30.06.2010 | Verfahrensverbindung
Abrechnung verbundener Verfahren
von Dipl.-Rechtspflegerin (FH) Karin Scheungrab, Leipzig/München
1. Wird in einem Verfahren mündlich verhandelt und dieses dann mit einem anderen Verfahren verbunden, in dem bisher noch nicht mündlich verhandelt wurde, so ist die bereits entstandene Terminsgebühr auf die nach Verbindung aus dem Gesamtstreitwert zu ermittelnde Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) anzurechnen. |
2. Sind Gebührentatbestände - hier die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG - jeweils sowohl vor als auch nach der Verbindung entstanden, so steht dem Rechtsanwalt ein Wahlrecht zu, ob er die Gebühren aus den Einzelwerten oder aus dem Gesamtwert nach Verbindung verlangt. Wird die Klage erst nach Verbindung erhöht, so kann die Erhöhung nur nach dem Gesamtstreitwert des verbundenen Verfahrens berechnet werden. |
(BGH 14.4.10, IV ZB 6/09, Abruf-Nr. 101504) |
Sachverhalt
In zwei - zunächst getrennten - Verfahren (V 1 und V 2) hat der Kläger Zahlungsansprüche von 4.323,17 EUR (V 1) und 26.313,47 EUR (V 2) geltend gemacht. In V 1 hat der Beklagte Widerklage über 8.551,47 EUR erhoben. Über V 1 hat das LG verhandelt und V 2 - hier hatte bislang keine Verhandlung stattgefunden - damit verbunden. Anschließend wurde im verbundenen Verfahren verhandelt und mit verschiedenen Forderungen die Aufrechnung gegenüber der Widerklage erklärt. Das LG hat hierüber entschieden und den Streitwert ab Verbindung auf „bis 45.000 EUR“ festgesetzt. Strittig ist die Höhe der Terminsgebühr. Der Antragsteller macht in V 1 aus einem Streitwert von 12.874,64 EUR eine Verfahrens- und Terminsgebühr nebst Auslagenpauschale und USt. geltend, ebenso für V 2 aus einem Streitwert von 30.264,94 EUR, der sich aus dem Gegenstandswert der Klage und der Summe der beschiedenen Aufrechnungsforderungen in V 1 errechnet.
Entscheidungsgründe Leitsatz 1: Höhe der Terminsgebühren
Die Frage, welche Terminsgebühren anfallen, wenn zunächst in einem Rechtsstreit mündlich verhandelt worden ist und zu einem späteren Zeitpunkt eine Verbindung mit einem anderen Verfahren erfolgt, in dem bis dahin nicht mündlich verhandelt wurde, wird unterschiedlich beantwortet.
- Nach wohl überwiegender Auffassung ist die bereits entstandene Terminsgebühr auf die nach Verbindung aus dem Gesamtstreitwert zu ermittelnde Terminsgebühr anzurechnen (VG Hamburg NVwZ-RR 08, 741; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG 18. Aufl., VV 3100 Rn. 86, 88).
- Eine Gegenmeinung geht davon aus, dass neben der bereits angefallenen Terminsgebühr eine weitere aus dem höheren Streitwert nach der Verbindung zu errechnen und diese in dem Verhältnis zu kürzen ist, das dem Anteil der schon verhandelten Sache am Gesamtstreitwert nach Verbindung entspricht (OLG Düsseldorf Rpfleger 95, 477; AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, 5. Aufl., VV Vorbem. 3 Rn. 208). Nur diese Berechnung werde dem Grundsatz gerecht, dass einer Prozessverbindung gebührenrechtlich keine rückwirkende Kraft zukomme und dass durch sie - anders als bei einer nachträglichen Klageerweiterung oder Widerklage - keine Gebührennachteile entstehen sollen. Die Verbindung der Verfahren dürfe sich insbesondere deswegen nicht nachteilig auswirken, weil die Parteien in aller Regel keinen Einfluss auf die Verbindung durch das Gericht hätten. Nach diesem Ansatz wäre - ohne Berücksichtigung der Aufrechnung mit ihrer Auswirkung auf die Streitwertfestsetzung - neben der Terminsgebühr aus dem zunächst verhandelten Streitwert von 12.874,64 EUR (V 1) eine solche aus dem Streitwert von 39.188,11 EUR anzusetzen, da hierüber zunächst nach Verbindung mündlich verhandelt wurde; letztere allerdings nur zu einem Anteil von (39.188,11 - 12.874,64) = 26.313,47 = 67,1 Prozent.
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