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Welches sind die von § 37 Abs. 1 RVG erfassten „strafprozessähnlichen Verfahren“? | Bei den in § 37 Abs. 1 RVG aufgezählten strafprozessähnlichen Verfahren handelt es sich um Verfahren, für welche allgemein oder für einzelne Abschnitte, wie z.B. nach § 28 Abs. 1 BVerfGG für die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, die Vorschriften der StPO anzuwenden sind. Diese sind einem Strafverfahren insoweit ähnlich, als von dem Gericht über die angeklagte Person oder Personengruppe wegen verfassungswidrigen Verhaltens Rechtsnachteile verhängt werden sollen (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 19. Aufl., § 37 Rn. 4; AnwKomm-RVG/Wahlen, 5. Aufl., § 37 Rn. 5). |
Welche Verfahren werden von § 37 Abs. 1 RVG im Einzelnen erfasst? | § 37 Abs. 1 RVG nennt folgende Verfahren: 1. Verfahren über die Verwirkung von Grundrechten, den Verlust des Stimmrechts, den Ausschluss von Wahlen und Abstimmungen (§ 13 Nr. 1 BVerfGG), 2. Verfahren über die Verfassungswidrigkeit von Parteien (§ 13 Nr. 2 BVerfGG), 3. Verfahren über Anklagen gegen den Bundespräsidenten, gegen ein Regierungsmitglied eines Landes oder gegen einen Abgeordneten oder Richter (§ 13 Nr. 4 und 9 BVerfGG) und 4. Verfahren über sonstige Gegenstände, die in einem dem Strafprozess ähnlichen Verfahren behandelt werden. |
Ist die Aufzählung in § 37 Abs. 1 RVG abschließend? | Nein, die Aufzählung ist - wie Abs. 1 Nr. 4 zeigt - nicht abschließend. Damit soll die Möglichkeit bestehen, die Gebühren in ähnlichen Verfahren vor den Verfassungsgerichten, wenn solche, z.B. durch Landesrecht, neu geschaffen werden, ohne Änderung des RVG in gleicher Weise zu behandeln (Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O.). |
Welche gebührenrechtlichen Vorschriften des RVG werden auf die strafprozessähnlichen Verfahren angewendet? | Vorgesehen ist für die strafprozessähnlichen Verfahren die entsprechende Anwendung der Vorschriften für die Revision in Strafsachen in Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 VV RVG. Praxishinweis: D.h.: Es werden die Regelungen über die Abrechnung der anwaltlichen Tätigkeit im strafverfahrensrechtlichen Revisionsverfahren (Nr. 4130 ff. VV RVG) angewendet. |
Welche allgemeinen Folgen hat die in § 37 Abs. 1 RVG enthaltene Verweisung? | Nach allgemeiner Meinung findet auch die Vorb. 4.1 Abs. 2 S. 1 VV RVG Anwendung (Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 37 Rn. 5; AnwKomm-RVG/Wahlen, a.a.O., § 37 Rn. 7). Durch die anfallenden Gebühren wird also pauschal die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts abgegolten (wegen der Einzelh. vgl. Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., Vorb. 4.1 VV Rn 4 ff.). Praxishinweis: Anwendung findet ggf. auch Vorb. 4 Abs. 5 VV RVG (Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O.) . |
Entsteht für den in strafprozessähnlichen Verfahren tätigen Rechtsanwalt auch die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG? | Ja, der Rechtsanwalt erhält für die (erstmalige) Einarbeitung in das Verfahren die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG (Gerold/Schmidt/Burhoff, § 37 Rn. 5; AnwKomm-RVG/Wahlen, a.a.O., § 37 Rn. 11). Insoweit gelten hinsichtlich des Abgeltungsbereichs die allgemeinen Regeln (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, Nr. 4100 VV Rn. 1 ff. m.w.N.). |
Entsteht die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG auch für den Rechtsanwalt, der den Beschwerdeführer in einem dem Verfahren beim BVerfG vorausgehenden Verfahren vertreten hat? | Ja, es handelt sich nicht um denselben „Rechtsfall“ i.S. der Nr. 4100 VV RVG. Die Verfahrensgegenstände z.B. eines Strafverfahrens und einer nachfolgenden Verfassungsbeschwerde sind nicht gleich. |
Welche weiteren Gebühren können entstehen? | Neben der Grundgebühr entsteht die Verfahrensgebühr Nr. 4130 VV RVG und, wenn eine mündliche Verhandlung beim BVerfG stattgefunden hat, die Terminsgebühr Nr. 4132 VV RVG. Für den Abgeltungsbereich dieser Gebühren gelten die allgemeinen Regeln (vgl. dazu Burhoff, RVGreport 09, 443 und RVGreport 10, 3). |
Entstehen die Gebühren mit Zuschlag, wenn sich der Mandant nicht auf freiem Fuß befindet. | Ja, die Verweisung in § 37 Abs. 1 RVG erfasst auch die Zuschlagsregelung, sodass die Gebühren beim inhaftierten Mandanten nach den Nrn. 4101, 4131, 4133 VV RVG entstehen (allgemein zum „Haftzuschlag“ vgl. RVG prof. 10, 77). |
Kann in den strafprozessähnlichen Verfahren auch die „Vorverfahrensgebühr“ Nr. 4104 VV RVG entstehen, wenn der Rechtsanwalt in den Verfahren nach §§ 37, 45, 58 Abs. 1, 54 BVerfGG tätig ist? | Nein, bei diesen Verfahren handelt es sich nicht um Vorverfahren i.S. der Nr. 4104 VV RVG, sondern um gerichtliche Zwischenverfahren, die nach Anhängigkeit beim BVerfG durchgeführt werden (Gerold/Schmidt/Burhoff, § 37 Rn. 5; AnwKomm-RVG/Wahlen, a.a.O., § 37 Rn. 13). |
Entsteht ggf. die Nr. 4141 VV RVG? | Grundsätzlich kann auch diese Gebühr entstehen. Es muss aber dem Verfahren beim BVerfG ein der Anhängigkeit beim BVerfG vorbereitendes Verfahren vorausgehen (AnwKomm-RVG/Wahlen, a.a.O., § 37 Rn. 13). Das sind nicht die Verfahren nach §§ 37, 45, 58 Abs. 1, 54 BVerfGG. |
Welche Gebühren entstehen, wenn der Rechtsanwalt mehrere Personen vertritt? | Dann gilt die Nr. 1008 VV RVG. |
In welcher Höhe entstehen die Gebühren? | Für den Wahlanwalt entstehen Rahmengebühren für deren Bemessung die allgemeinen Regeln gelten. Für den beigeordneten Rechtsanwalt entstehen die im RVG vorgesehenen gesetzlichen Gebühren. |