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  • · Fachbeitrag · Pflichtverteidiger

    Kein (nachträglicher) Wegfall der Gebühren durch Entpflichtung

    | Dem LG Kaiserslautern stellte sich die Frage, ob die Aufhebung des Beschlusses über die Pflichtverteidigerbestellung die bis zur Aufhebung entstandenen Gebührenansprüche des Pflichtverteidigers gegen die Staatskasse entfallen lässt. Das LG hat die Frage verneint (LG Kaiserslautern 11.1.19, 4 Ks 6034 Js 10590/16, Abruf-Nr. 208733 ). |

     

    Der Rechtsanwalt war vom LG „zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens“ als Pflichtverteidiger bestellt worden, der bisherige Pflichtverteidiger wurde entlassen. Das Gericht übersandte dem Rechtsanwalt dann die Akten, er kopierte sie und reiste zum Mandanten. Die Staatsanwaltschaft legte jedoch gegen die Beiordnung Beschwerde ein, der abgeholfen wurde. Der Bestellungsbeschluss wurde aufgehoben. Der Rechtsanwalt hat gegenüber der Staatskasse für seine bis dahin erbrachten Tätigkeiten die Verfahrensgebühr Nr. 4136 VV RVG geltend gemacht. Die Rechtspflegerin hat sie nicht festgesetzt, denn durch die Aufhebung sei er rückwirkend nicht beigeordnet worden. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel hatte beim LG Erfolg.

     

    Das LG: Der Vergütungsanspruch erfasst in zeitlicher Hinsicht solche Tätigkeiten, die der Rechtsanwalt nach seiner Bestellung sowie vor dem Ende der Wirkungsdauer des Bestellungsakts erbracht hat (OLG Hamburg NStZ-RR 12, 390). Voraussetzung für das Entstehen des Vergütungsanspruchs ist also zunächst, dass der Pflichtverteidiger ‒ wie hier ‒ wirksam bestellt wird. Die Aufhebung dieses Beschlusses hat zwar das Ende der Bestellung bewirkt, allerdings nur für die Zukunft und nicht rückwirkend.

     

    Darüber hinaus genießt der Rechtsanwalt Gutglaubensschutz. Durch die Beiordnung bzw. Bestellung wird zwischen dem Hoheitsträger, der die Beiordnung vorgenommen hat, und dem Anwalt ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis begründet. Wird der Rechtsanwalt im Rahmen dessen tätig, erwächst ihm ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse (§ 45 RVG). Informiert das Gericht den Rechtsanwalt versehentlich über eine Bestellung, obwohl eine solche nicht erfolgt ist, ist der gutgläubige Anwalt so zu stellen, als ob er bestellt worden wäre (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl., § 45, Rn. 126). Dies muss erst recht gelten, wenn der Rechtsanwalt, wie auch geschehen, tatsächlich einmal bestellt wurde. Deshalb kann der ehemalige Pflichtverteidiger die Nr. 4136 VV RVG nebst Auslagen abrechnen.

     

    Die Entscheidung ist zutreffend. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Rechtspflegerin auf die Idee kommen konnte, durch die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung seien rückwirkend auch bereits entstandene Gebührenansprüche des ehemaligen Pflichtverteidigers weggefallen. Das hat im Grunde auch nichts mit „Gutglaubensschutz“ zu tun. Vielmehr widerspricht diese Auffassung dem aus § 15 Abs. 4 RVG folgenden Grundsatz, dass nachträgliche verfahrensrechtliche Änderungen keinen Einfluss auf bereits entstandene Gebühren haben. Alles andere wäre ‒ da ja zunächst eine wirksame Pflichtverteidigerbestellung vorgelegen hat ‒ auch widersinnig und würde dazu führen, dass der Rechtsanwalt, der im Hinblick auf die Bestellung für den Staat tätig geworden ist, letztlich zum „Nulltarif“ gearbeitet hätte.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2019 | Seite 111 | ID 45897975