01.09.2006 | Sozialrecht
In welchen Fällen werden Gebühren nach dem Gegenstandswert abgerechnet?
In einigen sozialrechtlichen Verfahren werden die Gebühren gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 RVG, § 197a SGG nach dem Gegenstandswert berechnet. Der folgende Beitrag gibt Ihnen einen Überblick über diese Verfahren (zur Abrechnung sozialrechtlicher Mandate vgl. Schäfer, RVG prof. 06, 71, 88, 106, 125 und 142, neue Abonnenten können die Beiträge kostenlos anfordern: 02596 922-99, kein Fax-Abruf!).
Es gelten die Wertvorschriften des § 23 Abs. 1 S. 1 RVG
Richten sich die Gebühren des Anwalts nach dem Gegenstandswert, gelten die für Gerichtsgebühren einschlägigen Wertvorschriften des § 23 Abs. 1 S. 1 RVG. Das GKG ist anwendbar.
Anwendbarkeit des GKG auf sozialgerichtliche Verfahren nach § 197a SGG |
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Erfasst werden auch außergerichtliche Tätigkeiten, § 23 Abs. 1 S. 2 RVG. Der Anwalt kann aus eigenem Recht Wertfestsetzung beantragen sowie Rechtsmittel gegen die erfolgte Festsetzung einlegen, § 32 Abs. 2 RVG. Entscheidend für die Abrechnung sind die Gebührenansätze nach § 13 RVG.
Maßgeblich ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers
Regelmäßig ist der Wert der Bedeutung der Sache nach den wirtschaftlichen Auswirkungen bei Obsiegen, das heißt der vom Kläger geltend gemachte Vermögenswert, zu ermitteln. Das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen ist damit maßgeblich für die Wertberechnung.
Zum Teil kann auch in sozialgerichtlichen Verfahren eine konkrete Bezifferung erfolgen, z.B. bei Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen für die Vergangenheit in einer genauen Höhe, die vom klagenden Arbeitgeber angegriffen werden. Diese bestrittene Nachforderung ergibt zugleich nach den bekannten allgemeinem Regeln auch die maßgebliche Summe für die anwaltliche Vergütungsabrechnung bei Wertgebühren. Dies wird im Gerichtskostenrecht etwa belegt durch § 52 Abs. 3 GKG. Danach ist der Antrag des Klägers auf eine bezifferte Geldleistung oder einen darauf gerichteten Verwaltungsakt für die Höhe der Gerichtsgebühr, entsprechend nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V. mit § 52 GKG auch für die Höhe der rechtsanwaltlichen Vergütung, maßgeblich.
Lassen sich bei finanziell bzw. wirtschaftlich nicht genau bezifferbaren Streitgegenständen keine genauen Feststellungen zur Streitwertbestimmung treffen, greift der Auffangstreitwert von 5.000 EUR, § 52 Abs. 2 GKG. Ergänzend gilt, dass als Begrenzung in sämtlichen sozialgerichtlichen Verfahren sowie solcher nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz der Streitwert nicht über 2,5 Mio EUR bemessen werden darf, § 52 Abs. 4 GKG .
§ 197a SGG verweist auf die VwGO
Soweit keine genau bezifferte Geldleistung oder darauf gerichtete Ansprüche im Wege der sozialgerichtlichen Klage geltend gemacht bzw. abgewehrt werden sollen, ist angesichts der Verweisung im § 197a SGG auf die Vorschriften VwGO zum einen eine Orientierung am Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichte eröffnet, zuletzt Stand Juli 04 (dazu Hauskötter, RVG prof. 05, 88, 142 und 160; neu: seit dem 16.5.06 gilt primär der von den LSG-Präsident/innen beschlossene Streitwertkatalog 2006 für die Sozialgerichtsbarkeit [NZS 06, 350]; vgl auch zu den Streitwerten Wenner/Bernard, NZS 06, 1). Andererseits sind spezifisch sozialrechtliche Streitwertkriterien aus der einschlägigen Rechtsprechung zur Ermittlung der für die Anwaltsvergütung maßgeblichen Wertgebühren nach § 3 Abs. 1 S. 2 RVG zu nennen:
Sozialgerichtliche Streitwertkriterien |
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Gebührensätze bei sozialrechtlichen Verfahren i.S. von § 197a SGG
In Verfahren des § 197a SGG sind folgende Gebührensätze anzuwenden:
Gebührensätze der sozialrechtlichen Verfahren i.S. von § 197a SGG |
Praxishinweis: Die Höhe der Einigungsgebühr hängt vom Einigungsgegenstand ab. Entscheidend bleibt das Rechtsverhältnis, über das sich die Parteien einigen. Es wird nicht nach dem Inhalt der Einigung, z.B. im Vergleichswege begrenzte (Rest-)Forderung von Sozialversicherungsbeiträgen, abgerechnet (Baumgärtel, RVG-Kommentar, Teil 1 VV-RVG Nr. 1000 Rn. 34).
Praxishinweis: Nach Abs. 1 dieser Anm. ist der Umfang der Tätigkeit infolge Tätigwerdens im Verwaltungsverfahren nicht als geringer anzusehen. War der Anwalt allerdings schon im Verwaltungsverfahren tätig, entsteht die Geschäftsgebühr für die Vertretung im Widerspruchsverfahren nur aus dem reduzierten Rahmen von 0,5 bis 1,3, Nr. 2301 VV RVG, Mittelgebühr: 0,9; Schwellenwert 0,7, Anm. Abs. 2 zu Nr. 2301 VV RVG.
Praxishinweis: Soweit wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr nach Nrn. 2300 bis 2303 VV RVG, insbesondere im Verwaltungsverfahren, entstanden ist, wird die Geschäftsgebühr zur Hälfte, höchstens jedoch mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG im erstinstanzlichen Verfahren angerechnet, Vorbem. 3 Abs. 4.
Praxishinweis: Diese Verfahrensgebühren bei Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Berufung bzw. Revision nach §§ 145, 160a SGG werden auf die Verfahrensgebühr für das nachfolgende („durchgestartete“) Rechtsmittelverfahren, also die Berufung oder Revision, angerechnet. Für Verfahren über Beschwerden bzw. Erinnerungen bzw. bei Beschwerden gegen Nichtzulassungsentscheidungen gelten ergänzend Nrn. 3500 bis 3506 VV RVG. Zweifelhaft ist, ob hier überhaupt Termine stattfinden (dazu bereits kritisch Schäfer, RVG prof. 06, 142).
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