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  • · Fachbeitrag · Kostenerstattung nach Freispruch

    Anspruch auf volle Wahlverteidigergebühren nur bei Verzicht auf Pflichtverteidigervergütung

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    • 1.Verzichtet der Pflichtverteidiger bei einem Freispruch nicht unbedingt auf die ihm zustehende Pflichtverteidigervergütung, kann die Wahlverteidigervergütung zur Vermeidung einer doppelten Inanspruchnahme des Staates grundsätzlich um die dem Verteidiger zustehende Pflichtverteidigervergütung gekürzt werden.
    • 2.Erfolgt ein Verzicht auf die Pflichtverteidigervergütung, muss dieser unbedingt erklärt werden. Eine von dem Verteidiger vorgenommene Einschränkung auf die antragsgemäße Festsetzung der Wahlverteidigervergütung ist nicht ausreichend zur Festsetzung der vollen Wahlverteidigervergütung.

    (LG Saarbrücken 5.4.11, 6 Qs 3/11, Abruf-Nr. 112848)

    Sachverhalt

    Der Pflichtverteidiger hat, nachdem der Angeklagte freigesprochen worden ist, nach § 464b StPO beantragt, seine Wahlverteidigervergütung als notwendige Auslagen gegen die Staatskasse festzusetzen. Das AG hat verlangt, dass er auf die ihm zustehende Pflichtverteidigervergütung verzichten soll. Diese Erklärung hat er abgegeben, allerdings eine Einschränkung auf die antragsgemäße Festsetzung der Wahlverteidigervergütung vorgenommen. Das AG hat daraufhin den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Pflichtverteidigers hatte keinen Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Wie das AG ausgeführt hat, ist die Wahlverteidigervergütung zur Vermeidung einer doppelten Inanspruchnahme des Staates grundsätzlich um die dem Verteidiger zustehende Pflichtverteidigervergütung zu kürzen. In voller Höhe ist sie nur festzusetzen, wenn der Verteidiger auf die- vorliegend erfolgte - Aufforderung des Gerichts auf die ihm zustehende Pflichtverteidigervergütung verzichtet (vgl. BVerfG RVG prof. 09, 267). Dabei muss der Verzicht unbedingt erklärt werden. Die von dem Verteidiger vorgenommene Einschränkung auf die antragsgemäße Festsetzung der Wahlverteidigervergütung führt nicht zu hinreichender Rechtssicherheit. Denn sonst könnte der Verteidiger bei fehlerhaftem Antrag auf Festsetzung der Wahlverteidigervergütung die Pflichtverteidigervergütung nach wie vor geltend machen. Insoweit ist es jedenfalls unbeachtlich, dass die Pflichtverteidigervergütung bislang (noch) nicht geltend gemacht worden ist, da dies einen zukünftigen Antrag nicht ausschließt. Erforderlich ist daher ein vollständiger Verzicht auf die Pflichtverteidigervergütung oder ein entsprechender zusätzlicher Festsetzungsantrag.

     

    Praxishinweis

    Auf der Grundlage der Rechtsprechung des BVerfG (a.a.O.), die davon ausgeht, dass es sich bei den Ansprüchen des freigesprochenen Angeklagten auf Kostenerstattung und des Pflichtverteidigers auf seine gesetzlichen Gebühren um unterschiedliche Ansprüche handelt, sieht es die h.M. in der Rechtsprechung in den sogenannten Freispruchsfällen als zulässig an, wenn die Staatskasse in diesen Fällen vom Verteidiger einen Verzicht auf die Pflichtverteidigervergütung verlangt, um eine doppelte Inanspruchnahme zu vermeiden (Volpert in: Burhoff [Hrsg.], RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., § 52 Rn. 28). Dem entspricht die Entscheidung des LG Saarbrücken. Zutreffend ist es auch, wenn das LG davon ausgeht, dass ein unter dem Vorbehalt der antragsgemäßen Festsetzung der Wahlverteidigergebühren abgegebener Verzicht auf die Pflichtverteidigergebühren nicht ausreicht. Denn wenn z.B. als Wahlverteidigergebühren die Höchstgebühren geltend gemacht worden sind, im Kostenfestsetzungsverfahren aber nur Mittelgebühren zuerkannt werden, könnten zusätzlich zu den Wahlverteidiger-Mittelgebühren vom Verteidiger noch die Pflichtverteidigergebühren geltend gemacht werden. Insoweit würde die Staatskasse dann doppelt in Anspruch genommen.

     

    Soweit der Verteidiger Bedenken hat, dass im Fall eines Verzichts auf die Pflichtverteidigervergütung die Gefahr besteht, dass er seinen Vergütungsanspruch durch Zahlung der Wahlverteidigervergütung an den Mandanten vollständig verliert, kann er sich davor schützen, indem er eine Abtretungserklärung an den Verteidiger zu den Akten einreicht. Dann kann die Staatskasse nicht mehr mit schuldbefreiender Wirkung an den Mandanten leisten (§ 407 Abs. 1 BGB).

    Quelle: Ausgabe 09 / 2011 | Seite 158 | ID 28565760