Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Mehrere Strafverfahren

    Trennung von Verfahren: So wirkt sie sich auf die Gebühren aus

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    | In der Praxis macht die Abrechnung der Tätigkeit des Strafverteidigers in mehreren Verfahren oft Probleme. In der folgenden Checkliste werden allgemeine Fragen zur Trennung von Verfahren beantwortet und danach an Beispielen gezeigt, worauf bei der Abrechnung geachtet werden muss. |

     

    Checkliste /  Allgemeine Fragen

    Frage
    Antwort
    • 1. Welche allgemeinen verfahrensrechtlichen Folgen hat eine Trennung von Verfahren?

    Die Trennung von Verfahren führt dazu, dass nach der Trennung mehrere Verfahren vorliegen, und zwar das Ursprungsverfahren und die von diesem (ab)getrennten Verfahren.

    • 2. Welche allgemeinen gebührenrechtlichen Auswirkungen hat die Trennung von Verfahren?

    Mit der Trennung von Verfahren werden die (ab)getrennten Verfahren selbstständige gebührenrechtliche Angelegenheiten. Folge ist, dass grundsätzlich noch mehrere Verfahrensgebühren entstehen und mehrere Terminsgebühren anfallen können (LG Bremen 13.6.12, 5 Qs 146/12; AG Tiergarten RVG prof. 10, 40; Burhoff in: RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., Teil A: Trennung von Verfahren, Rn. 1312). Es handelt sich nicht mehr um einen Teil derselben Angelegenheit i.S. des § 15 Abs. 2 S. 1 RVG, d.h. um die bloße Fortführung des Ursprungsverfahrens, sondern um eine andere Angelegenheit.

    • 3. Hat die Trennung von Verfahren Auswirkungen auf im Ursprungsverfahren bereits entstandene Gebühren?

    Nein, es bleiben nach dem Rechtsgedanken des § 15 Abs. 4 RVG Gebühren erhalten, die vor der Trennung im Ursprungsverfahren entstanden sind. Sie gehen also durch die (Ab)Trennung von Verfahren nicht verloren.

    • 4. Welche Auswirkungen hat die Trennung auf neue entstehende Gebühren?

    Insoweit ist zu unterscheiden:

    • Im Ursprungsverfahren können alle Gebühren, deren Tatbestand erst nach der Trennung verwirklicht wird, (noch einmal) entstehen. Im Übrigen gilt § 15 Abs. 2 S. 1 RVG mit der Folge, dass Gebühren, die in dem Ursprungsverfahren bereits vor der Trennung entstanden sind, nicht noch einmal entstehen können. Das gilt insbesondere für eine Verfahrensgebühr.

    • Im abgetrennten Verfahren können alle Gebühren entstehen, deren Gebührentatbestand erst nach der Trennung verwirklicht wird. Es handelt sich um eine neue Angelegenheit, sodass § 15 Abs. 2 S. 1 RVG insoweit nicht gilt (LG Bremen s.o.).
    • 5. Entstehen in den abgetrennten Verfahren ggf. auch Grundgebühren nach Nr. 4100 VV RVG noch einmal?

    Nein, das ist nicht der Fall. Die Grundgebühr entsteht einmalig für die Einarbeitung in den jeweiligen Rechtsfall. In den hat der Anwalt sich aber bereits im Ursprungsverfahren eingearbeitet (Burhoff/Burhoff, a.a.O., Nr. 4100 VV Rn. 30; OLG Stuttgart RVG prof. 10, 119).

    Praxishinweis: Für den Anfall der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG im abgetrennten Verfahren kann etwas anderes gelten, wenn die Verfahren noch vor oder während der Einarbeitung durch den Anwalt getrennt werden. Dann ist noch keine (abschlie ßende) Einarbeitung erfolgt und es kann auch im abgetrennten Verfahren noch eine Grundgebühr entstehen (Burhoff/Burhoff, a.a.O., Nr. 4100 VV Rn. 30).

    • 6. Hat die Abtrennung von Verfahren Auswirkungen auf die Höhe der (Rahmen)Gebühren?

    Ja, das kann vor allem im Ursprungsverfahren der Fall sein. Bei neu entstehenden Gebühren muss hier vor allem immer darauf geachtet werden, ob die Gebühr innerhalb des gesetzlichen Gebührenrahmens nicht gegebenenfalls nun deshalb niedriger zu bemessen ist, weil der Verfahrensgegenstand sich verringert hat.

    • 7. Hat die Trennung Auswirkungen auf die Auslagen (Nr. 7000 ff. RVG)?

    Ja, die vorstehenden Grundsätze gelten für Auslagen entsprechend (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl., VV 7001, 7002 Rn. 28).

    • 8. Gilt das auch für die Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG?

    Insoweit gilt Nr. 7 nur eingeschränkt: Die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG entsteht im Ursprungsverfahren nach Trennung nicht noch einmal. Nach der Anm. zu Nr. 7002 VV RVG kann die Pauschale in derselben Angelegenheit nur einmal entstehen. Sie ist aber im Ursprungsverfahren bereits einmal entstanden.

    Die Trennung führt nicht zu einer neuen/weiteren „Angelegenheit nach Trennung“ (Burhoff/Burhoff, a.a.O., Teil A: Trennung von Verfahren, Rn. 1315). Allerdings können weitere Auslagen, die nach der Trennung entstanden sind, abgerechnet werden, (z.B. weitere Fotokopien). Im abgetrennten Verfahren entsteht, da eine eigenständige Angelegenheit, die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG noch einmal.

    • 9. Gilt das auch für Bußgeldverfahren?

    Ja, die Ausführungen gelten sinngemäß auch für Bußgeldverfahren.

    • 10. Gelten für den Pflichtverteidiger Besonderheiten?

    Für den Pflichtverteidiger gelten dieselben Regeln wie für den Wahlanwalt. M.E. gilt die Bestellung aus dem Ursprungsverfahren für die abgetrennten Verfahren fort. Wenn insoweit Zweifel bestehen sollten, muss der Pflichtverteidiger auf eine Klarstellung drängen.

    • Beispiel 1: Trennung vor der Hauptverhandlung

    Im Ursprungsverfahren 1 wird der Beschuldigte B wegen einer Trunkenheitsfahrt und eines Kfz-Diebstahl angeklagt. Vor der Hauptverhandlung stellt sich heraus, dass ein Zeuge zur Trunkenheitsfahrt am Hauptverhandlungstermin verhindert ist. Der Richter trennt das Verfahren insoweit ab. Es findet im Ursprungsverfahren dann wegen des Diebstahls eine eintägige Hauptverhandlung statt. Später findet auch im abgetrennten Verfahren 2 die Hauptverhandlung statt. Welche Gebühren kann Rechtsanwalt R, der B von Anfang an verteidigt hat, geltend machen?

    Lösung/Abrechnungshinweise

    Bis zur Trennung:

    Die im Ursprungsverfahren 1 entstandenen Gebühren gehen R durch die Trennung nicht verloren. Entstanden sind im Verfahren 1

    • die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG,
    • die Verfahrensgebühr Nr. 4104 für das vorbereitende Verfahren und
    • die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG für das gerichtliche Verfahren.

    Nach der Trennung:

    Nach der Trennung entstehen in beiden Verfahren noch die Gebühren, deren Tatbestand erst nach der Verbindung verwirklicht wird. Das ist

     

    • im Verfahren 1 
      • nur noch eine Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG für den durchgeführten Hauptverhandlungstermin wegen des Diebstahls,
      • die gegebenenfalls nach Trennung entstandenen Auslagen, aber nicht noch einmal die Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG, da diese in jeder Angelegenheit nur einmal entsteht.
    • im Verfahren 2
      • die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG für das gerichtliche Verfahren; § 15 Abs. 2 S. 1 RVG gilt insoweit nicht, da es sich bei dem Verfahren 2 um eine eigene gebührenrechtliche Angelegenheit handelt,
      • die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG für den Hautverhandlungstermin wegen der Trunkenheitsfahrt,
      • die nach der Trennung entstandenen Auslagen, insbesondere die Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG, da es sich um eine neue/eigenständige Angelegenheit handelt.
      • Nicht entstanden sind: (noch einmal) die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG (vgl. oben Checkliste Nr. 5) und nicht noch einmal die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG für das vorbereitende Verfahren, da der Verfahrensabschnitt bei Abtrennung bereits beendet war (vgl. die Anm. zu Nr. 4104 VV RVG).