- Geltung der allgemeinen Regeln: Für die Vergütungsvereinbarung in Strafsachen gelten die allgemeinen Regeln für Vergütungsvereinbarungen. Im Einzelnen:
- Es besteht Formzwang nach § 4 Abs. 1 S. 1 RVG. Die Erklärung des Auftraggebers muss schriftlich abgegeben werden. Von Fax, Computerfax und/oder E-Mail sollte der Verteidiger Abstand nehmen (ausführlich zum Formerfordernis Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, ABC-Teil, Vergütungsvereinbarung (§ 4), Rn. 20 m.w.N.; zweifelnd AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 14 Rn. 59) nachdem das OLG Hamm inzwischen ausgeführt hat, dass ein Fax nicht der von § 4 RVG geforderten Schriftform entspricht (RVG prof. 06, 18, Abruf-Nr. 053410 und Hauskötter, RVG prof. 06, 112).
- Die Erklärung darf nicht in der Vollmacht enthalten sein.
- Die Erklärung muss, wenn sie nicht vom Auftraggeber stammt, was die Regel sein dürfte, als Vergütungsvereinbarung bezeichnet sein (a.A. allerdings ohne nähere Begründung, AG Gemünden RVG prof. 07, 117, Abruf-Nr. 071719).
- Die Vergütungsvereinbarung muss sich von anderen Vereinbarungen deutlich absetzen (vgl. dazu BGH NJW 04, 2818, wonach – bei § 3 BRAGO – eine separate Vereinbarung und eine gesonderte Unterschrift nicht ausreicht; zur Frage, welche Vereinbarungen enthalten sein dürfen, Hauskötter, RVG prof. 06, 131). Es bietet sich an, hier die Rechtsprechung zu AGB entsprechend heranzuziehen (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 305 BGB Rn. 29 m.w.N.).
- Höhe der Vergütungsvereinbarung: Grenze beim Fünffachen der gesetzlichen Gebühren? Zu erheblicher Unruhe in Verteidigerkreisen hat das Urteil des 9. Zivilsenats des BGH vom 27.1.05 (NJW 05, 2142) geführt. In dieser zwar noch zu § 3 BRAGO ergangenen, aber auch auf § 4 RVG anwendbaren Entscheidung hat der BGH für den Bereich der Strafverteidigung eine „allgemein verbindliche Honorargrenze“ festgelegt. Danach soll eine tatsächliche Vermutung dafür sprechen, dass die Vergütung unangemessen hoch ist und das Mäßigungsgebot des § 3 Abs. 3 BRAGO verletzt, wenn sie mehr als das Fünffache der gesetzlichen Höchstgebühren beträgt. Diese Vermutung soll durch den Anwalt nur entkräftet werden können, wenn er ganz ungewöhnliche, geradezu extreme einzelfallbezogene Umstände darlegt, die es möglich erscheinen lassen, die Vergütung bei Abwägung aller für § 3 Abs. 3 BRAGO maßgeblichen Gesichtspunkte nicht als unangemessen hoch anzusehen (BGH, a.a.O.; ähnlich OLG Frankfurt AGS 06, 113 für das Revisionsverfahren).
Praxishinweis: Diese Entscheidung des BGH ist auf erhebliche Kritik gestoßen (vgl. dazu z.B. Lutje, NJW 05, 2490, 2491; Teubel, in: Mayer/Kroiß [Hrsg.], RVG, 2. Aufl. § 4 Rn. 211; Tsambikakis, StraFo 05, 446, 448 f., 451; Schneider, BGH-Report 05, 1154, 1155) und hat zugleich auch zum Streit darüber geführt, ob die Entscheidung, der eine Honorarpauschale kombiniert mit einem Stundenhonorar zugrunde lag, reine Stundenhonorare überhaupt betrifft (verneinend Schneider, a.a.O.; Henke, AGS 05, 378, 384; derselbe AnwBl. 06, 217, 218; Madert, AGS 05, 378, 383; Burhoff/Burhoff, a.a.O.; ABC-Teil: Vergütungsvereinbarung [§ 4], Rn. 39). - OLG Hamm: BGH-Entscheidung gilt nicht für Zeithonorare: In dem Zusammenhang ist eine neuere Entscheidung des OLG Hamm von Bedeutung (StV 07, 473). Das OLG Hamm geht davon aus, dass die o.a. Entscheidung des BGH vom 27.1.05 nicht dahin zu verstehen sei, dass die festgelegte Höchstgrenze auch ein reines Zeithonorar betreffe, das sich am tatsächlichen Aufwand orientiert. Es wäre ein nicht hinzunehmender Widerspruch, wenn man eine Vergütung, die sich als solche als aufwandsangemessen erweist, zugleich herabsetzen müsste, weil sie aufgrund der Grenzziehung des BGH als unangemessen hoch zu bewerten wäre. Der BGH sei selbst der Auffassung, dass eine aufwandsangemessene anwaltliche Honorarvereinbarung das Sittengesetz nicht verletzen könne (ebenso BGH NJW 03, 3486). Diese Rechtsprechung habe der BGH in seiner Entscheidung vom 27. 1.05 ausdrücklich in Bezug genommen (vgl. dazu auch noch OLG Hamm AGS 02, 268). Dem sei jedenfalls für das reine Zeithonorar weiterhin uneingeschränkt zu folgen, ohne dass dabei eine Höchstgrenze zu ziehen wäre. Denn gerade das Zeithonorar trage dem tatsächlichen Aufwand anders als ein Pauschalhonorar Rechnung, indem es mit dem Aufwand wachse. Ein Zeithonorar sei danach nicht zu beanstanden, wenn weder die Höhe des Stundensatzes noch die Anzahl der abgerechneten Stunden außergewöhnlich hoch seien.
- Umsetzung der Rechtsprechung des OLG Hamm in die Praxis: Diese Entscheidung ist wie folgt in der Praxis umzusetzen.
- Der Verteidiger sollte auf jeden Fall ein reines Zeithonorar vereinbaren (zum Muster eine Vergütungsvereinbarung s. Hauskötter, RVG prof. 06, 109).
- Für die spätere Abrechnung muss die aufgewendete Zeit festgehalten werden. Festzuhalten sind die für die üblichen Tätigkeiten aufgewendete Zeit, wozu auch Telefonate mit der Staatsanwaltschaft und/oder dem Vorsitzenden des Gerichts, die zur Terminsvorbereitung geführt werden, zählen. Zur aufgewendeten Zeit gehört aber auch eine „fallbezogene Aktualisierung des Informationsstands bezüglich Literatur und Rechtsprechung, nicht aber eine allgemeine, vom konkreten Fall unabhängige Fortbildung“ (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Die aufgewendete Zeit darf insgesamt nicht zu hoch sein, damit nicht auch das Zeithonorar sittenwidrig wird (vgl. OLG Hamm, a.a.O.).
- Als Stundensatz kann sicherlich ein Satz von bis zu ca. 250 EUR vereinbart werden (vgl. OLG Hamm, a.a.O. [500 DM nicht unangemessen hoch]; OLG Düsseldorf AGS 06, 530 [450 DM nicht unangemessen]; ähnlich AG Köln zfs 06, 227). Bei der Beurteilung des Stundensatzes sind gerade in Strafsachen neben den Gemeinkosten des Verteidigers die Reputation und Qualifikation des Anwalts heranzuziehen (OLG Hamm AGS 02, 268 sowie Madert, in: Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., § 4 Rn. 66). Zu berücksichtigen ist z.B. aber auch, ob der Verteidiger über die Fachanwaltsbezeichnung für Strafrecht verfügt und ggf. ausschließlich auf dem Gebiet des Strafrechts tätig ist. Auch die Erfahrung des Verteidigers kann von Bedeutung sein. Schließlich spielen der Umfang des Ermittlungsverfahrens und die Größenordnung des Schadens eine Rolle.
- Bei der Vereinbarung von sog. Zeittaktklauseln ist Vorsicht geboten. Das OLG Düsseldorf hat inzwischen eine Zeittaktklausel von 15 Minuten bei einem Stundensatz von 400 DM (rd. 230 EUR) als sittenwidrig angesehen (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
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