Streitwert
Vermeiden Sie typische Fehler bei unbezifferten Anträgen von Feststellungs- und Stufenklagen
Die Kosten und die Festsetzung der Streitwerte bereiten bei unbezifferten Klageanträgen immer wieder Probleme. Gerade bei den Klagetypen der Feststellungs- und der Stufenklage bestehen Besonderheiten, die der Anwalt beachten muß. Die nachfolgenden Ausführungen geben eine Hilfestellung, durch möglichst gute strukturelle Kenntnisse Schwierigkeiten bei diesen Klagearten zu entgehen.
1. Der Wert der Feststellungsklage wird nach § 3 ZPO geschätzt
Die Feststellungsklage als Vorstufe der Leistungsklage, deren Inhalt jegliches Tun oder Unterlassen sein kann, hat nur wenige Festsetzungsregeln hinsichtlich des Streitwertes, die allein für sie gelten. Grundsätzlich ist der Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei gilt:
- Für die positive Feststellungsklage wird grundsätzlich der Ausgangswert einer Zahlungsklage um 20 Prozent vermindert
Da der Kläger mit der positiven Feststellungsklage keinen so weitreichenden Titel wie mit der Leistungsklage erlangt, bleibt ihr Wert grundsätzlich um 20 Prozent niedriger als der entsprechende Zahlungsanspruch (OLG Hamm KostRspr. ZPO § 3 Nr. 818). Dies gilt nach herrschender Meinung selbst dann, wenn eine hinter dem Beklagten stehende Versicherung erkennen läßt, daß sie ein Feststellungsurteil zum Anlaß nehmen wird, die Forderung ganz zu begleichen (BGH Rpfleger 1966, 46; fortgeführt NJW-RR 1988, 690).
Nach einer abweichenden Meinung soll dagegen der Wert der Feststellungsklage den Wert einer Leistungsklage dann erreichen, wenn der Beklagte aufgrund des Feststellungsurteils sicher zahlen wird (OLG Köln NJW 1960, 2248; Schneider, MDR 1985, 268). - Bei der negativen Feststellungsklage wird kein Abschlag vorgenommen
Bei der negativen Feststellungsklage ist dagegen nach herrschender Meinung kein Abschlag vorzunehmen. Vielmehr ist der Wert entsprechend dem anzusetzen, dessen sich der Gegner berühmt und was mit der Klage bekämpft werden soll. Der Grund dafür ist, daß ein stattgebendes Urteil nicht nur eine gegnerische positive Feststellungsklage, sondern auch eine entsprechende Leistungsklage ausschließt (OLG Köln VersR 1994, 1090). Entscheidend sind nicht die mangelnde Gegenwärtigkeit und künftige Ungewißheit einer Belangung durch den Gegner, sondern das Interesse des Klägers, nicht leisten zu müssen. Insofern liegt ein negatives Spiegelbild der Leistungsklage vor (OLG Köln aaO).
Hinweis: Eine Ausnahme macht das OLG München dort, wo es um die negative Feststellungsklage über Unterlassungsansprüche auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes geht (OLG München NJW-RR 1987, 128). Hier könne nämlich der Wert der Feststellung für den Kläger, daß kein Anspruch des Beklagten bestehe, höher oder niedriger als das Interesse des Beklagten an der begehrten Unterlassung sein.
2. Für die Bewertung der Stufenklage gilt § 18 GKG
Bei der Stufenklage gilt: Während zur Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwerts die Werte sämtlicher in einer Stufenklage verbundener Ansprüche nach § 5 ZPO zusammenzurechnen sind, enthält § 18 GKG für den Gebührenstreitwert eine Sondervorschrift, die den §§ 3 bis 7 ZPO vorgeht. Danach ist für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche maßgebend – und das ist der höhere. Für die einzelnen Stufen gilt:
- Der unbezifferte Leistungsanspruch wird nach den Erkenntnissen des Gerichts am Ende der Instanz bestimmt
Der Streitwert einer Stufenklage richtet sich nach den bezifferten Klageanträgen. Für den davor liegenden Zeitraum sind die Vorstellungen des Klägers vom Wert des Leistungsanspruchs maßgebend (OLG Bamberg FamRZ 1994, 640). Solange über den Zahlungsanspruch nicht erkannt ist, muß gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen geschätzt werden (statt vieler: OLG Nürnberg JurBüro 1974, 1439).
Im einzelnen ist zu berücksichtigen, daß der Gebührenstreitwert eines im Rahmen einer Stufenklage zunächst unbezifferten Leistungsantrags sich nach einer im Vordringen begriffenen Meinung nicht nach den bei Klageeinreichung von dem Kläger geäußerten Erwartungen hinsichtlich der Höhe des Leistungsanspruchs bestimmt, sondern nach den Erkenntnissen des Gerichts am Ende der Instanz (16. Senat des KG Berlin MDR 1997, 598).
Wenn der Zahlungsanspruch nicht beziffert worden ist – zum Beispiel weil die Leistungsklage nach Auskunftserteilung nicht mehr weiter betrieben wird –, folgt daraus für die Unterhaltsstufenklage: Solange über den Zahlungsanspruch nicht erkannt ist, muß gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen geschätzt werden. Für die Bewertung ist maßgeblich, welche realistischen Vorstellungen sich die klagende Partei zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage über die Höhe der Forderung gemacht hat (OLG Hamm OLG-Report 1996, 263). Sich nach der Rechnungslegung ergebende neue Werte sind dann geeignet, eine Korrektur des Wertes nach oben oder unten herbeizuführen (Schneider, Streitwertkommentar, Rn. 4261 f.). - Für den Auskunftsanspruch sind 1/10 bis 2/5 des Leistungsanspruchs üblich
Für den Wert des Auskunftsanspruchs ist das Interesse maßgebend, das der Kläger hinsichtlich des Leistungsbegehrens an der Auskunft hat. In der Praxis sind Werte von 1/10 bis 2/5 des Leistungsanspruchs üblich (statt vieler: OLG München JurBüro 1984, 1376). Abzustellen ist auf das Interesse im Zeitpunkt des Beginns der Instanz, weil der Zahlungsanspruch, der im Normalfall den höchsten Wert darstellt, ja gleich Null sein kann. - Die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung wird geschätzt
Der Wert des Anspruchs auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung betreffend die Vollständigkeit und Richtigkeit einer Auskunft bestimmt sich gemäß §§ 2, 3 ZPO nach freiem Ermessen. Wurde der Beklagte zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verurteilt, so richtet sich der Wert seiner Beschwerde danach, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erfordert. Die Verpflichtung hierzu geht nicht über diejenige zur Auskunftserteilung hinaus, sondern wird durch sie begrenzt. Der Aufwand, der dadurch entsteht, daß der Beklagte rechtskundigen Rat oder Hilfe eines Steuerberaters in Anspruch nimmt, ist nur zu berücksichtigen, wenn die Rechtslage unklar ist oder wenn die Einkünfte sonst nicht zuverlässig zu ermitteln sind (BGH NJW-RR 1994, 898). - Nach Stufen getrennte PKH-Entscheidungen trotz einheitlichen Rechtsbegehrens
Gerade bei Stufenklagen wird sich der Anwalt des öfteren dem Problem ausgesetzt sehen, daß sich der Mandant nicht unbeträchtlicher Ansprüche rühmt, diese aber erst durch die Klage in ihrer vollen Höhe deutlich werden sollen. Da bis dahin oft die bislang geringen Mittel des Mandanten für eine Prozeßführung nicht ausreichen, muß PKH beantragt werden. Und dann fallen die möglichen Ansprüche auch noch häufig geringer aus.
Hier kann nicht erwartet werden, für das gesamte gestufte Verfahren von vornherein PKH zu erhalten. Vielmehr ist die PKH für jede Stufe einzeln zu bewilligen, um Mißbrauch bei der späteren Bezifferung des Leistungsantrags zu vermeiden (OLG Naumburg FamRZ 1994, 1042). Allerdings bedarf es keines gesonderten Antrags für die jeweils nächste Stufe (anders nur: OLG Celle FamRZ 1997, 99, das im Verhältnis des bezifferten zum unbezifferten Zahlungsanspruch einen neuen Sachantrag sieht). Dies wird damit begründet, daß die Tatsache, daß es sich bei der Stufenklage um ein einheitliches Rechtsbegehren handelt, die getrennte PKH-Entscheidung nicht hindert. Die Stufenklage stellt eine Sonderform der objektiven Klagehäufung dar, bei der über jede einzelne Stufe gesondert und nacheinander zu verhandeln und zu entscheiden ist. Die getrennte Behandlung der einzelnen Stufen erlaubt daher auch eine getrennte Entscheidung über die PKH ohne gesonderten Antrag.
Wird jedoch PKH ausnahmsweise von vornherein in vollem Umfang bewilligt, so erstreckt sich die Gewährung auch auf einen noch nicht bzw. erst nachträglich bezifferten Zahlungsanspruch (OLG München Jur Büro 1980, 1962; OLG Celle FamRZ 1994, 1043; OLG Frankfurt/M. FamRZ 1991, 1458; OLG Düsseldorf FamRZ 1987, 1281).
Quelle: RVG professionell - Ausgabe 12/1997, Seite 6