· Nachricht · Pflichtverteidiger
Rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung ist u. U. möglich
| Die überwiegende Rechtsprechung der AG und LG bejaht die Frage, ob der
Rechtsanwalt nach Beendigung des Verfahrens, z. B. durch eine Einstellung
nach § 154 StPO, noch (rückwirkend) zum Pflichtverteidiger bestellt werden
kann. Auch einige OLG sehen das inzwischen so. Jetzt hat sich auch das OLG Stuttgart dieser zutreffenden Ansicht angeschlossen (OLG Stuttgart 15.12.22, 4 Ws 529/22, Abruf-Nr. 235196). |
Das OLG stellt darauf ab, dass die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung nach §§ 140 ff. StPO vorgelegen haben und der Beiordnungsantrag noch vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gestellt worden sein müssen. Dann sei es ausnahmsweise möglich und geboten, rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung einen Pflichtverteidiger zu bestellen (so auch OLG Bamberg 29.4.21, 1 Ws 260/21; OLG Nürnberg 6.11.20, Ws 962/20; Burhoff, StraFo 23, m. w. N.). Dies kann vor allem in den Fällen der Einstellung des Strafverfahrens nach § 154 StPO eine Rolle spielen.
Beachten Sie | Als Verteidiger sollten Sie darauf achten, den Beiordnungsantrag rechtzeitig zu stellen. Denn die Rechtsprechung geht nur bei einem rechtzeitigen Antrag von der Zulässigkeit der rückwirkenden Beiordnung aus. Ein nachträglicher Antrag hilft nicht (mehr). Wird der Antrag nicht unverzüglich beschieden, sollten Sie ‒ schon aus Vorsichtsgründen ‒ an die Bescheidung erinnern. Wird die Bestellung abgelehnt, steht Ihnen das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 142 Abs. 7 StPO zur Verfügung. Die Beschwerdefrist beträgt nach § 311 Abs. 1 StPO eine Woche.
(mitgeteilt von RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Leer/Augsburg)