Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.08.2006 | Vergütungsvereinbarungen

    Formvorschriften und Wirksamkeitsvoraussetzungen

    von RA U.W. Hauskötter, Dortmund

    In der letzten Ausgabe von „RVG professionell” haben wir über die Formerfordernisse von Vergütungsvereinbarungen berichtet (Hauskötter, RVG prof. 07, 109 und 112; zu Vergütungsvereinbarungen gemäß den „Thesen zu Vergütungsvereinbarungen“ vgl. auch RVG prof. 06, 73 und 94). Der folgende Beitrag zeigt auf, in welchen Fällen Vergütungsvereinbarungen sittenwidrig sind und was im Hinblick auf AGB-Recht zu beachten ist.  

     

    Checkliste: Sittenwidrige Vergütungsvereinbarungen
    • Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB: Eine Vergütungsvereinbarung kann nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein, wenn der Anwalt eine Zwangslage des Mandanten geschaffen hat oder ausnutzt, ohne dass die vereinbarte Vergütung auffällig hoch sein müsste. Die „Thesen“ nennen als Beispiel den Fall, wenn unmittelbar vor dem Plädoyer oder unmittelbar nach der Verhaftung des Mandanten die Unterschrift unter einer Vergütungsvereinbarung verlangt wird.

     

    • Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 2 BGB: Eine Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 2 BGB ist möglich bei einer Vergütungsvereinbarung, bei der ein auffälliges Missverhältnis zwischen der versprochenen Leistung des Anwalts einerseits und der Vergütung andererseits vorliegt und zusätzliche subjektive Momente hinzutreten, insbesondere eine verwerfliche Gesinnung des Anwalts, der eine Notlage oder eine Unterlegenheit des Auftraggebers bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt.

     

    Die „Thesen“ sehen ein objektiv auffälliges Missverhältnis i.S. von § 138 Abs. 2 BGB nicht zwingend darin, dass die Vergütung unangemessen hoch i.S. von § 4 Abs. 4 RVG ist. Die „unangemessene Höhe“ und das für die Sittenwidrigkeit erforderliche „auffällige Missverhältnis“ sind unterschiedliche Wertungen. Der BGH macht allerdings in seiner Entscheidung vom 27.01.05 (NJW 05, 2142) keine großen Unterschiede zwischen den beiden Prüfungsmaßstäben. Ein Unterschied bleibt aber bestehen: Bei der Prüfung des „auffälligen Missverhältnisses“ ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich. Die Prüfung der „unangemessenen Höhe“ i.S. von § 4 Abs. 4 RVG stellt dagegen auf den Zeitpunkt der Vertragsbeendigung ab.

     

    Grundsätzlich besteht zwar eine Vermutung, dass bei auffälligem Missverhältnis zwischen Anwaltsleistung einerseits und Vergütungsvereinbarung andererseits der Anwalt bewusst seine Überlegenheit zu seinem Vorteil ausgenutzt hat. Diese Vermutung ist aber widerlegbar, z.B. wenn der Auftraggeber
    • in keiner Notlage war,
    • ein erfahrener Unternehmer ist oder
    • durch weitere Anwälte vertreten wurde.

     

    • Folgen der Sittenwidrigkeit: Ein Verstoß gegen § 138 BGB führt zur Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung. Dies betrifft regelmäßig aber nicht den Anwaltsvertrag selbst.

     

    Folge: Es wird zumindest die gesetzliche Vergütung geschuldet. Anders als bei der „unangemessenen Vergütung“ i.S. von § 4 Abs. 4 RVG erfolgt keine Herabsetzung der vereinbarten Vergütung auf den Betrag, der noch mit dem Sittengesetz vereinbar wäre, aber über der gesetzlichen Vergütung liegt.
     

    Checkliste: Anforderungen an Vergütungsvereinbarungen nach AGB-Recht
    • Anwendungsbereich des AGB-Rechts: Aus dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) ergeben sich Besonderheiten für Vergütungsvereinbarungen. Bei Verbraucherverträgen gilt ein strengerer Maßstab aus § 310 Abs. 3 BGB mit der Vermutung, dass die Vertragsbedingungen vom Anwalt gestellt worden sind. Vertragsbedingungen sind auch vorformuliert, wenn sie nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind.

     

    Ausnahme: Der Verbraucher konnte auf den Inhalt Einfluss nehmen. Bei Vergütungsvereinbarungen mit Unternehmern finden zwar die einzelnen Klauselverbote keine Anwendung. Eine ähnliche Rechtsfolge ergibt sich aber häufig aus dem Verbot der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 BGB, der auch für Unternehmerverträge gilt. Generell gilt auch bei Unternehmerverträgen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, d.h. Bestimmungen, die nicht klar und verständlich sind, können eine unangemessene Benachteiligung darstellen und damit unwirksam sein.

     

    Die Unterscheidung zwischen Verbraucher und Unternehmer ergibt sich aus §§ 13, 14 BGB. Für den Anwaltsvertrag ist die Abgrenzung derzeit noch nicht eindeutig geklärt, insbesondere bei einem Arbeitnehmer, der sich arbeitsrechtlich beraten lassen will.

     

    • Unangemessene Benachteiligung, § 307 BGB: Der Auftraggeber darf durch die Vergütungsvereinbarung entgegen dem Gebot von Treu und Glauben nicht unangemessen benachteiligt werden. Eine unangemessene Benachteiligung kommt in Betracht, wenn eine Vertragsbestimmung nicht mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, zu vereinbaren ist.

     

    Grundsätzlich gilt diese Vorschrift nicht für die Regelung von Leistung und Gegenleistung, insbesondere also für eine vereinbarte Vergütung. Trotzdem hat die Rechtsprechung die Frage der unangemessenen Benachteiligung in vergleichbaren Fällen von gesetzlichen oder durch Rechtsverordnung bestimmten Gebührenordnungen geprüft und bejaht z.B. für eine von der
    • Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) abweichende Honorarvereinbarung (BGH NJW 98, 1786),

     

    Eine ähnliche Überprüfung durch die Gerichte auch bei anwaltlichen Vergütungsvereinbarungen ist daher nicht unwahrscheinlich. Deshalb ist darauf zu achten, dass im Einzelfall eine Vergütungsvereinbarung den Auftraggeber nicht unangemessen i.S. von § 307 BGB benachteiligt.

     

    Regelmäßig ist dies unproblematisch, wenn
    • zum einen die vereinbarte Vergütung unter Berücksichtigung aller Umstände nicht unangemessen hoch ist (§ 4 Abs. 4 RVG) und
    • zum anderen auch ein nachvollziehbarer Anlass für den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung und damit auch für das Abweichen von einer gesetzlichen Regelung bestand. Die „Thesen“ empfehlen deshalb, den Anlass für die Vergütungsvereinbarung zu dokumentieren.

     

    • Einzelne AGB-rechtliche problematische Klauseln:

     

    • Vorzeitige Beendigung des Mandats: Grundsätzlich lässt § 627 BGB die jederzeitige Kündigung eines Anwaltsvertrags zu, es sei denn, es liegt ein Dauerschuldverhältnis mit festen Bezügen vor. Dazu enthält § 628 BGB eine gesetzliche Regelung, nach der dem Anwalt bei zulässiger Kündigung ein seinen bisherigen Leistungen entsprechender Teil der Vergütung zusteht. Dieses Prinzip kann durch AGB grundsätzlich nicht abgeändert werden.

     

    Außerdem sind für diese Situation zu beachten: § 308 Nr. 7 BGB – Verbot einer unangemessen hohen Vergütung für die erbrachte Leistung im Falle der Kündigung; § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB – Allgemeines Verbot unangemessener Benachteiligung in Abweichung von der gesetzlichen Regelung.

     

    • Erleichterter Nachweis der anwaltlichen Tätigkeit: Bei einer Stundensatzvereinbarung lässt sich der Nachweis der geleisteten Stunden im Streitfall durch eine AGB-Klausel nicht lösen. Eine Umkehr der Beweislast in dem Sinne, dass der Auftraggeber die Unrichtigkeit der Abrechnung beweisen müsse, verstößt gegen § 309 Nr. 12a BGB.

     

    Auch eine Klausel, nach der die abgerechneten Stunden als anerkannt gelten, wenn der Auftraggeber nicht binnen einer bestimmten Frist widerspricht, könnte als eine die Beweislast umkehrende Regelung und damit als Verstoß gegen § 309 Nr. 12a BGB angesehen werden oder kann gegen das allgemeine Benachteiligungsverbot aus § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB verstoßen. In jedem Fall muss § 308 Nr. 5 BGB beachtet werden und bei einem fingierten Anerkenntnis des Auftraggebers ihm eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt werden. Außerdem muss sich der Klauselverwender verpflichten, den Auftraggeber bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen.

     

    • Anwaltsvertrag als Dauerschuldverhältnis: Bei Anwaltsverträgen im Dauerschuldverhältnis (z.B. Übernahme sämtlicher außergerichtlicher Tätigkeiten für ein bestimmtes Pauschalhonorar) ist § 309 Nr. 9 BGB zu beachten:

     

    • die bindende Laufzeit darf zwei Jahre nicht übersteigen,
    • die stillschweigende Verlängerung um mehr als ein Jahr ist unzulässig,
    • die Kündigungsfrist darf nicht länger als drei Monate betragen.

     

    • Preiserhöhungsklauseln: Unzulässig sind Preiserhöhungsklauseln, die sich auf Vergütungen für Leistungen innerhalb der ersten vier Monate nach Vertragsschluss beziehen, insbesondere vertragliche Vereinbarungen über die Weitergabe von Umsatzsteuererhöhungen. Bei zulässigen Preiserhöhungsklauseln, die eine Anhebung als vereinbart fingieren, wenn der Auftraggeber einem vom Anwalt verlangten Betrag nicht widerspricht, ist wieder § 308 Nr. 5 BGB zu beachten.

     

    • Ausländisches Vergütungsrecht: Ausländisches Anwaltsvergütungsrecht kann nur in Ausnahmefällen vereinbart werden. Bei Verbraucherverträgen ergibt sich die Unzulässigkeit nach Art. 29a, 29 EGBGB, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Bei Unternehmerverträgen regelt Art. 27 Abs. 3 EGBGB, dass ein Abweichen von zwingenden deutschen Bestimmungen unzulässig ist, wenn der Anwaltsvertrag keinen Auslandsbezug hat.
     

     

    Quelle: Ausgabe 08 / 2006 | Seite 131 | ID 91925