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  • Strafrecht
    Berufung im Strafverfahren: So rechnen Sie nach dem RVG ab
    von RiOLG Detlef Burhoff, Münster/Hamm
    Der Beitrag erläutert anhand von Beispielen, wie Sie Ihre Gebühren in strafverfahrensrechtlichen Berufungsverfahren nach dem RVG abrechnen. Dazu im Einzelnen:
    RVG sieht auch hier grundsätzlich nur noch zwei Gebühren vor
    Die Abrechnung der anwaltlichen Tätigkeit im strafverfahrensrechtlichen Berufungsverfahren ist in Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 VV RVG in den Nrn. 4124 ff. VV RVG geregelt. Das RVG kennt auch hier grundsätzlich nur noch die Verfahrens- und die Terminsgebühr.
    Praxishinweis: Daneben entsteht, wenn der Anwalt erstmalig im Berufungsverfahren mandatiert wird, noch die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG (vgl. das Beispiel in RVG prof. 04, 48, 49).
    Für den Abgeltungsbereich der Gebühren gelten die allgemeinen Regeln (dazu Burhoff, RVG prof. 04, 48). Die Verfahrensgebühr erhält der Anwalt nach Vorbemerkung 4 Abs. 2 VV RVG also für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information im Berufungsverfahren. Die Terminsgebühr Nr. 4126 VV RVG entsteht für die Teilnahme am Berufungshauptverhandlungstermin.
    Darüber hinaus können dem Anwalt neben Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühr noch nach Teil 4 Unterabschnitt 5 VV RVG zusätzliche Gebühren zustehen, so z.B. die Befriedungsgebühr der Nr. 4141 VV RVG oder die Wertgebühr für Tätigkeiten im Hinblick auf Einziehung in Nr. 4142 VV RVG bzw. im Adhäsionsverfahren nach Nr. 4143 f. VV RVG. Schließlich entsteht, wenn der Anwalt im Verfahrensabschnitt "Berufungsverfahren" an einem Termin i.S. der Nr. 4102 VV RVG teilnimmt, auch gegebenenfalls noch eine Terminsgebühr nach Nr. 4102 VV RVG. Befindet sich der Mandant nicht auf freiem Fuß, entstehen die Gebühren mit Zuschlag (Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG).
    Bei den folgenden Beispielen wird für den Wahlanwalt aus Vereinfachungsgründen stets die sog. Mittelgebühr angesetzt.
    1. Vertretung des Angeklagten von Anfang an; Verteidigung auch im Berufungsverfahren
    Dem Angeklagten A wird ein Diebstahl zur Last gelegt. Er wird bereits im Ermittlungsverfahren von Rechtsanwalt R vertreten. Dieser nimmt beim AG an einer eintägigen Hauptverhandlung teil. A wird verurteilt. A lässt sich dann zunächst von R über die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels gegen das Urteil beraten. Er entscheidet sich, Berufung einlegen zu lassen. R nimmt auch am Berufungshauptverhandlungstermin teil. Das ergehende Urteil lässt A rechtskräftig werden. Welche Gebühren kann R abrechnen?
    Lösung: R kann folgende Gebühren abrechnen:
    R erhält Gebühren für die Verteidigung des A im Ermittlungs- und im Gerichtsverfahren I. Instanz. Die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG entsteht schon im Ermittlungsverfahren. Sie entsteht in der Berufungsinstanz, obwohl es sich um einen neuen Rechtszug handelt, nicht noch einmal. Für die Beratung des A über die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels erhält R nicht zusätzlich die Gebühr Nr. 2202 VV RVG. Die Tätigkeiten sind durch die Verfahrensgebühr für die I. Instanz mit abgegolten.
      Wahlanwalt Pflichtverteidiger
    Vorbereitendes Verfahren    
    Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG 165,00 EUR 132,00 EUR
    Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG 140,00 EUR 112,00 EUR
    Gerichtliches Verfahren I. Instanz    
    Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG 140,00 EUR 112,00 EUR
    Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG 230,00 EUR 184,00 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR 20,00 EUR
    Gerichtliches Verfahren II. Instanz    
    Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG 270,00 EUR 216,00 EUR
    Terminsgebühr Nr. 4126 VV RVG 270,00 EUR 216,00 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR 20,00 EUR
      1.255,00 EUR 1.012,00 EUR
    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent 200,80 EUR 161,92 EUR
      1.455,80 EUR 1.173,92 EUR
    2. Abgeklagter befindet sich in Haft; lange Dauer der Berufungshauptverhandlung
    Im Beispiel 1 hat A sich selbst verteidigt. Das AG hat ihn zu einer längeren Freiheitsstrafe verurteilt und nimmt ihn nach der Hauptverhandlung in U-Haft. A beauftragt nun den R mit seiner Verteidigung im Berufungsverfahren. R legt Berufung ein und beantragt beim LG einen Haftprüfungstermin. Er nimmt an der Haftprüfung teil und nimmt zur Haftfrage Stellung. A bleibt in Haft. Er wird erst nach dem sieben Stunden dauernden Berufungshauptverhandlungstermin entlassen. Das ergehende Urteil wird rechtskräftig. Welche Gebühren kann R abrechnen?
    Lösung: R kann folgende Gebühren abrechnen:
    R erhält die Grundgebühr nach Nr. 4101 VV RVG, da A bei Übernahme des Mandats inhaftiert ist. Die Verfahrens- und Terminsgebühr für die Tätigkeiten im Berufungsverfahren (Nrn. 4124, 4126 VV RVG) entstehen daher auch mit Zuschlag. R hat zudem für die Teilnahme am Haftprüfungstermin eine Terminsgebühr Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG mit Zuschlag nach Nr. 4103 VV RVG verdien
      Wahlanwalt Pflichtverteidiger
    Gerichtliches Verfahren II. Instanz    
    Grundgebühr Nr. 4100, 4101 VV RVG 202,50 EUR 162,00 EUR
    Verfahrensgebühr Nr. 4125 VV RVG 328,75 EUR 263,00 EUR
    Terminsgebühr Nr. 4102 Ziff. 3, 4103 VV RVG 171,25 EUR 137,00 EUR
    Terminsgebühr Nrn. 4126, 4127 VV RVG 587,50 EUR 263,00 EUR
    Zusätzliche Gebühr Nr. 4128 VV RVG   108,00 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR 20,00 EUR
      1.310,00 EUR 953,00 EUR
    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent 209,60 EUR 152,48 EUR
      1.519,60 EUR 1.105,48 EUR
    Praxishinweis: Die Terminsgebühr Nr. 4102 VV RVG ist unabhängig von der Ordnung des Gerichts. Sie entsteht also im Berufungsverfahren in derselben Höhe wie im vorbereitenden Verfahren oder im Verfahren I. Instanz.
    In der Beispielsrechnung ist wegen der langen Dauer des Termins für den Wahlanwalt die Höchstgebühr angesetzt worden. Das ist nicht in allen Fällen gerechtfertigt. Vielmehr wird die Höhe der Terminsgebühr von der Dauer des Termins abhängen. Bei der Bemessung der konkreten Gebühr für den Wahlanwalt muss zudem auch das Gebührengefüge berücksichtigt werden. Danach geht auch das RVG immer noch davon aus, dass der Wahlanwalt höhere Gebühren als der Pflichtverteidiger erhalten soll (zur Bemessung der Terminsgebühr des Wahlanwalts in diesen Fällen s. auch Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 VV Rn. 59).
    3. Einstellung des Verfahrens im Berufungsverfahren
    A ist wegen Körperverletzung verurteilt worden. Er sucht R auf und beauftragt ihn mit seiner Verteidigung im Berufungsverfahren. R legt Berufung ein und regt jetzt noch bei der Staatsanwaltschaft einen Täter-Opfer-Ausgleich an. R nimmt an einem Termin mit dem Geschädigten und dessen Rechtsanwalt, in dem über den Täter-Opfer-Ausgleich verhandelt wird, teil. Es kommt jedoch nicht zur Einigung. Es wird daher Berufungshauptverhandlung anberaumt. A, der in seinem Heimatort bekannt ist, möchte jedoch eine öffentliche Hauptverhandlung vermeiden. Er sucht R auf und berät sich mit ihm über das weitere Vorgehen. R rät dem A, die Berufung zurückzunehmen. A weist den R an, die Berufung zurückzunehmen. R nimmt die Berufung fünfzehn Tage vor dem Berufungshauptverhandlungstermin zurück. Welche Gebühren kann R abrechnen?
    Lösung: R kann folgende Gebühren abrechnen:
    R verdient die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und die Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG. Für die Teilnahme am Termin im Täter-Opfer-Ausgleichsverfahren ist außerdem eine Terminsgebühr nach Nr. 4102 Ziff. 4 VV RVG entstanden (zu den Einzelheiten Burhoff/Burhoff, a.a.O., Nr. 4102 VV Rn. 29 ff.). Es kommt für das Entstehen der Gebühr nicht darauf an, ob der Termin "erfolgreich" war.
    Zudem erhält R dafür, dass durch sein Mitwirken die Berufungshauptverhandlung entbehrlich wurde auf Grund der Rücknahme der Berufung eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 Anmerkung Abs. 1 Ziff. 3 VV RVG. Diese entsteht "in Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr", und zwar nach der Instanz, in der die Hauptverhandlung entbehrlich geworden ist (Nr. 4141 Anmerkung 3 S. 1 VV RVG). Das ist hier also die Berufungsinstanz.
      Wahlanwalt Pflichtverteidiger
    Vorbereitendes Verfahren    
    Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG 165,00 EUR 132,00 EUR
    Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG 270,00 EUR 216,00 EUR
    Terminsgebühr Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG 140,00 EUR 112,00 EUR
    Verfahrensgebühr Nr. 4141 Anm. Abs. 1 Ziff. 3 VV RVG 270,00 EUR 216,00 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR 20,00 EUR
      865,00 EUR 696,00 EUR
    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent 138,40 EUR 111,36 EUR
      1.003,40 EUR 807,36 EUR
    Praxishinweis: Für die Rücknahme der Berufung hat das RVG die alte Regelung aus § 84 Abs. 2 BRAGO übernommen. Die dazu ergangene Rechtsprechung und vorliegende Literatur gilt also weiter. Nach wie vor muss auch die Berufung "früher als zwei Wochen vor Beginn des Tages, der für die Hauptverhandlung vorgesehen war, zurückgenommen" worden sein, wenn schon terminiert war.
    4. Rücknahme der Berufung; ein Hauptverhandlungstermin hatte bereits stattgefunden
    Im Beispiel 3 findet der anberaumte Berufungshauptverhandlungstermin statt. Die Hauptverhandlung muss jedoch, da ein wichtiger Zeuge nicht erschienen ist, ausgesetzt werden. Über den Termin wird in der Presse ausführlich berichtet. A möchte eine weitere Berichterstattung über das Verfahren vermeiden. Er sucht R auf und berät sich mit ihm über das weitere Vorgehen. R rät dem A, die Berufung zurückzunehmen. A erteilt den Auftrag. R nimmt die Berufung mit Einverständnis der Staatsanwaltschaft fünfzehn Tage vor dem anberaumten zweiten/neuen Berufungshauptverhandlungstermin zurück. Welche Gebühren kann R abrechnen?
    Lösung: R kann folgende Gebühren abrechnen:
    R verdient die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG und für die Teilnahme am Termin im Täter-Opfer-Ausgleichsverfahren außerdem eine Terminsgebühr nach Nr. 4102 Ziff. 4 VV RVG. Es entsteht außerdem für die Teilnahme am (ersten) Berufungshauptverhandlungstermin eine Terminsgebühr Nr. 4126 VV RVG.
    Fraglich ist aber, ob R auch hier für seine Mitwirkung am Entbehrlichwerden des (zweiten) Berufungshauptverhandlungstermins durch Rücknahme der Berufung auch noch eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 Anmerkung Abs. 1 Ziff. 3 VV RVG verdient. Diese Frage war schon zur BRAGO streitig und ist durch das RVG nicht geklärt worden (zum Streitstand zur BRAGO: Gebauer/Schneider/Schneider, BRAGO, § 84 Rn. 103 m.w.N.). Die insoweit zur BRAGO h.M. (z.B. LG Bonn, NStZ-RR 02, 30) hat jedoch nach wie vor Geltung. Danach entstand auch in diesem Fall eine Gebühr nach § 84 Abs. 2 BRAGO. Das muss auch zum RVG zu gelten, da anderenfalls die Bemühungen des Verteidigers nicht berücksichtigt würden.
      Wahlanwalt Pflichtverteidiger
    Vorbereitendes Verfahren    
    Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG 165,00 EUR 132,00 EUR
    Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG 270,00 EUR 216,00 EUR
    Terminsgebühr Nr. 4102 Ziff. 4 VV RVG 140,00 EUR 112,00 EUR
    Terminsgebühr Nr. 4126 VV RVG 270,00 EUR 216,00 EUR
    Verfahrensgebühr Nr. 4141 Anm. Abs. 1 Ziff. 3 VV RVG 270,00 EUR 216,00 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR 20,00 EUR
      1.135,00 EUR 912,00 EUR
    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent 181,60 EUR 145,92 EUR
      1.316,60 EUR 1.057,92 EUR
    Praxishinweis: Für die Bemessung der Gebühr Nr. 4141 VV RVG gilt: Diese entsteht nach der ausdrücklichen Regelung im VV RVG "ohne Zuschlag". Befindet sich also der Mandant im Berufungsverfahren nicht auf freiem Fuß und wird das Verfahren eingestellt, wird die sog. "Befriedungsgebühr" ohne Haftzuschlag verdient. Sie entsteht nach Nr. 4141 Anmerkung Abs. 3 S. 2 VV RVG für den Wahlanwalt jedoch immer als Mittelgebühr.
    Quelle: RVG professionell - Ausgabe 09/2004, Seite 156
    Quelle: Ausgabe 09 / 2004 | Seite 156 | ID 106660