01.11.2007 | Strafverfahren
Haftzuschlag bei Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
Dem Verteidiger steht ein Haftzuschlag nicht zu, wenn der in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachte Mandant bereits dauerhaft in einem externen Pflegeheim wohnt (betreutes Wohnen), sich also gar nicht mehr im Krankenhaus des Maßregelvollzugs aufhält (LG Berlin 17.8.07, 546 StVK 482/06, n.v., Abruf-Nr. 073117). |
Sachverhalt
Die Anwältin war dem Verurteilten im Verfahren zur Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beigeordnet. Der Verurteilte war seit dem 13.6.00 untergebracht. Vom Krankenhaus des Maßregelvollzugs wurde er im Wege von Vollzugslockerungen am 1.11.05 in eine sog. „offene Unterbringung“ überführt. In diesem privaten Pflegeheim wurde er von einem niedergelassenen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie betreut. Bei der Abrechnung der Pflichtverteidigervergütung hat die Pflichtverteidigerin diese mit Haftzuschlag nach Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG geltend gemacht. Sie hatte damit keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Der Untergebrachte hat sich nicht i.S. der Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG „nicht auf freiem Fuß“ befunden. Das lässt sich allerdings nicht mit der Entscheidung des AG Osnabrück (AGS 06, 232) begründen, das den Haftzuschlag beim Strafgefangenen verneint hat, der sich im offenen Vollzug befand, da er nach Terminsabsprachen und entsprechenden Genehmigungen bei seinem Verteidiger erscheinen konnte. Insoweit ist auf die Rechtsprechung des KG (vgl. 29.6.06, 4 Ws 76/06, Abruf-Nr. 073118 und vom 5.12.06, 3 Ws 216/06, Abruf-Nr. 073119) zu verweisen. Danach enthält die Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG nach dem Wortlaut eine generelle, gerade nicht auf den Einzelfall bezogene, zwingende Regelung, die ohne Ausnahmen oder Einschränkungen ihrer Anwendung gilt. Es kommt deshalb für die Entstehung des Anspruchs auf die Gebühr mit Zuschlag nicht darauf an, ob im Einzelfall aufgrund der Inhaftierung Umstände gegeben sind, die zu konkreten Erschwernissen der Tätigkeit der Anwältin geführt haben. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn – wie hier – der Untergebrachte gar nicht mehr im Krankenhaus des Maßregelvollzuges untergebracht ist, dort kein Zimmer mehr hat, sondern vielmehr in einem externen, privaten Pflegeheim wohnhaft ist und dort zwar medizinisch und pflegerisch betreut, in seiner Bewegungsfreiheit jedoch nicht beschränkt ist. In einem solchen Fall kann im kostenrechtlichen Sinn nicht mehr davon gesprochen werden, dass sich der Verurteilte „nicht auf freiem Fuß“ befindet.
Praxishinweis
Die entspricht der h.M. zu Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG. Auf das tatsächliche Entstehen von Erschwernissen kommt es für den Haftzuschlag nicht an (Burhoff/Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., Vorbem. 4 VV Rn. 83 ff.; LG Aachen RVG prof. 07, 98, Abruf-Nr. 071643).
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