Muss sich der Mandant während des gesamten Verfahrensabschnitts, für den die jeweilige Gebühr geltend gemacht wird, nicht auf freiem Fuß befunden haben? | Nein, ausreichend ist, dass er „irgendwann“ während des Verfahrensabschnitts sich nicht auf freiem Fuß befunden hat (OLG Celle StraFo 08, 443 = AGS 08, 490 = StRR 09, 38 = NStZ-RR 08, 392 = RVGreport 09, 427; OLG Hamm StRR 09, 39 = RVGreport 09, 149; AG Heilbronn StraFo 06, 516). Es ist auch nicht erforderlich, dass der Mandant schon beim Entstehen der jeweiligen Gebühr in Haft war (KG RVG prof. 07, 41, Abruf-Nr. 070502). | Beispiele | Beispiel 1: Der Beschuldigte wird im Lauf des Ermittlungsverfahrens in Untersuchungshaft genommen, dann aber im Rahmen einer Haftprüfung vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont. In dem Fall ist die Gebühr Nr. 4104 VV RVG mit Zuschlag, also die Gebühr Nr. 4105 VV RVG, entstanden. Beim Wahlanwalt hat allerdings die Dauer der Inhaftierung Auswirkungen auf die Höhe der Gebühr. Beispiel 2: Der Angeklagte wird erst am Ende des Verhandlungstages, aber vor Beendigung des Hauptverhandlungstermins, in Haft genommen. Terminsgebühr ist mit Zuschlag entstanden (OLG Celle StraFo 08, 443 = AGS 08, 490 = StRR 09, 38 = NStZ-RR 08, 392; OLG Hamm StRR 09, 39 = RVGreport 09, 149). | Entsteht der Haftzuschlag auch für frühere Verfahrensab- schnitte, wenn der Mandant erst im Laufe des Verfahrens in Haft genommen wird? | Nein, wenn der Mandant erst später inhaftiert wird, führt das nicht zum Entstehen des Haftzuschlags auch für Verfahrensabschnitte, die bereits abgeschlossen sind (LG Offenburg NStZ-RR 06, 358 = AGS 06, 436). Beispiel: Der Angeklagte wird im Laufe der Hauptverhandlung festgenommen. Es entsteht nur die gerichtliche Verfahrensgebühr mit Zuschlag und ggf. Terminsgebühren. Die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren und die Grundgebühr entstehen ohne Zuschlag. | Muss sich der Mandant in dem jeweiligen Verfahren in Haft befinden? | Nein, das ist nach inzwischen h.M. nicht erforderlich. Ausreichend ist auch eine Inhaftierung in einem anderen Verfahren (OLG Hamm RVG prof. 09, 204 [Ls.], Abruf-Nr. 093692) = RVG report 10, 27 = AGS 10, 17; LG Bochum 10.6.09, 1 Qs 49/09; AG Bochum RVG prof. 09, 78, Abruf-Nr. 091199). | Sind für das Entstehen „tatsächliche Erschwernisse“ erforderlich oder reicht allein der Umstand, dass der Mandant inhaftiert ist? | Die ganz h.M. in der Rechtsprechung und Literatur geht davon aus, dass ein Zuschlag nicht voraussetzt, dass Erschwernisse tatsächlich entstanden sind (KG RVGreport 07, 462 = StraFo 07, 483; OLG Celle StraFo 08, 443 = AGS 08, 490 = StRR 09, 38 = NStZ-RR 08, 392; OLG Hamm StRR 09, 39 = RVGreport 09, 149; AG Hanau 19.5.09, 50 Ds 4200 Js 20340/07; AG Tiergarten AGS 10, 73). A.A. ist nur das AG Bochum (vgl. AG Bochum StRR 09, 440 = RVGreport 09, 464 = AGS 10, 19 m. abl. Anm. N.Schneider). Die Gebühr entsteht also z.B. auch aus dem erhöhten Rahmen, wenn der Rechtsanwalt den Mandanten nicht in der Justizvollzugsanstalt besucht hat. | Spielt der Grund, warum der Mandant inhaftiert ist für das Entstehen des Zuschlags eine Rolle? | Nein, Voraussetzung ist nur, dass der Mandant sich nicht auf freiem Fuß befindet. Der Grund ist für das Entstehen ohne Bedeutung. Der Begriff „nicht auf freiem Fuß“ ist weit auszulegen (Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 Rn. 88). Das bedeutet, die Gebühr entsteht im Fall der - (einstweiligen) Unterbringung,
- Unterbringung nach dem PsychKG,
- Abschiebe- und Auslieferungshaft,
- Unterbringung nach § 72 Abs. 4 JGG i.V. mit § 71 Abs. 2 JGG (OLG Jena StraFo 03, 219 = AGS 03, 313 zu § 83 BRAGO),
- Vollstreckung eines Vorführungsbefehls nach § 230 StPO.
Praxishinweis: Auch der (nach § 127 Abs. 1, § 127b StPO) nur vorläufig Festgenommene befindet sich nicht auf freiem Fuß (KG StraFo 07, 482 = RVGreport 07, 463 = StRR 07, 359 = JurBüro 07, 643 = AGS 08, 32; AGS 08, 31; AG Tiergarten AGS 10, 73). | Entsteht der Haftzuschlag auch, wenn sich der Mandant (nur) im offenen Vollzug befindet? | Ja, nach zutreffender h.M. entsteht der Haftzuschlag auch in diese Fall (KG StraFo 07, 483 = RVGreport 07, 462 = AGS 07, 619 = StRR 07, 359 = JurBüro 07, 644; OLG Jena AGS 09, 385 = NStZ-RR 09, 224 [Ls.]; LG Aachen AGS 07, 242 = StRR 07, 40 = RVGreport 07, 463; LG Wuppertal StraFo 09, 528; AG Aachen AGS 07, 242 = StRR 07, 40; a.A. soweit ersichtlich nur AG Osnabrück AGS 06, 232). | Entsteht der Haftzuschlag, wenn sich der Mandant freiwillig in einer stationären Therapie befindet? | Die Rechtsprechung verweigert in diesen Fällen den Haftzuschlag (OLG Bamberg StRR 07, 283 [Ls.] = RVGreport 08, 225; OLG Hamm StraFo 08, 222; LG Berlin AGS 07, 562; LG Wuppertal JurBüro 09, 532 = Rpfleger 09, 697 = AGS 10, 17; AG Koblenz JurBüro 07, 82 = AGS 2007, 8; AG Neuss 25.8.08, 7 Ds 30 Js 1509/07 (263/07); AG Osnabrück AGS 08, 229). Das ist m.E. allerdings nicht zutreffend, weil sich der Mandant auch in den Fällen nicht frei bewegen kann und in der Wahl seines Aufenthaltsortes beschränkt ist. | Entsteht der Haftzuschlag, wenn ein in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachter bereits dauerhaft in einem externen Pflegeheim wohnt (betreutes Wohnen)? | Nach Auffassung des KG entsteht der Zuschlag nicht (KG RVG prof. 08, 212, Abruf-Nr. 083466 = NStZ-RR 09, 31 = JurBüro 09, 83 = StRR 09, 156; s. auch LG Berlin AGS 07, 562 = StRR 07, 280 = RVGreport 07, 463). | Fällt der Haftzuschlag an, wenn sich ein Untergebrachter im Rahmen von Lockerungen in einem Übergangswohnheim befindet? | Das OLG Jena hat in dem Fall den Haftzuschlag gewährt (OLG Jena NStZ-RR 09, 224 [Ls.] = AGS 09, 385). | |