01.07.2007 | Rechtsmittelverfahren
Gebührenanrechnung bei Berufungsverfahren gegen Grund- und Schlussurteil?
In der Praxis bereitet die Abrechnung von Grund- und Schlussurteil nach § 304 ZPO Schwierigkeiten, wenn sowohl gegen das Grund- als auch gegen das Schlussurteil Berufung eingelegt wird. Dazu im Einzelnen.
Beispiel | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Der Beklagte hat gegen das der Klage stattgebende Grundurteil des LG Berufung eingelegt. Nachdem das OLG diese nach sachlicher Prüfung zurückgewiesen hat, ist der Beklagte vom LG zur Zahlung verurteilt worden. Dagegen hat dieser erneut erfolglos Berufung eingelegt (Streitwert 10.000 EUR). Sind bei der Abrechnung Anrechnungsvorschriften zu beachten?
Lösung: Wird auf die Berufung gegen ein Grundurteil dieses aufgehoben und die Sache vom Rechtsmittelgericht an das Gericht der ersten Instanz zurückverwiesen, bildet das Verfahren vor dem Gericht der ersten Instanz nach § 21 Abs. 1 RVG einen neuen Rechtszug. Folge: Der Anwalt erhält neben den im Verfahren vor der Zurückverweisung entstandenen Gebühren die nach der Zurückverweisung entstandenen Gebühren erneut. Dies gilt auch für die Auslagenpauschale. Diesen Grundsatz schränkt Vorbem. 3 Abs. 6 VV RVG insoweit ein, als die vor der Zurückverweisung entstandene Verfahrensgebühr auf die danach entstandene Verfahrensgebühr anzurechnen ist. Das gilt aber nur, wenn die Sache an das bereits mit der Sache befasste Gericht zurückverwiesen wird. Gemeint ist hiermit das Gericht als „Justizbehörde“ und nicht der konkrete Spruchkörper in seiner personellen Besetzung (Onderka, RVG prof. 04, 209).
Eine zum neuen gebührenrechtlichen Rechtszug führende Zurückverweisung liegt vor, wenn das Rechtsmittelgericht durch eine den Rechtszug beendende Sachentscheidung dem untergeordneten Gericht desselben Instanzenzugs die abschließende Entscheidung überträgt (Onderka, a.a.O.). Ob eine Zurückverweisung mit der gebührenrechtlichen Folge des § 21 Abs. 1 RVG auch vorliegt, wenn wie hier das erstinstanzliche Grundurteil vom Berufungsgericht bestätigt wird und das LG über die Höhe des Anspruchs ohne förmliche Zurückverweisung entscheiden muss, ist umstritten (dafür: OLG Düsseldorf JurBüro 93, 728; dagegen: BGH JurBüro 04, 479; Onderka, a.a.O.).
Aus § 15 Abs. 2 S. 2 RVG ergibt sich, dass der Anwalt die Gebühren in jedem Rechtszug fordern kann. Da hier eine anwaltliche Tätigkeit in zwei unterschiedlichen, sich gegen verschiedene Urteile richtenden Berufungsverfahren erfolgt ist, entstehen auch die Berufungsgebühren jeweils gesondert, Teil 3 Abschnitt 2 VV RVG). Diese Gebühren werden nicht angerechnet (vgl. Onderka, RVG prof. 05, 153).
Richten sich die Berufungen somit gegen verschiedene Urteile, liegen mehrere Rechtszüge i.S. von § 15 Abs. 5 S. 2 RVG vor (OLG Düsseldorf JurBüro 88, 865).
1. Verfahren vor dem LG (Grundverfahren):
2. Erstes Berufungsverfahren vor dem OLG (Berufung gegen Grundurteil):
3. Verfahren vor dem LG (Höheverfahren):
4. Zweites Berufungsverfahren vor dem OLG (Berufung gegen Schlussurteil): Lösung wie unter 2. (erstes Berufungsverfahren). |