Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Auslagen

    Auslagen und Gebühren im Bußgeldverfahren

    | Hat der Verteidiger im Bußgeldverfahren eine Einstellung oder den Freispruch des Mandanten erreicht, geht der Kampf häufig noch weiter. Grund: Es wird um „das liebe Geld“ gestritten und zwar regelmäßig um die Erstattung der dem Mandanten im Bußgeldverfahren entstanden Auslagen und Gebühren des Verteidigers. Dabei kann erneut eine Entscheidung des LG Wuppertal (s. auch RVG prof. 19, 9) Schützenhilfe leisten. |

     

    Sachverhalt

    Zugrunde lag ein Bußgeldverfahren, in dem der Rechtsanwalt den Betroffenen wegen eines Rotlichtverstoßes verteidigt hat. Nachdem Einspruch eingelegt war, hatte der Verteidiger im Zwischenverfahren Einsicht in die Bußgeldakte inklusive der gesamten Messreihe beantragt. Letzteres verweigerte ihm die Stadt Wuppertal, woraufhin der Betroffene durch seinen Verteidiger einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 62 OWiG) gestellt hat. Das AG hat der Stadt Wuppertal dann aufgegeben, dem Verteidiger die angeforderte Messreihe zur Verfügung zu stellen. Das ist auch geschehen. In der Folge stellte die Stadt Wuppertal das Bußgeldverfahren gegen den Betroffenen gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 StPO ein. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen sind der Stadtkasse auferlegt worden.

     

    Der Betroffene machte Gebühren und Auslagen seines Verteidigers in Höhe von 2.263,85 EUR brutto gegenüber der Stadt geltend. In seiner Kostenaufstellung war u. a. enthalten: eine „Erledigungsgebühr gemäß Nr. 5151 VV RVG“ (richtigerweise: Nr. 5115 VV RVG), eine Verfahrensgebühr nach Nr. 5109 VV RVG sowie eine außergerichtliche und gerichtliche Auslagenpauschale von jeweils 20 EUR. Die Stadt Wuppertal setzte die zu erstattenden notwendigen Auslagen allerdings auf nur 542,76 EUR fest. Sie hat die geltend gemachte Erledigungsgebühr als nicht erstattungsfähig angesehen. Zudem ist sie davon ausgegangen, dass die Auslagenpauschale nur einmalig angesetzt werden könne. Auch seien die Kosten für die Tätigkeit eines Privatsachverständigen nicht erstattungsfähig, da dieser zum Ausgang des Verfahrens nichts beigetragen habe. Hiergegen hat der Betroffene Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, den das AG zurückgewiesen hat. Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen sind zu erstattende notwendige Auslagen auf ‒ immerhin ‒ 2.044,77 EUR festgesetzt worden.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Sachverständigenkosten sind nach dem LG Wuppertal erstattungsfähig (6.11.18, 26 Qs 210/18, Abruf-Nr. 205897). Denn diese Kosten seien bei der anzulegenden Ex-ante-Betrachtung als notwendig i. S. v. § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 464a Abs. 2 StPO zu qualifizieren. Begründung: Es handele sich um schwierige technische Fragestellungen. Außerdem seien die Anforderungen an die Darlegung einer konkreten Fehlmessung bei Verwendung eines standardisierten Messverfahrens erhöht, da vonseiten der Verteidigung konkrete Anhaltspunkte für eine technische Fehlfunktion der standardisierten Messeinrichtung vorgebracht werden müssten, um vor dem Hintergrund des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG eine weitergehende Aufklärungspflicht des Gerichts zu begründen. Das führe letztlich dazu, dass ausnahmsweise die Beauftragung eines Privatsachverständigen bereits mit Zustellung des Bußgeldbescheids für den Betroffenen notwendig erscheinen durfte (LG Wuppertal VRR 18, 17).

     

    Die Stadt durfte auch die Erledigungsgebühr nicht kürzen. Das Abstellen darauf, dass es die angesetzte Gebührenziffer „5151 VV RVG“ nicht gebe, ist zwar zutreffend. Offenkundig hat es sich hierbei jedoch nur um einen Schreibfehler gehandelt. Die Erledigungsgebühr nach Nr. 5115 VV RVG war im Übrigen entstanden und daher festzusetzen.

     

    Der Ansatz der Auslagenpauschalen gemäß Nr. 7002 VV RVG ist nur gerechtfertigt, wenn das Verfahren auch bereits als gerichtliches Verfahren betrieben worden wäre. Dann hätte über § 17 Nr. 11 RVG i. V. m. Anm. 1 zu Nr. 7002 VV RVG sowohl für das „Verfahren vor der Verwaltungsbehörde“ als auch für das „Gerichtliche Verfahren“ eine Auslagenpauschale abgerechnet werden können. Dann wäre zudem auch die Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG für das gerichtliche Verfahren angefallen. Das LG weist jedoch darauf hin, dass das Zwischenverfahren nach der Vorbemerkung 5.1.2. Abs. 1 VV RVG (noch) zu dem Verfahren vor der Verwaltungsbehörde gehört. Die Einlegung des Rechtsbehelfs nach § 62 OWiG im Zwischenverfahren habe ‒ entsprechend § 19 Abs. 1 Nr. 10a RVG ‒ gebührenrechtlich zu der Tätigkeit des Rechtsanwalts im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde gehört und hat daher nicht die neue Angelegenheit „gerichtliches Verfahren“ begründet.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung entspricht, was die Erstattungsfähigkeit der Sachverständigenkosten angeht, der h. M. in der Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit der durch eigene Ermittlungen des Verteidigers entstandenen Auslagen (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 8. Aufl., Rn. 4535 ff.).

     

    Zutreffend ist es auch, dass das LG die Tätigkeiten des Verteidigers in Zusammenhang mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 OWiG dem bußgeldrechtlichen Zwischenverfahren i. S. d. § 69 OWiG zuordnet und (noch) nicht dem gerichtlichen Verfahren (vgl. dazu eingehend Burhoff, RVGprof. 13, 88; abzulehnen a. A. AG Senftenberg AGS 13, 231).

     

    Unverständlich ist, dass das LG es abgelehnt hat, die vom Verteidiger zur Erstattung angesetzte Gebührenziffer „5151 VV RVG“ festzusetzen, allein mit der Begründung, dass es diese Gebührenziffer nicht gebe. Der Schreibfehler bzw. Zahlendreher war offensichtlich. Es war klar, dass der Verteidiger eine „Erledigungsgebühr“ geltend gemacht hat.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Erstattung von Privatsachverständigenkosten im Bußgeldverfahren nach Freispruch, RVG prof. 19, 9
    • Straßenverkehrs-OWi-Verfahren: Anträge auf gerichtliche Entscheidung richtig abrechnen, RVG prof. 13, 88
    Quelle: Ausgabe 02 / 2019 | Seite 21 | ID 45626337