· Fachbeitrag · Adhäsionsverfahren
Umfang der Pflichtverteidigerbestellung
Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger umfasst nicht die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren (Aufgabe der früheren Rechtsprechung des Kammergerichts) (KG 24.6.10, 1 Ws 22/09, Abruf-Nr. 113168). |
Sachverhalt
Der Rechtsanwalt war dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Die Geschädigte forderte im Adhäsionsverfahren Schmerzensgeld. In der Hauptverhandlung vor dem LG wird dem Angeklagten unter Beiordnung seines Pflichtverteidigers insoweit PKH bewilligt. Das LG verurteilt den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe und zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgelds. Die Revision des Angeklagten wird verworfen. Der Pflichtverteidiger macht auch für das Revisionsverfahren eine Gebühr nach Nr. 4143, 4144 VV RVG geltend. Diese ist nicht festgesetzt worden.
Entscheidungsgründe
Das KG argumentiert doppelt: Ein Gebührenanspruch des Pflichtverteidigers nach § 404 Abs. 5 StPO, § 114 ZPO ist zu verneinen. Dem Angeklagten ist in der Hauptverhandlung vor dem LG unter Beiordnung seines Verteidigers PKH im Adhäsionsverfahren bewilligt worden. Diese Beiordnung hat jedoch lediglich den ersten Rechtszug betroffen, denn die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt gem. § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO, auf den § 404 Abs. 5 S. 1 StPO verweist, für jeden Rechtszug gesondert. Eine Beiordnung auch für die Revisionsinstanz, die durch den BGH hätte erfolgen müssen, ist in Ermangelung eines entsprechenden Antrags aber nicht erfolgt.
Damit kam es darauf an, ob die erfolgte Pflichtverteidigerbestellung sich auch auf das Adhäsionsverfahren erstreckt. Das hat das KG nun unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (4.9.06, 4 Ws 31/06) verneint. Es hat sich der Auffassung angeschlossen, die die Beiordnung eines Pflichtverteidigers auch für das Adhäsionsverfahren an weitere Voraussetzungen knüpft.
Praxishinweis
Die Frage, ob die Pflichtverteidigerbestellung auch das Adhäsionsverfahren umfasst, ist in Rechtsprechung und Literatur heftig umstritten (aktuell OLG Rostock RVG prof. 11, 159, welches genau anders als das KG entschieden hat). Darauf soll hier nicht mehr näher eingegangen werden. Für die Praxis ist darauf zu achten, dass der Pflichtverteidiger bei einem Adhäsionsantrag im Verfahren auf jeden Fall die Erweiterung seiner Beiordnung beantragen muss, damit ihm nicht später die Gebühr Nr. 4143 VV RVG verloren geht. Das hatte der Pflichtverteidiger hier auch getan, dann aber übersehen, dass die Beiordnung im Wege der PKH immer nur für den jeweiligen Rechtszug gilt. Das heißt: Eine in erster Instanz erfolgte Beiordnung gilt nicht fort. Vielmehr muss der Beiordnungsantrag im Berufungs- und/oder Revisionsverfahren wiederholt werden.