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  • Richtige Anwendung der BRAGO

    Welcher Streitwert ist bei Klage und Widerklage anzusetzen?

    von Bürovorsteher Detlev Schönemann, Würzburg

    In der Praxis kommt es häufig vor, dass die Parteien eines Rechtsstreits aus demselben  oder einem anderen Rechtsverhältnis gegenseitige Ansprüche haben und diese mittels Klage und Widerklage geltend machen. Dafür sieht die BRAGO keine Streitwertregelung vor, so dass über § 8 BRAGO die Vorschriften nach § 12 Abs. 1, § 19 GKG zur Anwendung kommen. Der folgende Beitrag erläutert die richtige Streitwertberechnung, nach der sich auch die Anwaltsgebühren richten.

    § 19 GKG regelt die Streitwertberechnung

    Der Streitwert für die Widerklage wird nach § 19 GKG berechnet. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 GKG werden die Ansprüche einer Klage und Widerklage zusammengerechnet, soweit sie in einem Prozess verhandelt werden. Soweit Klage und Widerklage aber denselben Streitgegenstand betreffen, ist nur ein Wert maßgebend, und zwar der höhere.

    Derselbe Streitgegenstand liegt dann vor, wenn der Streit um die Widerklage wirtschaftlich im Streit um die Klage enthalten ist.

    Beispiel: derselbe Gegenstand
    • Klage auf Herausgabe eines Kfz und Widerklage auf Aushändigung des Kfz-Briefes: Es handelt sich um verschiedene prozessuale Ansprüche, die wirtschaftlich identisch sind (LAG Stuttgart 3.2.92, JurBüro 92, 626). Hier erfolgt also keine Wertaddition.
    • ebenso: Klage auf Leistung aus einem Vertrag und Widerklage auf Feststellung der Nichtigkeit dieses Vertrags (BGH 20.1.89, NJW 89, 2064).

    Anmerkung: Weitere Beispiele finden Sie bei Markl/Meyer, GKG, 3. Auflage, § 19 Rn 13.

    Nur bei verschiedenen Gegenständen werden die Streitwerte addiert

    Verschiedene Streitgegenstände sind gegeben, wenn sich die mit der Klage und Widerklage geltend gemachten Ansprüche nicht wechselseitig ausschließen. Dies ist der Fall, wenn die Zuerkennung des einen Anspruchs nicht notwendigerweise die Aberkennung des anderen Anspruchs zur Folge hat (OLG Hamm 12.9.89, Rpfleger 90, 40). Bleibt der widerklagend geltend gemachte Anspruch bestehen, obwohl der Klage stattgegeben wird, ist nicht derselbe Streitgegenstand betroffen. Folge: Die Streitwerte werden zusammengerechnet (§ 8 BRAGO, § 12 Abs. 1, § 19 Abs. 1 GKG).

    Beispiel: verschiedene Gegenstände

    • Die aus einem Unfall erwachsenen wechselseitigen Schadenersatzansprüche werden mit Klage und Widerklage geltend gemacht. Die widerklagend geltend gemachten Ansprüche betreffen nicht denselben Gegenstand (OLG Köln 11.9.89, JurBüro 90, 241; LG Berlin 10.6.88, JurBüro 88, 1386).
    • Wechselseitige Klagen auf Zahlung von Zugewinnausgleich wegen der unterschiedlichen ökonomischen Interessen der Parteien (OLG München, Beschluss, 16.1.96, FamRZ 97, 41; OLG Köln – 21. Senat –, Beschluss, 18.11.93, FamRZ 97, 41; a.A. OLG Koblenz 22.3.85, JurBüro 85, 917; OLG Köln – 14. Senat –, 1.12.88, FamRZ 89, 296);

    Anmerkung: Weitere Beispiele finden Sie bei Markl/Meyer, GKG, 3. Auflage, § 19 Rn 14.

    • Umstritten ist der Fall einer (Abänderungs-)Klage auf mehr und einer Widerklage auf weniger/keinen Unterhalt (unterschiedlicher Streitgegenstand: OLG Bamberg, Beschluss, 18.8.94, EzFamR aktuell 94, 407; derselbe Streitgegenstand: OLG Koblenz, KostRspr GKG § 19 Nr. 98; OLG Köln 9.9.93, MDR 94, 316).

    Gebührenstreitwert ist von Zuständigkeitsstreitwert abzugrenzen

    § 5 ZPO regelt die sachliche Zuständigkeit des Gerichts, also ob das AG oder das LG zuständig ist. Dafür sind die Gegenstandswerte für Klage und Widerklage nie zusammenzurechnen. Hier ist nur der höhere Wert maßgebend. So kann z.B. bei Klage und Widerklage wegen Schadenersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung durchaus das AG zuständig sein, auch wenn durch die Widerklage ein über 10.000 DM liegender Gebührenstreitwert erreicht wird.

    Bei getrennten Prozessen erfolgt eine gesonderte Gebührenberechnung

    Werden Klage und Widerklage (gegebenenfalls auch nachträglich) in getrennten Prozessen verhandelt, so hat vom Zeitpunkt der Trennung an eine gesonderte Gebührenberechnung nach dem jeweiligen Wert von Klage und Widerklage zu erfolgen.

    Für Wertaddition bei Hilfswiderklage ist Bedingungseintritt erforderlich

    Bei der Hilfswiderklage – auch Eventualwiderklage – beantragt der Beklagte primär die Klageabweisung und macht nur hilfsweise widerklagend einen Anspruch gegen den Kläger geltend, falls der Klage stattgegeben wird. Hier ist die Wertaddition nur dann möglich, wenn der Eventualfall bzw. die Bedingung eingetreten ist und eine der Rechtskraft fähige Entscheidung (§ 322 Abs. 1 ZPO) hierüber ergangen ist (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GKG; BGH 12.7.82, NJW 73, 98; OLG Stuttgart 10.6.80, Rpfleger 80, 487). Erst dann entsteht für Gericht und Anwalt Mehrarbeit, weil sie sich mit Klage- und Gegenforderung befassen müssen. Die Streitwerterhöhung setzt also im Einzelnen voraus:

    • Die Aufrechnung muss hilfsweise erfolgen, das heißt: Die Klageforderung muss zunächst bestritten worden sein.
    • Auch die zur Aufrechnung gestellte Forderung muss streitig sein.
    • Über die hilfsweise Aufrechnung muss deshalb eine gerichtliche Entscheidung getroffen worden sein.

    Hinweis: Werden mehrere Hilfswiderklageanträge gestellt, sind die einzelnen Streitwerte nur dann zu addieren, wenn über jeden Einzel-Antrag entschieden wurde.

    Tipp: Für Widerklagen kann Vorschuss genommen werden

    Nach § 65 Abs. 1 Satz 4 GKG sind für eine Widerklage keine Vorauszahlungen und Vorschüsse vorgesehen. Eine entsprechende Gesetzesänderung ist noch nicht umgesetzt worden (vergleiche dazu BRAGO prof. 12/98, 1). Doch durch eine Widerklage entsteht zusätzlicher Arbeitsaufwand, der durch eine Vorauszahlung aufgefangen werden kann. Das bedeutet für Sie: Macht Ihr Mandant mit einer Widerklage Ansprüche geltend, die nicht dieselben Ansprüche wie in der Klage betreffen, handelt es sich um einen eigenständigen Anspruch, der Kosten auslöst, die erst nach Verfahrensbeendigung erhoben werden. Mit guten Argumenten können Sie hierfür also einen Vorschuss von Ihrem Mandanten verlangen (zum Vorschuss siehe ausführlich: BRAGO prof. 2/2000, 1; BRAGO prof. 12/99, 154 – mit Mandantenmerkblatt –; BRAGO prof. 12/98, 6).

    Quelle: RVG professionell - Ausgabe 04/2000, Seite 48

    Quelle: Ausgabe 04 / 2000 | Seite 48 | ID 106255