Es besteht ein Anspruch auf Erstattung der 1,3 Geschäftsgebühr (Nr. 2400 VV RVG) für die außergerichtliche Anwaltstätigkeit. Nr. 2400 VV RVG sieht einen Rahmen von 0,5 bis 2,5 vor, die Mittelgebühr beträgt 1,5. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann aber nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Hinsichtlich Umfang und Schwierigkeit ist nach der Gesetzesbegründung im Durchschnittsfall eine Gebühr von 1,3 anzusetzen. Damit sollte hierfür aber kein Rahmen von 0,5 bis 1,3 geschaffen werden. Vielmehr soll eine 1,3 Gebühr anfallen (AG Bielefeld 22.12.04, 41 C 1221/04, Abruf-Nr. 050328, so u.a. auch AG Frankenthal 10.1.05, 3 c C 252/04, Abruf-Nr. 050532; AG Ingolstadt 11.1.05, 10 C 1856/04, Abruf-Nr. 050774; AG Köln 4.3.05, 266 C 558/04, Abruf-Nr. 051012). Beim Gebührensatzrahmen bestimmt der Anwalt die Gebühr gemäß § 14 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Auch kann das besondere Haftungsrisiko des Anwalts herangezogen werden. Sind alle Merkmale des § 14 RVG als durchschnittlich zu bewerten, steht dem Anwalt die sog. Mittelgebühr zu. Diese Gebühr ist angemessen zu ermäßigen oder zu erhöhen, wenn einzelne Merkmale als unter- oder überdurchschnittlich zu bewerten sind. Dem Auftraggeber gegenüber ist hierbei jede Bestimmung des Anwalts, die keinen Ermessensmissbrauch darstellt, verbindlich. Das Gericht kann dies nur in den Grenzen des § 315 Abs. 1, 3 BGB überprüfen. - Ausführliche Erörterung der Sach- und Rechtslage: Selbst aber, wenn bei nicht schwierigen und nicht umfangreichen Tätigkeiten die Mittelgebühr 0,9 betrüge, wäre die Gebühr von 1,3 unter Berücksichtigung der Bemessungskriterien des § 14 RVG angemessen. Denn der Bevollmächtigte des Klägers hat gemäß dem nicht ausreichend bestrittenen Klagevortrag dem Sachbearbeiter der Beklagten ausführlich die Sach- und Rechtslage erörtert (AG Gießen 1.2.05, 46 C 2379/04, Abruf-Nr. 050412).
- Toleranzgrenze von 20 Prozent: Bei der Abwicklung eines üblichen Verkehrsunfalls handelt es sich grundsätzlich um eine durchschnittliche Angelegenheit, bei der der Mittelwert zu Grunde zu legen sein dürfte (so auch AG Heidelberg 21.1.05, 26 C 507/04, Abruf-Nr. 050326, das in diesen Fällen ebenfalls die 1,3 Gebühr billigt). Eine solche Gebühr ist nicht ermessensmissbräuchlich. Das wäre der Fall, wenn alle maßgeblichen Umstände eine Gebühr im unteren Bereich rechtfertigen würden. Liegen Umfang und Schwierigkeit der Anwaltstätigkeit im unteren Bereich, lässt allein dies noch nicht den Schluss auf eine ermessensmissbräuchliche Bestimmung zu. Denn es ist nicht ersichtlich, dass auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers oder die Bedeutung der Angelegenheit für ihn ebenfalls für eine niedrigere Gebühr sprechen würden (vgl. AG Bielefeld 22.12.04, 41 C 1221/04, Abruf-Nr. 050328). Das Gericht befindet allein darüber, ob der Anwalt bei seiner nach § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen vorzunehmenden Bestimmung der Gebühr die ihm zuzubilligende Toleranzgrenze von 20 Prozent überschritten hat (zur Toleranzgrenze auch AG Aachen 20.12.04, 84 C 591/04, Abruf-Nr. 050351 und AG Kehlheim 17.12.05, 3 C 929/04, Abruf-Nr. 050051;AG Bersenbrück 8.3.05, 4 C 62/05 (VIII), Abruf-Nr. 050947). Dies ist nicht der Fall. Im Übrigen könnte man, wenn man den Beklagtenvortrag hinsichtlich des Bearbeitungsaufwands als zutreffend unterstellt, vielleicht von einer unterdurchschnittlich schwierigen, aber nicht unbedingt von einer Tätigkeit einfachster Natur ausgehen, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt kein Ermessensmissbrauch vorliegt.
Dem steht auch nicht entgegen, dass sich hierdurch die anwaltliche Vergütung übermäßig erhöht. Denn bei Verkehrsunfallregulierungen nach der BRAGO wurde für die Geschäfts- und Besprechungsgebühr regelmäßig eine Mittelgebühr von insgesamt 15/10 angesetzt. Der Umstand, dass nun in der Regel eine 1,3 Geschäftsgebühr angesetzt wird, ist wegen des anwaltlichen Ermessensspielraums nicht zu beanstanden (AG Delbrück 8.2.05, 2 C 427/04, Abruf-Nr. 050603). - Wegfall der Besprechungsgebühr: Zu beachten ist, dass die Besprechungsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) weggefallen ist. Gerade bei der Verkehrsunfallschadenregulierung ist diese jedoch fast regelmäßig angefallen, insbesondere bei Regulierungsgesprächen mit dem Versicherer, bei Anfragen bei Sachverständigen, Zeugen, Werkstätten etc. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit einer einheitlichen Geschäftsgebühr gerade die Förderung der außergerichtlichen Unfallschadenregulierung ohne Rücksicht auf die Kosten eines Telefonats. Daraus ergibt sich, dass die Mittelgebühr von 1,5 nicht den Wert unterschreiten kann, der nach der BRAGO der Summe von Geschäftsgebühr und Besprechungsgebühr entspricht (AG Gelsenkirchen 1.2.05, 32 C 4/05, Abruf-Nr. 050556).
- Zügige Verkehrsunfallabwicklung: Auch im Fall einerzügigen Schadensregulierung eines Sachschadens ohne Besprechung(en) ist eine 1,3 Geschäftsgebühr gerechtfertigt. Denn darin liegt eine durchschnittliche Angelegenheit. Die Geschäftsgebühr wird mit der ersten Tätigkeit des Anwalts ausgelöst, in der Regel mit der Entgegennahme der Informationen (Vorbem. 4.2 Abs. 2 VV RVG). Es entspricht dem Wesen jeder Unfallabwicklung, dass der Anwalt im Vorfeld der Bezifferung des Schadens vielfältige Tätigkeiten erbringt. In der Regel ist die Haftpflichtversicherung des Schädigers zu ermitteln, es sind mit dem Geschädigten die Vielzahl der möglichen Schadenspositionen mit den jeweiligen Besonderheiten zu klären. Der Anwalt ist gehalten, Hinweise auf die Schadensminderungspflicht der Geschädigten zu erteilen. Danach erst erfolgt die Bezifferung des Schadens gegenüber der Haftpflichtversicherung mit entsprechendem Schriftwechsel bis zur endgültigen Schadensregulierung. Diese Gesamttätigkeit rechtfertigt mindestens die Regelgebühr, wenn keine weiteren Besonderheiten hinzutreten (AG Landstuhl 23.11.04, 4 C 189/04, Abruf-Nr. 050208, NJW 05, 161; so auch AG Bielefeld 16.2.05, 17 C 52/05, Abruf-Nr. 050602; AG Saarlouis 28.2.05, 30 C 2003/04, Abruf-Nr. 050773; AG Lebach 18.3.05, 3B C 803/04, Abruf-Nr.051011; AG Hamburg 16.3.05, 20 A C 520/04, Abruf-Nr. 050995; AG Köln 15.3.05, 123 C 654/04, Abruf-Nr. 050950).
Soweit die Beklagten vortragen, bei einer 0,8 Geschäftsgebühr statt einer 7,5/10-Gebühr nach der BRAGO ergäbe sich eine Gebührenerhöhung von ca. 7 Prozent, beim Ansatz von 1,3 sogar von ca. 13 Prozent (Anmerkung: Gemeint sein dürften ca. 73 Prozent), führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Das RVG enthält eine völlig neue Gebührenstruktur: Gebührenminderungen in einzelnen Teilbereichen, z.B. durch Wegfall der Besprechungs- und Beweisgebühr, werden durch Gebührenerhöhungen in anderen Bereichen kompensiert. Das RVG ist ein Gesamtregelwerk, das nach dem Willen des Gesetzgebers die Anwaltsgebühren anheben wollte, und zwar nicht durch eine lineare Anpassung (Härtung, NJW 04, 1409). Eine isolierte Betrachtungsweise einer einzelnen Regelung, die den Gesamtcharakter des Regelwerks außer Acht lässt, verbietet sich daher (AG Landstuhl, 23.11.04, 4 C 189/04, Abruf-Nr. 050208; so auch AG Saarlouis 28.2.05, 30 C 2003/04, Abruf-Nr. 050773; AG Gelsenkirchen, 1.2.05, 32 C 4/05, Abruf-Nr. 050556). - Einfache Regulierungssachen: Der Anwalt hat auch in sog. einfachen Regulierungssachen einen Anspruch auf eine 1,3 Gebühr (Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 16. Aufl., Nr. 2400 bis 2403 VV RVG Rn. 96). Dieses Verständnis des Zusammenspiels vom Mittelwert und den Anmerkungen zu Nr. 2400 VV RVG entspricht dem Willen des Gesetzgebers (AG Karlsruhe 4.3.05, 11 C 570/04, Abruf-Nr. 050712 und 14.12.04, 5 C 440/04, Abruf-Nr. 050025; AG Iserlohn 11.2.05, 40 C 463704, Abruf-Nr. 050558; AG Bielefeld 18.3.05, 42 C 878/04, Abruf-Nr. 050948; AG Kaiserslautern 30.3.05, 8 C 338/05, Abruf-Nr. 051014;AG Dillingen a. d. Donau 17.3.05, 2 C 0045/05, Abruf-Nr. 050996;AG München 29.3.05, 322 C 39362/04, Abruf-Nr. 051013;AG Hannover 25.2.05, 515 C 16551/04, Abruf-Nr. 051060). Der Anwalt muss den Rahmen nach unten hin nicht „ausschöpfen“ (AG Lörrach 15.2.05, 4 C 2400/04, Abruf-Nr. 050557; AG Stuttgart 24.2.05, 45 C 9123/04, Abruf-Nr. 050655; AG Lüdenscheid 30.12.04, 92 C 321/04, Abruf-Nr. 050352).
- Verständigungsprobleme mit dem Mandanten: Es ist von einer 1,3 Gebühr auszugehen. Das Anwaltsschreiben ist vier Seiten lang und setzt sich umfangreich mit der Sache und Rechtslage auseinander, wobei auch Urteile zitiert werden. Es waren längere Besprechungen mit dem Kläger erforderlich, auch wegen Verständigungsschwierigkeiten, da dieser die deutsche Sprache nur eingeschränkt beherrscht (AG Pinneberg 21.2.05, 69 C 268/04, Abruf-Nr. 050711).
- Zeitaufwand/Ermittlung des Nutzungsausfalls/Einkommen des Mandanten: Der Anwalt konnte den Zeitaufwand des Mandats berücksichtigen. Er musste auch den Nutzungsausfall ermitteln, der sich nicht aus den verfügbaren Listen ergab. Wegen der Überprüfung des von dem Sachverständigen angegebenen Minderwerts hat er eine entsprechende, sämtliche Schadenspositionen umfassende Zahlungsaufforderung gefertigt. Er hat zutreffend auch die Schwierigkeit seiner Tätigkeit berücksichtigt. Hierbei hat er die Haftungsfrage geklärt. Auch hat er den Schadensumfang ermittelt und geltend gemacht. Das Jahreseinkommen des Klägers ist mit 75.000 EUR überdurchschnittlich, was der Anwalt ebenfalls berücksichtigen musste. Für die gleiche Leistung muss ein wirtschaftlich gut gestellter Auftraggeber eine höhere Vergütung entrichten als ein wenig bemittelter Mandant (AG Aachen 20.12.04, 84 C 591/04, Abruf-Nr. 050351; so auch AG Brakel 16.3.05, 7 C 530/04,Abruf-Nr. 050949, das daneben auch die Zahlungsfähigkeit des Anspruchsgegners berücksichtigt).
- Reparatur/Abrechnung auf Totalschadenbasis: Die Bestimmung der Gebühr entspricht billigem Ermessen: Zu beachten war, dass der Anwalt mit der Klägerin klären musste, ob unter Berücksichtigung der Schadenshöhe eine Reparatur erfolgen sollte, oder ob es bei der Abrechnung auf Totalschadenbasis verbleiben sollte (AG Aachen 27.12.04, 84 C 576/04, Abruf-Nr. 050356).
- Verdienstausfallschaden: Das Gericht hält die Abwicklung einer Verkehrsunfallsache nicht für eine grundsätzlich leichte Angelegenheit. Dies zeigt sich hier, wo neben dem Sachschaden ein Verdienstausfallschaden zu prüfen war (AG Hamburg-Barmbek 18.1.05, 814 C 328/04, Abruf-Nr. 050466).
- Mithaftung des Mandanten: Der Anwalt musste den Anspruch des Klägers dem Grunde und der Höhe nach überprüfen, weil eine Mithaftung des Klägers gegeben war und Einwendungen zur Höhe des Schadens gemacht wurden. Es versteht sich daher von selbst, dass der Anwalt dafür eine 1,3 Gebühr nach Nr. 2400 VV RVG fordern kann (AG Jülich 13.12.04, 4 C 447/04, Abruf-Nr. 050210).
- Erstattung außergerichtlicher Gutachterkosten: Es handelt sich um eine durchschnittliche Angelegenheit schon deshalb, weil bei unfallbedingten Wiederherstellungskosten in Höhe von 1.251,10 EUR fraglich sein konnte, ob auch die vorgerichtlichen Gutachtenkosten in Höhe von 274,22 EUR zu erstatten sind, weil die Höhe der Wiederherstellungskosten im Grenzbereich liegen, bei dem teilweise in der Rechtsprechung die Gutachterkosten voll in Ansatz zu bringen sind, teilweise nach anderer Auffassung nicht (AG München 29.12.04, 343 C 32462/04, Abruf-Nr. 050353).
- Fiktive Abrechnung auf Gutachtenbasis: Für einen Durchschnittsgeschädigten kann die Unfallschadenregulierung keineswegs als einfacheAngelegenheit angesehen werden. Dies gilt selbst, wenn die Haftung dem Grunde nach unstreitig ist. Wie die vom Kläger vorgelegte Rechtsprechung zu Recht ausführt, wird die Berechnungsweise einzelner Schadenspositionen, z.B. bei einer fiktiven Abrechnung auf Gutachtenbasis, in Rechtsprechung und Literatur teilweise unterschiedlich beurteilt. Darüber hinaus erfordert die Begründung dieser Schadenspositionen Darlegungen, z.B. im Rahmen von Mietwagenkosten bzw. Nutzungsausfallentschädigung, die einem Laien keineswegs ohne Weiteres bekannt sind. Zur Geltendmachung des Schadens gegenüber einem mit der Kfz-Unfallregulierung vertrauten Versicherer sind daher juristische Kenntnisse zur sachgerechten Darlegung der Schadenshöhe zweckentsprechend (AG Nürnberg 3.2.05, 21 C 9007/04, Abruf-Nr. 050460).
- Differenzbesteuerung: Die Schadensabwicklung stellt sich als durchschnittliche Angelegenheit dar. Unstreitig haben drei Besprechungen mit dem Mandanten stattgefunden. Es waren die Frage der Differenzbesteuerungnach § 25a UStG für die Abwicklung des Totalschadens sowie weitere Schadenspositionen wie Nutzungsausfall und Ummeldekosten mit dem Mandanten zu besprechen und für die Regulierung vorzubereiten (AG Nürnberg 3.2.05, 31 C 10208/04, Abruf-Nr. 050387).
- Kleinunfall: Auch die Regulierung eines Kleinunfalls erfordert eine sorgfältige Bearbeitung. Der Anwalt musste die vier Schadenspositionen auf ihre Schlüssigkeit prüfen. Er haftet für den zeitgerechten und gewissenhaften Forderungseinzug. Er muss dafür sorgen, dass die Schadenersatzbeträge an den richtigen Empfänger weitergeleitet werden (AG Coburg 3.3.05, 11 C 1347/04, Abruf-Nr. 050778).
- Massengeschäft: Da die Verkehrsunfallabwicklung als „Massengeschäft“ anzusehen ist, wird die Regelgebühr von 1,3 auf die überwiegende Anzahl von Schadensabwicklungen in Verkehrsunfallsachen zur Anwendung kommen (AG Hof 21.2.05, 12 C 1559/04, Abruf-Nr. 050808).
- Mangelndes Bestreiten: Da sich die Beklagten zur Frage des Umfangs und der Schwierigkeit nicht geäußert haben, ist insofern zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, dass die vom Anwalt angesetzte Schwellengebühr begründet war (AG Hagen 3.1.05, 19 C 572/04, Abruf-Nr. 050357).
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