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  • · Fachbeitrag · Bagatellsachen

    Symbolischer Streitwert von einem Euro

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    Sachverhalt

    Das VG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Aus den bei­gezogenen ­Verwaltungsverfahrensakten und den Angaben des Klägers sei trotz einer Nachfrage des Gerichts nicht erkennbar gewesen, wogegen er sich zur Wehr ­setzen wolle. Der Kläger hat erfolglos die Verlegung der mündlichen ­Verhandlung beantragt und ist zu dieser Verhandlung nicht erschienen. Der ­Begründung, die der Kläger zu seinem Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Berufungszulassungsverfahren gegeben hat, sei zu ­entnehmen ­gewesen, dass er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der behördlichen Aufforderung zur Kontaktaufnahme mit dem Bezirksschornsteinfeger­meister ­begehrte. Der Kläger habe geltend gemacht, dass er sich nicht ­gegen die Pflicht zur Durchführung der Kehrarbeiten, sondern das „procedere“ ­gewandt habe. Das VG hat ergänzend darauf hingewiesen, dass die behörd­liche Aufforderung zeitlich überholt und erledigt sei, weil die ­Arbeiten ­inzwischen bereits vorgenommen worden seien. Zusammen mit dem klageabweisenden Urteil hat es den Streitwert nach § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 EUR festgesetzt. Gegen den Beschluss hat der Kläger erfolgreich ­Beschwerde beim VGH eingelegt. Der Streitwert sei zu hoch angesetzt ­worden.

     

    Entscheidungsgründe

    Der vom VG festgesetzte sogenannte Auffangwert von 5.000 EUR wird der ­erkennbar marginalen Bedeutung der Sache nicht gerecht. In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichts­barkeit ist, soweit nichts anderes ­bestimmt ist, nach § 52 Abs. 1 GKG der Streitwert nach der sich aus dem ­Antrag des Klägers für ihn ergebenden ­Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, wird nach § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5.000 EUR angenommen.

     

    Gemäß § 40 GKG ist hierbei der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung, die den Rechtszug einleite, maßgeblich. Vorliegend blieb zwar bis zur endgültigen Streitwertfestsetzung unklar, ­welches Rechtschutzziel der Kläger überhaupt verfolgte. Erst recht bestanden keine genügenden Anhaltspunkte für die Beurteilung der Bedeutung der ­Sache für den Kläger. Erkennbar war allerdings die - auch von seinem Standpunkt aus betrachtet - ganz geringfügige Bedeutung des Rechtsstreits.

     

    Der vom Kläger anhängig gemachte Rechtsstreit hat eine „Bagatelle“ ­betroffen, also eine ­Sache, um die zu prozessieren sich eigentlich „nicht lohnt“. Der Kläger hat bis heute nichts vorgetragen, was zumindest aus ­seiner Sichtweise gegen diesen Bagatellcharakter sprechen könnte.

     

    Für derartige „Bagatellen“ ist somit der Auffangwert von 5.000 EUR nicht ­gerechtfertigt. Vielmehr ist die Bedeutung der Sache in einem Streitwert­bereich anzusiedeln, bei dessen Ansatz nur die Mindestgebühr nach Anlage 2 zu § 34 GKG ausgelöst würde. Man könnte zwar danach den Streitwert auf 300 EUR festsetzen. Doch wäre dies ein willkürlich gegriffener Wert. Sach­gerecht ist ein symbolischer Streitwert von einem Euro. Dass auch in Bagatell­sachen nicht „kostenlos“ prozessiert werden kann, wird durch die genannte Mindestgebühr von (derzeit) 25 EUR (§ 34 Abs. 1 in Verbindung mit ­Anlage 2 zu § 34 GKG) sichergestellt.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung ist meines Erachtens unzutreffend und zählt zur Kategorie „Freie richterliche Rechtsschöpfung“ (in Bayern). Denn § 52 Abs. 1 GKG und § 52 Abs. 2 GKG stehen in einem Stufenverhältnis:

     

    • Zunächst muss das Gericht (versuchen), den Streitwert nach § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache (zu) bestimmen.

     

    • Ist das nicht möglich, weil der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist nach § 52 Abs. 2 GKG ein Regelstreitwert von 5.000 EUR anzunehmen.

     

    Schon die Formulierung des Abs. 2 „ist … anzunehmen“ spricht gegen die Auffassung des VGH, wonach der Auffangstreitwert von 5.000 EUR bei „­Bagatellen“ nicht angewendet werden soll. Der Wortlaut spricht gerade ­gegen diese Auffassung, die also im Gesetz keine Stütze findet.

     

    Auch in der Literatur wird diese Ansicht des VGH nicht vertreten. Zudem ­erscheint die Auffassung des VGH willkürlich. Warum nämlich der Streitwert von einem Euro „angemessener“ sein soll als der vom OLG unter Hinweis auf die Anlage 2 zu § 34 GKG von 300 EUR ins Spiel gebrachte Streitwert (nach den Änderungen durch das 2. KostRMoG v. 23.7.13 (BGBl. 13, 2586: 500 EUR), begründet das OLG nicht. Jedenfalls ist der Hinweis, ein symbolischer Streitwert von einem Euro sei sachgerecht, keine Begründung.

     

    Weiterführende Hinweise

    • RVG prof. 13, 111: Ohne Vortrag gibt es nicht mehr als den Auffangstreitwert
    • zur vereinfachten Wertberechnung nach dem GKG: VGH München 27.6.11, 5 C 11.520, Abruf-Nr. 133861 
    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 4 | ID 42397175