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  • · Fachbeitrag · Kostenentscheidung

    Kostenverteilung bei fiktivem Teilfreispruch

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Münster/Augsburg

    | Im Strafverfahren wird bei der Kostenentscheidung häufig § 465 Abs. 2 StPO übersehen. Das gilt vor allem in Fällen eines sog. fiktiven Teilfreispruchs. So auch in einem vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall: Da hatte das LG zunächst den Angeklagten auf § 21 Abs. 1 S. 1 GKG („falsche Sachbehandlung“) verwiesen. Das OLG hat dies revidiert und eine Kostenverteilung zugunsten des Angeklagten vorgenommen. |

     

    Sachverhalt

    Das AG hatte gegen den Angeklagten einen Strafbefehl wegen des Vorwurfs des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis erlassen. Er hatte unter dem Einfluss von Drogen ein Kleinkraftrad geführt, ohne (vermeintlich) im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein. Dabei hatte das AG allerdings übersehen, dass dem Angeklagten zwar durch einen vorherigen Strafbefehl des AG die Fahrerlaubnis entzogen worden war, der Strafbefehl aber erst nach dem Tattag rechtskräftig geworden war, sodass sich der Angeklagte am Tattag noch im Besitz einer Fahrerlaubnis befunden hatte.

     

     

    Nach seinem Einspruch hat das AG den Angeklagten daher vom Vorwurf des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis freigesprochen, ebenso wegen vermeintlich eingetretener Verfolgungsverjährung auch vom Vorwurf eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG.

     

    Auf die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Berufung ist der Angeklagte durch Urteil des LG wegen einer Ordnungswidrigkeit verurteilt worden. Außerdem hat das LG dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen auferlegt. In den Urteilsgründen hat die Kammer auf Folgendes hingewiesen: Dem Umstand, dass die Berufung der Staatsanwaltschaft allein aufgrund der fehlerhaften Annahme der Verjährung der Ordnungswidrigkeit durch das erstinstanzliche Gericht beruht habe, könne hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens durch die Anwendung von § 21 Abs. 1 S. 1 GKG Rechnung getragen werden, indem man von einer „unrichtigen Sachbehandlung“ ausgehe. Die gegen die Kostenentscheidung eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten hatte Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Das OLG beanstandet, dass das LG bei seiner Kostenentscheidung übersehen hat, dass ein Ausnahmefall nach § 465 Abs. 2 StPO vorliegt (OLG Karlsruhe 30.11.18, 3 Ws 576/18, Abruf-Nr. 206551). Die Möglichkeit, eine von § 465 Abs. 1 StPO abweichende Billigkeitsentscheidung zu treffen, besteht vor allem in den Fällen des sog. fiktiven Teilfreispruchs, d. h. bei der Nichtverurteilung wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 465 Rn. 7; BeckOK-Niesler, StPO, Stand 1.6.18, Rn. 8 zu § 465; OLG Düsseldorf 18.7.88, 1 Ws 420/88). In einem solchen Fall ist es zulässig, die Mehrauslagen, die bei einer von vornherein erfolgten Begrenzung des Schuldvorwurfs auf den Umfang der späteren Verurteilung nicht entstanden wären, nach Billigkeit ganz oder teilweise der Staatskasse aufzuerlegen (OLG Stuttgart Die Justiz 74, 136). Ist anzunehmen, dass der Angeklagte einen Bußgeldbescheid hingenommen hätte, können seine gesamten notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt werden (Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O.; BeckOK-Niesler, a. a. O.; BGHSt 25, 109; OLG Stuttgart Die Justiz 87, 160).

     

    Relevanz für die Praxis

    Es hat sich für den Angeklagten gelohnt, dass sein Verteidiger die Kostenentscheidung des LG angegriffen hat. Denn das OLG hat folgende Überlegungen angestellt und die Kosten dann wie folgt verteilt:

     

    • Hätte die Staatsanwaltschaft bereits zutreffend erkannt, dass sich der Angeklagte am Tattag noch im Besitz einer Fahrerlaubnis befunden hat, hätte sie keinen Strafbefehlsantrag wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gestellt, sondern die Sache an die Bußgeldbehörde abgegeben.

     

    • Angesichts des Umstands, dass der Angeklagte die zweitinstanzliche Verurteilung zu einer Geldbuße und ein einmonatiges Fahrverbot akzeptiert hat, ist das OLG dann weiter davon ausgegangen, dass ein im Umfang der landgerichtlichen Verurteilung erlassener Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden wäre.

     

    Es wären daher lediglich Gebühren und Auslagen im Verwaltungsverfahren (u. a. Gebühr für den Erlass des Bußgeldbescheids, Kosten für Zustellungsurkunde, Entnahme und Untersuchung der Blutprobe etc.) entstanden, die der Angeklagte tragen muss. Die übrigen Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) sowie seine gesamten notwendigen Auslagen muss die Staatskasse tragen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Kostenfestsetzung nach Teilfreispruch, RVG prof. 16, 219
    • Teilfreispruch und Anrechnung der Pflichtverteidigervergütung, RVG prof. 16, 128
    • Teilfreispruch: Ermittlung der zu erstattenden Verteidigerkosten ist Sache des Rechtspflegers, RVG prof. 15, 80
    • Was ist zu tun, wenn im Tenor die Kostenregelung vergessen wird?, RVG prof. 06, 31
    Quelle: Ausgabe 03 / 2019 | Seite 42 | ID 45687598