· Fachbeitrag · Mehrere Strafverfahren
Verbindung von Verfahren: So wirkt sie sich auf die Gebühren aus
von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
| In der Praxis macht die Abrechnung der Tätigkeit des Strafverteidigers in mehreren Verfahren erhebliche Schwierigkeiten. In der folgenden Checkliste werden allgemeine Fragen zur Verbindung beantwortet und danach an Beispielen gezeigt, worauf bei der Abrechnung geachtet werden muss. |
Checkliste / Allgemeine Fragen | |
Frage | Antwort |
| Verschmelzungsverbindung (§§ 2 ff. StPO) und Verhandlungsverbindung (§ 237 StPO). |
| Eine Verschmelzungsverbindung setzt „zusammenhängende Strafsachen“ voraus (vgl. dazu § 3 StPO). Folge einer solchen Verbindung ist, dass die vorher getrennten/eigenständigen Verfahren zu einem neuen Verfahren „verschmolzen“ werden. |
| Eine Verhandlungsverbindung erfolgt nur zum Zwecke gleichzeitiger Verhandlung. Folge ist eine lediglich für die Dauer der Hauptverhandlung lose Verfahrensverbindung, durch die die Selbstständigkeit der verbundenen Sachen nicht berührt wirddt“; jede Sache folgt weiterhin ihren eigenen Gesetzen (Meyer-Goßner, StPO, 54 Aufl., § 237 Rn. 8). |
| Ja. |
| Bei einer Verschmelzungsverbindung nach den §§ 2 ff. StPO liegt nach Verbindung nur noch eine gebührenrechtliche Angelegenheit vor, mit der Folge, dass nur noch in dieser einen Angelegenheit Gebühren entstehen können (Burhoff/Burhoff (Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., Teil A: Verbindung von Verfahren, Rn. 1432). Bei den nur zum Zwecke gleichzeitiger Verhandlung verbundenen Sachen (§ 237 StPO) behalten die Verfahren hingegen auch ihre gebührenrechtliche Selbstständigkeit mit der Folge, dass in jedem Verfahren weiterhin gesonderte Gebühren entstehen können (Enders, JurBüro 07, 393). |
| Nein, denn es gilt der allgemeine Grundsatz für die Abrechnung der Tätigkeit des Verteidigers in mehreren verbundenen Verfahren. Danach bleiben nach dem Rechtsgedanken des § 15 Abs. 4 RVG Gebühren, die in den Verfahren vor Verbindung entstanden sind, erhalten. Sie gehen also durch eine Verbindung nicht verloren. |
| Insoweit ist zu unterscheiden:
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| Ja, die o.g. Grundsätze gelten für die Auslagen entsprechend. |
| Ja, und zwar bei der Verschmelzungsverbindung. Hier muss nach einer Verbindung immer darauf geachtet werden, ob die jeweilige Gebühr innerhalb des gesetzlichen Gebührenrahmens nicht deshalb höher zu bemessen ist, weil mehrere Strafverfahren verbunden worden sind. Das erhöht nicht nur auf jeden Fall den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, sondern auch deren Schwierigkeitsgrad. Die Sache hat zudem für den Mandanten meist auch eine höhere Bedeutung. Praxishinweis: Entsprechendes gilt, wenn die Gebühr bereits einmal vor Verbindung entstanden ist, was z.B. bei der gerichtlichen Verfahrensgebühr der Fall sein kann. Auch diese wird dann im führenden Verfahren wegen des i.d. Regel dort größeren Umfangs der Tätigkeiten des Verteidigers innerhalb des gesetzlichen Rahmens mit einem höheren Betrag anzusetzen sein. |
| Ja, die Ausführungen gelten sinngemäß auch für Bußgeldverfahren. |
| Grundsätzlich gelten für den Pflichtverteidiger dieselben Regeln wie für den Wahlanwalt. Allerdings muss er § 48 Abs. 5 S. 3 RVG beachten (vgl. dazu auch die Kommentierung bei Burhoff, a.a.O., 3. Aufl., § 48 Abs. 5 Rn. 1). |
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Dem Beschuldigten B wird im Verfahren 1 ein Diebstahl und im Verfahren 2 ein Betrug zur Last gelegt. B wird in beiden Verfahren von RA R verteidigt. Die Verfahren werden von der StA vor Anklageerhebung verbunden, Verfahren 1 führt. Es kommt zur Anklage beim AG. Dort findet eine eintägige Hauptverhandlung statt. Lösung/Abrechnungshinweise Bis zur Verbindung: Die Verfahren 1 und 2 bilden eigenständige Angelegenheiten. Die dort entstandenen Gebühren gehen R durch die Verbindung nicht verloren. Entstanden sind sowohl in beiden Verfahren
Nach der Verbindung: In dem nach der Verbindung führenden einheitlichen Verfahren 1 entstehen nur noch die Gebühren, deren Tatbestand erst nach der Verbindung verwirklicht wird. Das ist
Für die Gebührenhöhe gilt: Auszugehen ist von der Mittelgebühr. Für die gerichtliche Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG ist allerdings darauf hinzuweisen, dass sich der Verfahrensgegenstand nach der Verbindung erweitert hat, was zu einer angemessenen Erhöhung der Gebühr führen dürfte, vor allem dann, wenn nach der Verbindung in dem verbundenen Verfahren noch erhebliche Tätigkeiten erbracht worden sind (vgl. auch Burhoff/Burhoff, a.a.O., Teil A: Verbindung von Verfahren, Rn. 1434). Auch die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG dürfte oberhalb der Mittelgebühr anzusiedeln sein, da das Verfahren nach der Verbindung mehrere Vorwürfe zum Gegenstand hat. Für die Auslagen gilt: R kann auch die bis zur Verbindung in den Verfahren 1 und 2 entstandenen Auslagen abrechnen. Die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG entsteht in dem führenden Verfahren 1 nach Verbindung aber im weiteren Verfahren nicht noch einmal. Nach der Anmerkung zu Nr. 7002 VV RVG entsteht sie in derselben Angelegenheit nur einmal. Sie ist aber im Verfahren 1 bereits einmal entstanden. Die Verbindung führt nicht zu einer neuen/weiteren „Angelegenheit nach Verbindung“ (Enders, JurBüro 07, 393,). Allerdings können weitere Auslagen, die nach Verbindung entstanden sind, zusätzlich zu den Auslagen, die schon vor der Verbindung in dem führenden Verfahren angefallen sind, abgerechnet werden (Enders, a.a.O.), so z.B. weitere Fotokopien. |
PRAXISHINWEIS | Im verbundenen führenden Verfahren entsteht nicht noch einmal eine Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG. In die jeweiligen Rechtsfälle hat sich R bereits eingearbeitet (Burhoff/Burhoff, a.a.O., Nr. 4100 VV Rn. 27). |
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Gegen den Beschuldigten sind 27 Ermittlungsverfahren anhängig, in denen sein Verteidiger jeweils Akteneinsicht genommen hat. Diese Verfahren sind im Js-Register einzeln eingetragen, die Staatsanwaltschaft plante aber von vornherein eine Verbindung. Später sind die 27 Verfahren dann auch zu sieben Verfahren verbunden worden. Wie viel Grundgebühren sind entstanden? Lösung/Abrechnungshinweise Mehrere (Ermittlungs)Verfahren sind so lange ein eigener Rechtsfall bzw. eine eigenständige Angelegenheit, wie die Verfahren nicht miteinander verbunden sind (KG StRR 11, 359; LG Braunschweig RVGprofessionell 10, 214; LG Hamburg AGS 08, 545; AG Braunschweig RVGprofessionell 10, 59; AG Tiergarten AGS 10, 132). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Verfahren hier zwar einzeln eingetragen worden sind, bei der sachbearbeitenden Staatsanwaltschaft aber von Anfang an die Absicht vorgelegen hat, die Verfahren später zu verbinden (AG und LG Braunschweig, a.a.O.). Es sind also 27 Grundgebühren entstanden. |
PRAXISHINWEIS | Bis zur Verbindung der Verfahren können in jedem der später verbundenen Verfahren eigenständig alle Gebühren entstehen. |
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Im Fall 1 werden die Verfahren nicht durch die Staatsanwaltschaft verbunden, sondern erst nach Anklageerhebung durch das Gericht vor der Hauptverhandlung. Das Verfahren 1 führt. Es findet dann nach Terminierung eine eintägige Hauptverhandlung statt. Lösung/Abrechnungshinweise: Bis zur Verbindung: Die Verfahren 1 und 2 bilden bis zur Verbindung eigenständige Angelegenheiten. Die in diesen entstandenen Gebühren gehen RA R durch die Verbindung nicht verloren. Entstanden sind jeweils
Nach der Verbindung: In dem nach der Verbindung führenden einheitlichen Verfahren 1 entstehen noch die Gebühren, deren Tatbestand erst nach der Verbindung verwirklicht wird. Das ist
Im verbundenen führenden Verfahren entsteht auch in diesem Fall nicht noch einmal eine Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG. RA R hat sich nämlich in die „Rechtsfälle“, die diesem führenden Verfahren nunmehr zugrunde liegen, bereits vor der Verbindung eingearbeitet. |
PRAXISHINWEIS | Hinsichtlich der Gebührenhöhe und der Auslagen gelten die Ausführungen bei Fall 1 entsprechend. |
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Im Fall 1 werden die Verfahren 1 und 2 nicht vor, sondern erst in der Hauptverhandlung vom AG verbunden, Verfahren 1 führt. Es findet dann eine eintägige Hauptverhandlung statt. Lösung/Abrechnungshinweise Die Ausführungen zu Fall 1 gelten hinsichtlich der in den Verfahren 1 und 2 bis zur Verbindung entstehenden Gebühren entsprechend. Für die nach der Verbindung im führenden Verfahren 1 entstehenden Gebühren gilt ebenfalls wie in Fall 1, dass nicht noch eine weitere (dritte) Verfahrensgebühr und/oder Grundgebühr entsteht. Fraglich ist allerdings, wie viele Terminsgebühren entstehen. Die Antwort ist davon abhängig, ob in beiden Verfahren eine Hauptverhandlung stattgefunden hat. Unerheblich ist es insoweit, ob in beiden Sachen eine Hauptverhandlung anberaumt war (OLG Dresden AGS 09, 223; LG Düsseldorf RVGreport 07, 108; Burhoff/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4 VV Rn. 76), da eine Terminsgebühr nach dem Wortlaut der Vorbem. 4 Abs. 3 VV RVG nicht nur entsteht, wenn eine Hauptverhandlung anberaumt war (a.A. offenbar Enders, JurBüro 07, 393, 395). Hat in jedem Verfahren eine Hauptverhandlung stattgefunden, entsteht in jeder - zunächst noch nicht verbundenen - Angelegenheit gesondert eine Terminsgebühr. Es kommt also darauf an, ob die Verbindung erst nach Aufruf aller Sachen erfolgt ist, da dann auch in den hinzuverbundenen Verfahren eine Hauptverhandlung stattgefunden hat (Burhoff/Burhoff, a.a.O. m. Hinweis zur Vorgehensweise). Die in den Verfahren gegebenenfalls entstandenen Terminsgebühren gehen durch die nachfolgende Verbindung der Verfahren nicht verloren. |
PRAXISHINWEIS | Die gleichzeitige Terminierung von Verfahren bedeutet nicht deren stillschweigende Verbindung (OLG Köln JurBüro 02, 303; LG Hanau RVGreport 05, 382). |
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Im Fall 4 werden die Verfahren 1 und 2 zunächst getrennt geführt. In beiden Verfahren finden Hauptverhandlungen statt, die ausgesetzt werden. Dann werden die Verfahren vom Amtsgericht verbunden. Im verbundenen führenden Verfahren 1 findet dann noch eine eintägige Hauptverhandlung statt. Bis zur Verbindung: Die Verfahren 1 und 2 bilden bis zur Verbindung eigenständige Angelegenheiten. Die in diesen entstandenen Gebühren gehen RA R durch die Verbindung nicht verloren. Entstanden sind jeweils
Nach der Verbindung: In dem nach der Verbindung führenden einheitlichen Verfahren 1 entstehen nur noch die Gebühren, deren Tatbestand erst nach der Verbindung verwirklicht wird.
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Dem Beschuldigten B wird im Verfahren 1 Fahren ohne Fahrerlaubnis und im Verfahren 2 ein Kfz-Diebstahl zur Last gelegt. B wird in beiden Verfahren von RA R verteidigt. Im vorbereitenden Verfahren des Verfahrens 1 hat sich B in Untersuchungshaft befunden. Es hat ein Haftprüfungstermin stattgefunden, bei dem der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt und B frei gelassen worden ist. Es kommt jeweils zur Anklage beim AG. Im Verfahren 1 findet dann eine Hauptverhandlung statt, die ausgesetzt wird. Der Amtsrichter verbindet dann die Verfahren vor der (neuen) Hauptverhandlung, Verfahren 1 führt. Es findet dann nach der Terminierung im verbundenen Verfahren eine eintägige Hauptverhandlung statt. Lösung/Abrechnungshinweise: Bis zur Verbindung: Die Verfahren 1 und 2 bilden bis zur Verbindung eigenständige Angelegenheiten. Die in diesen entstandenen Gebühren gehen RA R durch die Verbindung nicht verloren. Entstanden sind jeweils
Im Verfahren 1 ist zusätzlich noch eine Gebühr Nr. 4102 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG für die Teilnahme von RA R am Haftprüfungstermin entstanden. Entstanden ist im Verfahren 1 außerdem die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG für die erste Hauptverhandlung in diesem Verfahren. In beiden Verfahren sind die Verfahrensgebühren Nr. 4104 VV RVG mit Zuschlag nach Nr. 4105 VV RVG entstanden. Es kommt nicht darauf an, dass B „nur“ im Verfahren 1 inhaftiert war. Die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG für die erste Hauptverhandlung im Verfahren 1 ist allerdings ohne Zuschlag entstanden, da B zur Zeit des Hauptverhandlungstermins nicht mehr inhaftiert war. Nach der Verbindung In dem nach der Verbindung führenden Verfahren 1 entstehen dann nur noch die Gebühren, deren Tatbestand erst nach der Verbindung verwirklicht wird. Das ist noch einmal die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG. Im Übrigen gelten die Ausführungen zu Fall 3. |
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Dem Beschuldigten B wird im Verfahren 1 Fahren ohne Fahrerlaubnis und im Verfahren 2 ein Kfz-Diebstahl zur Last gelegt. B wird in beiden Verfahren von RA R verteidigt. Es kommt jeweils zur Anklage beim AG. Der Amtsrichter beschließt nun, die beiden Verfahren zum Zwecke gleichzeitiger Verhandlung gem. § 237 StPO zu verbinden und bestimmt in beiden Verfahren für den gleichen Termin die Hauptverhandlung. Lösung/Abrechnungshinweise Bis zur Verbindung Es gelten für die Verfahren vor der Verbindung die Ausführungen zu Fall 3. Nach der Verbindung: Da es sich nur um eine Verbindung nach § 237 StPO handelt, bleiben die beiden Verfahren gebührenrechtlich gesonderte Angelegenheiten. Es entsteht also in jedem Verfahren die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG. |