01.08.2006 | Selbstständiges Beweisverfahren
So rechnen Sie richtig ab
Der Beitrag erläutert, wie Sie die Gebühren des selbstständigen Beweisverfahrens richtig abrechnen.
Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens sind Gerichtskosten
Der BGH hat entschieden, dass die im selbstständigen Beweisverfahren gezahlten Gerichtskosten, insbesondere die Sachverständigenkosten, im Hauptsacheprozess als Gerichtskosten anzusehen sind (NJW 03, 1322; OLG München AGS 05, 81). Diese sind nach § 91 ZPO erstattungsfähig. Voraussetzung dafür sind
- persönliche Identität: Die Beteiligten des selbstständigen Beweisverfahrens müssen auch die Parteien des Hauptsacheverfahrens sein.
- Identität des Streitgegenstands: Das selbstständige Beweisverfahren muss zudem in unmittelbarem Bezug zur Hauptsache stehen (Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 91 Nr. 13 „Selbstständiges Beweisverfahren“).
Es kommt aber nicht darauf an, dass das Gutachten aus dem selbstständigen Beweisverfahren auch tatsächlich verwertet wird (BGH AGS 04, 354). Maßgeblich ist lediglich, ob diese Gerichtskosten entsprechend dem Kostenrecht entstanden sind (BGH, a.a.O.).
Praxishinweis: Auch die Kostenregelung im Prozessvergleich erfasst die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens, sofern die Parteien nicht ausdrücklich eine abweichende Regelung getroffen haben.
Selbstständiges Beweisverfahren ist eigene Gebührenangelegenheit
Das selbstständige Beweisverfahren stellt eine eigene Gebührenangelegenheit im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren dar, denn es ist nicht in §19 RVG aufgeführt. Außerdem ergibt sich aus Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG, dass das selbstständige Beweisverfahren eine eigene Angelegenheit ist, denn andernfalls wäre die Anrechnungsbestimmung überflüssig. Der Anwalt erhält die Gebühren nach Nr. 3100 VV gesondert, allerdings wird die Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Rechtsstreits angerechnet, Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG.
Beispiel | ||||||||||||||||||||||||||||||
Rechtsanwalt R soll für seinen Mandanten M eine Werklohnforderung über 20.000 EUR abwehren, weil das Gewerk erhebliche Mängel aufweist. Er soll versuchen, im schriftlichen Wege eine gütliche Einigung mit dem Unternehmer zu erreichen. Welche Gebühren kann R abrechnen, wenn keine Einigung erzielt wird, sondern sich ein selbstständiges Beweisverfahren mit Ortstermin anschließt?
Lösung: R kann bei einem Gegenstandswert von 20.000 EUR folgende Gebühren abrechnen (aus Vereinfachungsgründen wird eine 1,3 Geschäftsgebühr angesetzt):
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Entscheidung durch Beschluss
In der Regel entscheidet das Gericht durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung, § 490 Abs. 1 ZPO. Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG fällt also nicht an. Das Gericht kann aber die Parteien gemäß § 492 Abs. 3 ZPO laden. Für diesen Fall erwächst dem Anwalt die 1,2 Terminsgebühr.
Für Wahrnehmung eines Ortstermins fällt eine Terminsgebühr an
Wird ein Ortsbesichtigungstermin anberaumt und nimmt der Anwalt diesen wahr, hat er Anspruch auf die Terminsgebühr, Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG. Eine Beweisgebühr hingegen sieht das RVG nicht mehr vor.
Praxishinweis: Nimmt der Anwalt nach Vorliegen des schriftlichen Gutachtens mit der Gegenpartei Verhandlungen auf, um einen Rechtsstreit zu vermeiden, fällt eine Terminsgebühr an, Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG.
Bei einer Einigung fällt die Einigungsgebühr an
Bei einer Einigung der Parteien hat der Anwalt zusätzlich Anspruch auf die 1,5 Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000 VV RVG. Auch wenn der Gegenstand der Einigung gerichtlich anhängig ist, erwächst die Gebühr nicht nur in Höhe von 1,0. Denn die ermäßigte Einigungsgebühr auf 1,0 nach Nr. 1003 VV RVG setzt voraus, dass die Einigung in einem anderen gerichtlich anhängigen Verfahren als einem Beweisverfahren erzielt worden ist.
Anrechnung beim Übergang ins Hauptsacheverfahren
Für den Hauptsacheprozess erhält der Anwalt die 1,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG. Nach Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG ist jedoch die im selbstständigen Beweisverfahren angefallene Verfahrensgebühr auf die des Hauptsacheprozesses voll anzurechnen. Dagegen erfolgt keine Anrechnung der Terminsgebühr mangels Anrechnungsvorschrift.
Abwandlung 1 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Im Beispiel 1 wird nach dem selbstständigen Beweisverfahren, in dem ein Ortstermin stattfand, Klage erhoben. Es findet eine mündliche Verhandlung statt. Welche Gebühren kann R abrechnen?
Lösung: R kann folgende Gebühren beim Streitwert von 20.000 EUR abrechnen:
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Praxishinweis: Die Auslagenpauschale der Nr. 7002 VV RVG fällt sowohl für die außergerichtliche Tätigkeit, die Tätigkeit im selbstständigen Beweisverfahren sowie im Hauptsacheprozess an und wird nicht angerechnet.
Hat der Gegenstand des Hauptsacheprozesses einen höheren Wert als der des selbstständigen Beweisverfahrens, verbleibt ein nicht anrechenbarer Teil bestehen, denn die Anrechnung von Gebühren findet nur in dem Umfang statt, wie die anzurechnende Gebühr tatsächlich entstanden ist. Anders ist hingegen der Sachverhalt zu beurteilen, wenn im Hauptsacheprozess nur ein Teil der Ansprüche geltend gemacht wird, die Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens waren.
Abwandlung 2 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Im Beispiel ist Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens die Werklohnforderung über 20.000 EUR. Eingeklagt werden aber nur 10.0000 EUR. Welche Gebühren kann R abrechnen?
Lösung: R kann folgende Gebühren abrechnen:
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