01.09.2007 | Verkehrsunfallschadenregulierung
Anfall der Einigungsgebühr bei Regulierung von Verkehrsunfallsachen
Wird der Anwalt im Rahmen eines Verkehrsunfallmandats beauftragt, den Schaden des Mandanten bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung (HV) geltend zu machen, muss diese die Kosten der anwaltlichen Tätigkeit ebenfalls erstatten, da diese grundsätzlich zum ersatzfähigen Schaden gemäß § 249 BGB gehören (BGHZ 127, 348). Neben der Geschäftsgebühr von 0,5 bis 2,5 nach Nr. 2300 VV RVG entsteht oft auch eine 1,5 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG, wenn über die Höhe des zu ersetzenden Schadens zwischen dem Anwalt und der HV ein sog. Einigungsvertrag i.S. von Nr. 1000 VV RVG geschlossen wird. In welchen Fällen eine Einigung vorliegt und damit die Einigungsgebühr anfällt oder nur eine Abrechnung der geltend gemachten Schadenspositionen ohne Anfall der Einigungsgebühr vorliegt, soll anhand nachstehender Beispiele verdeutlicht werden.
Beispiel 1: Abrechnung gegenüber dem Mandanten | ||||||||||||||||||
Rechtsanwalt R erhält den Auftrag, einen Unfallschaden bei der HV geltend zu machen. Der materielle Schaden beläuft sich auf 2.000 EUR und wird von der HV vollständig bezahlt. Über die Höhe des geforderten Schmerzensgeldes von 1.000 EUR besteht jedoch Uneinigkeit. Zunächst zahlt die HV darauf 500 EUR, nach weiteren Verhandlungen wird zur vergleichsweisen Erledigung ein weiterer Betrag von 250 EUR gezahlt. Es wird von einer durchschnittlichen Tätigkeit ausgegangen. Welche Gebühren kann R dem Mandanten M gegenüber abrechnen?
Lösung: R kann aus einem Gegenstandswert von 3.000 EUR (2.000 EUR + 1.000 EUR) folgende Gebühren gegenüber M abrechnen.
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Hier ist eine Einigungsgebühr entstanden, da durch Einigungsvertrag über die Höhe des Schmerzensgeldes insoweit ein Streit bzw. eine Unsicherheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt worden ist. Die Einigungsgebühr kann jedoch nur aus dem Wert berechnet werden, über den auch tatsächlich ein Streit oder eine Ungewissheit bestanden hat. Keinesfalls kann der Gesamtstreitwert von 3.000 EUR in Ansatz gebracht werden. Die materiellen Schadenspositionen von 2.000 EUR, wie auch die Haftungsquote waren unstreitig und wurden auch gezahlt. Lediglich über die Höhe des Schmerzensgeldes bestand Uneinigkeit, sodass auch nur aus diesem Wert eine Einigungsgebühr entstehen kann. Nur bezogen auf diesen Wert wurde eine nach Nr. 1000 VV RVG erforderliche Mitwirkung des Anwalts am Abschluss des Einigungsvertrags entfaltet.
Von der Abrechnung der Gebühren gegenüber dem Mandanten ist jedoch zu unterscheiden, in welcher Höhe die HV zur Erstattung der Anwaltskosten verpflichtet ist. Wie der BGH (NJW 70, 1122) bereits entschieden und nochmals bestätigt hat (RVG prof. 05, 137, Abruf-Nr. 050824) sind die Ansprüche auf Erstattung der Anwaltsgebühren auf den Geschäftswert beschränkt, der der letztlich festgestellten oder unstreitig gewordenen Schadenshöhe entspricht. Damit wäre die HV im Beispiel nur zur Erstattung der Einigungsgebühr aus dem Wert von 750 EUR verpflichtet.
Abwandlung: Erstattung durch die HV | ||||||||||||||||||
Im Beispiel 1) beträgt der Gegenstandswert bei der Abrechnung gegenüber der HV 2.750 EUR (2.000 EUR + 750 EUR).
Die HV muss 432,21 EUR erstatten. |
Zahlt die HV auf die geltend gemachten Schadenspositionen nur einen Teilbetrag und ist der Geschädigte damit einverstanden, fällt keine Einigungsgebühr an. Nach Nr. 1000 VV RVG ist im Gegensatz zu § 23 BRAGO für den Anfall der Einigungsgebühr nicht mehr erforderlich, dass ein Vergleich i.S. von § 779 BGB geschlossen wurde, der ein gegenseitiges Nachgeben erfordert. Allerdings schließt Abs. 1 der Anm. zu Nr. 1000 VV RVG die Gebühr aus, wenn ein einseitiger Verzicht oder ein Anerkenntnis vorliegt.
Hier ist nach der Entscheidung des BGH nicht von einer Einigung der Parteien auszugehen (RVG prof. 07, 37, Abruf-Nr. 063650). Vielmehr will die HV mit der Zahlung den von ihr objektiv für gerechtfertigt erachteten Schaden ausgleichen. Es handelt sich nur um ein reines Abrechnungsschreiben, nicht aber um ein Angebot zur Einigung auf einen geringeren Schadensbetrag. Daher kann auch das erklärte Einverständnis des Geschädigten mit der geringeren Schadenssumme nicht als Annahme eines Angebots auf Abschluss eines Einigungsvertrags gewertet werden. Vielmehr ist hier von einem einseitigen Verzicht des Geschädigten auf weitere Schadensbeträge auszugehen und der Anfall einer Einigungsgebühr daher nicht gegeben.
Beispiel 2: Einverständnis mit gezahltem Schmerzensgeld | |||||||||||||||
R erhält den Auftrag, einen Unfallschaden bei der HV geltend zu machen. Den materiellen Schaden von 2.000 EUR hat die HV erstattet. Weiterhin begehrt M ein Schmerzensgeld von 1.000 EUR, auf das die HV 750 EUR zahlt. M erklärt, dass er mit dieser Zahlung zur Abgeltung seiner Schmerzensgeldansprüche einverstanden ist. Welche Gebühren kann R bei einer durchschnittlichen Tätigkeit abrechnen? Der Gegenstandswert beträgt 3.000 EUR (2.000 EUR + 1.000 EUR).
R kann gegenüber M insgesamt 316,18 EUR abrechnen. |
Abwandlung: Erstattung durch HV | |||||||||||||||
Im Beispiel 2 beträgt der Gegenstandswert bei der Abrechnung gegenüber der HV 2.750 EUR (2.000 EUR + 750 EUR).
Die HV muss 316,18 EUR erstatten. |
Praxishinweis: Wie der Vergleich der beiden aufgezeigten Beispiele zeigt, ist es immer gebührenrechtlich lohnenswert, nach der ersten Zahlung des Versicherers noch einmal nachzuverhandeln (Mitwirkung des Anwalts), um so eine weitere Zahlung zu erreichen. Selbst wenn der weitere Schadensbetrag nur gering ist, kann dann von einer Einigung aus dem Erledigungswert ausgegangen und die Einigungsgebühr in Ansatz gebracht werden.