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  • · Fachbeitrag · Pflichtverteidigung

    Erstreckungsantrag ‒ ein Update

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

    | In RVG prof. 20, 10, haben wir checklistenartig die wichtigsten Fragen und Antworten im Zusammenhang mit § 48 Abs. 6 RVG beantwortet. Die folgende Checkliste schließt hieran an. |

     

    Checkliste / Erstreckungsantrag ‒ Voraussetzungen und Rechtsmittel

    Frage
    Antwort
    • 1. Muss ein Erstreckungsantrag gestellt werden, um die Erstreckung zu erlangen?

    Nein. Nach § 48 Abs. 1 S. 1 und 2 RVG tritt die Erstreckung kraft Gesetzes ein, sodass es keines Antrags bedarf (vgl. Checkliste RVG prof. 20, 10 Nr. 7 ff.).

     

    § 48 Abs. 1 S. 3 RVG: Für die Erstreckung ist zwar eine Entscheidung des Gerichts erforderlich; das RVG sieht aber einen Antrag nicht zwingend vor (vgl. Checkliste RVG prof. 20, 10 Nr. 12 ff.). I. d. R. wird aber die Erstreckung nur auf Antrag erfolgen (vgl. KG JurBüro 09, 531).

    • 2. Muss ein Erstreckungsantrag (siehe Nr. 1) ausdrücklich gestellt werden?

    I. d. R. wird der Erstreckungsantrag ausdrücklich gestellt; der Antrag kann aber auch konkludent gestellt werden (OLG Celle 2.1.07, 1 Ws 575/06).

     

    Praxistipp | Eine konkludenter Antrag kann in einem Vergütungsfestsetzungsantrag des Verteidigers aber auch in einer Erinnerung gegen die Ablehnung der Vergütungsfestsetzung gesehen werden (LG Freiburg RVGreport 06, 183).

    • 3. Muss der Erstreckungsantrag begründet werden?

    Nein, der Antrag muss nicht begründet werden. Eine Begründung dürfte sich jedoch stets empfehlen.

    • 4. Wann kann/muss der Antrag gestellt werden?

    Das RVG regelt den Zeitpunkt der Antragstellung nicht. Der Verteidiger sollte den Erstreckungsantrag daher so früh wie möglich stellen.

    • 5. Kann der Antrag auch noch nach Abschluss des Verfahrens gestellt werden?

    Ja, der Erstreckungsantrag ist rein kostenrechtlicher Natur (vgl. u. a. KG RVG prof. 12, 6; [inzidenter] OLG Celle, 6.9.19, 2 Ws 253/19; OLG Düsseldorf RVG prof. 07, 175; OLG Zweibrücken JurBüro 18, 79; LG Braunschweig RVG prof. 16, 24; LG Cottbus RVG prof. 13, 44; LG Dresden RVG prof. 08, 75; LG Freiburg RVG prof. 06, 93).

     

    Praxistipp | Der Anwalt sollte den Erstreckungsantrag aber auf jeden Fall vor Abschluss des Verfahrens stellen, um ggf. die Diskussion über die Frage zu vermeiden, ob der Erstreckungsantrag als Regelung im Zusammenhang mit der Pflichtverteidigerbestellung noch nach Abschluss des Verfahrens gestellt werden kann.

    • 6. Wer entscheidet über die Erstreckung?

    Funktionell zuständig ist das Gericht, nicht allein der Vorsitzende (OLG Celle 6.9.19, 2 Ws 253/19; OLG Düsseldorf RVG prof. 07, 175).

    • 7. Muss über den Antrag ausdrücklich entschieden werden?

    Über den Antrag wird i. d. R. ausdrücklich entschieden (OLG Jena RVG prof. 09, 2; a. A. LG Koblenz StraFo 07, 525).

    • 8. Ist der Ausspruch der Erstreckung zwingend?

    Nein. Nach § 48 Abs. 6 S. 3 RVG steht die Erstreckung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts („kann“).

    • 9. Welche Umstände sind für die Erstreckung maßgebend?

    Nach der Gesetzesbegründung soll die Erstreckung erfolgen, wenn eine Beiordnung oder Bestellung unmittelbar bevorgestanden hätte, falls die Verbindung unterblieben wäre (vgl. dazu BT-Drucksache 15/1971, S. 201).

     

    Praxistipp | Entscheidend ist, ob die materiellen Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigerbestellung vorgelegen haben und deshalb dem Beschuldigten auch in dem hinzuverbundenen Verfahren ein Pflichtverteidiger hätte bestellt werden müssen, wenn er dort keinen Wahlverteidiger gehabt hätte (so zutreffend [inzidenter] OLG Düsseldorf a. a. O.; OLG Hamm 18.1.11, 5 Ws 394/10; LG Kiel 29.8.06, 32 Qs 52/06).

     

    Es ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen (OLG Düsseldorf, a. a. O.; LG Bielefeld 4.1.06, Qs 731/05 III; LG Dortmund 19.12. 06, I Qs 87/06). Es kommt nicht darauf an, welchen Umfang die Tätigkeit hatte, die der Rechtsanwalt vor der Verbindung der Verfahren in dem hinzuverbundenen Verfahren entfaltet hat, ob sie ggf. „überschaubar“ war (OLG Düsseldorf, a. a. O.).

    • 10. Muss vor Verfahrensverbindung im hinzuverbundenen Verfahren bereits ein Antrag auf Bestellung als Pflichtverteidiger gestellt worden sein?

    Nein (KG RVG prof. 12, 6; OLG Celle 6.9.19, 2 Ws 253/19; LG Cottbus RVG prof. 13, 44; LG Kiel RVG prof. 06, 202; a. A. LG Berlin JurBüro 06, 29; LG Bielefeld RVG prof. 08, 154).

    • 11. Welches Rechtsmittel ist bei Ablehnung zulässig?

    Gegen die Ablehnung kann der Rechtsanwalt aus eigenem Recht Beschwerde einlegen (KG RVG prof. 12, 6; OLG Celle 6.9.19, 2 Ws 253/19; OLG Düsseldorf RVG prof. 07, 175; OLG Hamm 29.1.08, 4 Ws 9/08; LG Bielefeld 4.1.06, Qs 731/05 III; LG Cottbus RVG prof. 13, 44).

    • 12. Kann auch der Mandant ein Rechtsmittel einlegen?

    Nein, der Mandant hat kein eigenes Recht gegen die Ablehnung der Erstreckung (KG RVG prof. 12, 6).

     

    Weiterführender Hinweis

    • Burhoff, Pflichtverteidiger und Erstreckung ‒ ein Update, RVG prof. 20, 10
    Quelle: Ausgabe 02 / 2020 | Seite 31 | ID 46275433