30.04.2008 | Verkehrsunfallschadenregulierung
Grundsätze für die Gebührenbestimmung bei Verkehrsunfallmandaten
Die Abteilung für Gebühren und Gutachten im Vorstand der RAK Kassel (Abruf-Nr. 081104) hat im Rechtsstreit vor dem LG Marburg (5 S 37/06, n.v.) ein Gebührengutachten erstellt, das interessante Ausführungen zur Gebührenbestimmung bei Verkehrsunfallmandaten enthält. Dazu im Einzelnen:
Anlass für die Erstellung des Gutachtens war der zwischen den Prozessparteien herrschende Streit, ob der Anwalt der Beklagten berechtigt war, für seine außergerichtliche Tätigkeit bei einer Unfallschadenregulierung eine 1,5 Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG a.F. (jetzt: Nr. 2300 VV RVG) in Rechnung zu stellen. Streitig war, ob die Voraussetzungen der Anm. zu Nr. 2400 VV RVG a.F. erfüllt waren. Sonst hätte eine Begrenzung auf den Schwellenwert von 1,3 erfolgen müssen. Die RAK Kassel führt zur Bestimmung der konkreten Geschäftsgebühr im Einzelfall folgendes zweistufiges Verfahren durch.
Checkliste: Zweistufiges Prüfverfahren nach RAK Kassel |
1. Zunächst ist zu prüfen, ob die Gebühr in Höhe des Schwellenwerts von 1,3 gefordert werden kann, weil ein regelmäßiger und durchschnittlicher Arbeitsumfang vorliegt. Dieser sog. „Tätigkeitskern“ werde abgedeckt, wenn kumulativ
Praxishinweis: Da die RAK Kassel sich mit der Frage beschäftigt hat, ob eine 1,3 oder eine 1,5 Geschäftsgebühr abgerechnet werden konnte, ist sie auf die unterdurchschnittlichen Fälle nicht weiter eingegangen. Weist die Tätigkeit des Anwalts bei der Unfallregulierung folgende Merkmale auf:
dürfte nur eine 0,8 bis 0,9 Geschäftsgebühr abgerechnet werden können (LG Coburg VersR 05, 1101; AG Gronau JurBüro 05, 194; AG Gütersloh JurBüro 05, 363; AG Duisburg-Hamborn VersR 05, 853; AG Osnabrück JurBüro 05, 308).
2. Wird der „Tätigkeitskern“ abgedeckt, muss nach den Ausführungen der RAK Kassel weiter geprüft werden, ob die Angelegenheit darüber hinaus umfangreich oder schwierig war. Einen abschließenden Katalog von Kriterien oder einen Mindeststandard, der erfüllt sein muss, um eine Tätigkeit regelmäßig als umfangreich oder schwierig zu qualifizieren, hat die RAK Kassel nicht aufgestellt. Sie weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass diese Tatbestandsvoraussetzungen im jeweiligen Einzelfall anhand des Parteivortrags bewertet werden müssten, da zu viele verschiedene Kriterien denkbar seien, die hier eine Rolle spielen könnten.
Im konkreten Rechtsstreit, welcher der Gutachtenerstattung zugrunde lag, wurden bestimmte Tätigkeiten des Beklagtenvertreters (Beratung über Art der Schadensfeststellung, über Art und Risiken einer Nutzungsausfallentschädigung, über die Mehrwertsteuer- und Totalschadenproblematik, Ermittlung des Haftpflichtversicherers) noch dem regelmäßigen Bearbeitungsumfang („Tätigkeitskern“) zugeordnet, so dass sie nicht den Ansatz einer Mittelgebühr rechtfertigen konnten. Aufgrund eines darüber hinaus erfolgten umfangreichen Schriftverkehrs und mehrerer Besprechungstermine mit dem Mandanten sowie mit einer Zeugin, war nach Ansicht der Kammer eine 1,5 Geschäftsgebühr im konkreten Fall jedoch nicht zu beanstanden.
Praxishinweis: Den Ausführungen des Gutachtens ist darin zuzustimmen, dass ein abschließender Katalog von Umständen, bei deren Vorliegen die Angelegenheit regelmäßig als umfangreich bzw. schwierig einzustufen ist, nicht aufgestellt werden kann. Dazu ist die anwaltliche Tätigkeit zu vielschichtig. Sicherlich kann man jedoch einen beispielhaften Katalog von Einzelumständen aufstellen, der in der Praxis als Orientierung dient. Solche Einzelumstände können z.B. sein:
Liegen mehrere dieser Umstände vor, kann eine Geschäftsgebühr in Höhe der Mittelgebühr von 1,5 oder darüber hinaus als angemessen angesehen werden. |
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