93 EUR  

     

    1.139,43 EUR  

     

    Der Aufteilungsmaßstab folgt aus § 7 Abs. 2 S. 1 RVG. Danach entfällt auf H aus einem Streitwert von 5.000 EUR folgender Betrag:  

     

    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG  

    391,30 EUR  

    1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG  

    361,20 EUR  

    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG  

    20,00 EUR  

     

    772,50 EUR  

    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 19 %  

    146,78 EUR  

     

    919,28 EUR  

     

    Auf F entfällt aus einem Streitwert von 2.000 EUR der Betrag von 419,48 EUR, s.o.  

     

    Die gesamtschuldnerische Haftung ergibt sich somit aus der  

       

    Einzelhaftung Fahrzeughalter H  

    919,28 EUR  

    Einzelhaftung Fahrzeugführer F  

    419,48 EUR  

     

    1.338,76 EUR  

    abzüglich Gesamtvergütung  

    ./. 1.139,43 EUR  

    Gesamtschuld  

    199,33 EUR  

     

    Hieraus errechnet sich nunmehr die jeweilige alleinige Haftung des  

     

    Fahrzeughalters H  

    919,28 EUR  

    abzüglich Haftung nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG  

    ./. 199,33 EUR  

     

    719,95 EUR  

     

     

    Fahrzeugführer F  

    419,48 EUR  

    abzüglich Haftung nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG  

    ./. 199,33 EUR  

     

    220,15 EUR  

     

    Insgesamt kann der Anwalt somit beanspruchen  

     

    vom Fahrzeughalter H allein  

    719,95 EUR  

    vom Fahrzeugführer F allein  

    220,15 EUR  

    von H und F als Gesamtschuldner  

    199,93 EUR  

     

    1.139,43 EUR  

     

     

     

    Praxishinweis: Zu der obigen Berechnungsmethode wird verwiesen auf AnwK-RVG N. Schneider, 3. Aufl., § 11 Rn. 188 ff. Die Berechnungsarten sind jedoch umstritten. Die vom OLG Koblenz in JurBüro 88, 1662 favorisierte Berechnungsmethode kann somit nicht zutreffend sein. Das Gericht ist der Ansicht, dass sich die Gesamtschuld nach dem Betrag richtet, den der Anwalt gleichmäßig von jedem einzelnen Auftraggeber fordern kann. Auch der Darstellung von Gerold/Schmitt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., zu Nr. 1008 VV Rn. 266 kann nicht gefolgt werden, da dort gänzlich die Erhöhungsgebühr außer Acht gelassen wird.  

     

     

    Quelle: Ausgabe 05 / 2008 | Seite 86 | ID 119006