30.09.2009 | Strafverfahren
Anspruch auf Pflichtverteidiger- und auf Wahlverteidigervergütung
von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
Der Anspruch des Pflichtverteidigers auf gesetzliche Vergütung und der Anspruch gegen den Angeklagten auf Erstattung der Wahlanwaltsgebühren sind unterschiedliche Ansprüche. Nach Festsetzung der Wahlverteidigervergütung und Aufrechnung der Staatskasse gegen den Erstattungsanspruch des Angeklagten kann daher dem Antrag auf Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung nicht entgegengehalten werden, eine Auszahlung der Pflichtverteidigervergütung komme nicht mehr in Betracht, da das zu einer Doppelbelastung der Staatskasse führe (BVerfG 4.5.09, 2 BVR 2252/08, Abruf-Nr. 092643). |
Sachverhalt
Der Pflichtverteidiger des Angeklagten, der frei gesprochen wurde, beantragte namens seines Mandanten die Festsetzung der Wahlverteidigergebühren und Auslagen. Dem Antrag wurde zwar vom AG entsprochen; eine Auszahlung des festgesetzten Betrags wurde aber unter Hinweis auf eine zuvor von der Staatskasse gegenüber dem Mandanten erklärte Aufrechnung mit den den festgesetzten Betrag übersteigenden Forderungen verweigert.
Der Rechtsanwalt beantragte sodann die Festsetzung und Auszahlung seiner Pflichtverteidigervergütung. Dieser Antrag wurde vom AG mit der Begründung zurückgewiesen, die Festsetzung und Auszahlung der Pflichtverteidigergebühren sei nicht mehr möglich, nachdem bereits die Wahlverteidigervergütung festgesetzt und der entsprechende Erstattungsanspruch durch Aufrechnung zum Erlöschen gebracht worden sei: eine Auszahlung der Pflichtverteidigervergütung führe zu einer „Doppelzahlung“ durch die Staatskasse. Die hiergegen vom Rechtanwalt erhobenen Rechtsmittel hatten erst aufgrund der Verfassungsbeschwerde beim BVerfG Erfolg.
Entscheidungsgründe
Der Staat darf in die freie wirtschaftliche Betätigung Privater, wozu auch die Bestellung zum Pflichtverteidiger gehört, nur eingreifen, wenn die dadurch Belasteten eine angemessene Entschädigung erhalten (Art. 12 GG). Das wird dadurch erreicht, dass dem Pflichtverteidiger nach § 45 RVG eigene Ansprüche gegen die Staatskasse zustehen, die selbstständig neben den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten aus § 52 RVG treten und diesem gegenüber nicht subsidiär sind, sondern wahlweise geltend gemacht werden können. Durch das Vorgehen der Staatskasse wird hier dem Pflichtverteidiger in verfassungswidriger Weise das ihm zustehende Honorar vorenthalten. Das rechtfertigt nicht die erklärte Aufrechnung, denn die hat im Verhältnis zum gesetzlichen Vergütungsanspruch des Pflichtverteidigers keine Wirkung. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 58 Abs. 3 RVG. Es liegt auch keine anzuerkennende „Doppelzahlung“ der Staatskasse vor. Diese kann sich dadurch schützen, dass sie den Rechtanwalt vor Festsetzung der Wahlverteidigergebühren zum Verzicht auf seine Pflichtverteidigergebühren auffordert.
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