01.02.2010 | Zusätzliche Gebühren
Einstellung des Strafverfahrens und Abgabe an die Verwaltungsbehörde
von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
Eine Zusatzgebühr nach Nr. 4141 VV RVG fällt nicht an, wenn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren durch die anwaltliche Mitwirkung eingestellt und die Sache zur Verfolgung der Tat als Ordnungswidrigkeit an die Verwaltungsbehörde abgegeben wird (BGH 5.11.09, IX ZR 237/08, Abruf-Nr. 100021). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Gegen den Kläger war wegen eines Verkehrsunfalls ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren anhängig. Dieses stellte die StA ein und gab die Sache an die für die Verfolgung der dem Kläger vorgeworfenen Tat als Ordnungswidrigkeit zuständige Verwaltungsbehörde ab. Der Verteidiger des Klägers rechnete gegenüber dem beklagten Rechtsschutzversicherer auch eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG für die Erledigung des Verfahrens ohne Hauptverhandlung ab. Diese ist ihm nicht gewährt worden.
Der Wortlaut der Vorschrift der Nr. 4141 VV RVG gibt für die Beantwortung der Frage, ob die Gebühr Nr. 4141 VV RVG entstanden ist, nichts her. Der Begriff „Verfahren“ in Nr. 4141 VV RVG kann als Oberbegriff verstanden werden, der sowohl das strafrechtliche Ermittlungsverfahren als auch das Bußgeldverfahren umfasst; er kann aber auch nur das strafrechtliche Ermittlungsverfahren meinen. Die systematische Stellung der Vorschrift im Teil 4 VV RVG, der mit „Strafsachen“ überschrieben ist, könnte dafür sprechen, dass der Begriff „Verfahren“ hier i.S. von „Strafverfahren“ unter Ausschluss der „Bußgeldverfahren“ verwandt wird. Zwingend ist dies aber nicht. § 17 Nr. 10 RVG, wonach das strafrechtliche Ermittlungsverfahren einerseits und ein nach dessen Einstellung sich anschließendes Bußgeldverfahren andererseits gebührenrechtlich verschiedene Angelegenheiten darstellen, hilft ebenfalls nicht weiter, weil Nr. 4141 VV RVG nicht auf den Abschluss der gebührenrechtlichen „Angelegenheit“ abstellt. Zudem erfordert der Sinn und Zweck der Vorschrift der Nr. 4141 VV RVG eine endgültige Einstellung „des Verfahrens“, und zwar ohne ein noch folgendes Bußgeldverfahren. Denn Sinn und Zweck der Regelung ist eine Vermeidung der Hauptverhandlung mit der dadurch für die Gerichte entstehenden Arbeitsbelastung. Wird das Verfahren nur wegen der Straftat eingestellt und die Sache dann an die Verwaltungsbehörde abgegeben, steht hingegen keineswegs fest, dass keine Hauptverhandlung stattfinden wird.
Praxishinweis
Der BGH hat sich der in dieser Frage in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Mindermeinung, die das Entstehen der Gebühr Nr. 4141 VV RVG verneint, angeschlossen (s. auch Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl. VV 4141 Rn. 4; AG Osnabrück VRR 08, 119 = RVGreport 08, 190; AG Dortmund 13.10.08, 411 C 3253/08, n.v.). A.A. waren in der Vergangenheit u. a. LG Osnabrück RVG prof. 08, 7; AG Saarbrücken AGS 07, 306 = RVG prof. 07, 118) und in der Literatur z.B. Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG 18. Aufl. VV 4141 Rn. 16 m.w.N.; Burhoff (Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldsachen 2. Aufl., ABC-Teil: Angelegenheiten [§§ 15 ff.]; Rn. 15 m.w.N.). Die Begründung des BGH ist nicht überzeugend und verkennt die Systematik des RVG. Bei dem in Nr. 4141 VV RVG genannten „Verfahren“ kann es sich nur um das „strafrechtliche (Ermittlungs)Verfahren“ handeln. Das Bußgeldverfahren ist davon - wie aus § 17 Nr. 10 RVG folgt - strikt getrennt. Allerdings nutzt es nach diesem Urteil wenig, in vergleichbaren Fällen die Gebühr Nr. 4141 VV RVG (weiterhin) geltend zu machen. Die Rechtsschutzversicherungen werden in Zukunft noch weniger als schon in der Vergangenheit bereit sein, sie zu bezahlen.
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