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  • · Fachbeitrag · Rahmengebühren

    Ist der Rechtsanwalt an Ermessensausübung oder Nachfestsetzung gebunden?

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Leer/Augsburg

    | Der Rechtsanwalt ist an sein nach § 14 Abs. 1 RVG einmal ausgeübtes Ermessen bei der Bestimmung der angefallenen Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens gebunden. Das gilt auch, wenn er erkennbar entstandene Gebühren fehlerhaft (nicht) geltend gemacht hat. So hat es jetzt das OLG Celle entschieden. |

     

    Sachverhalt

    Das Schwurgericht hatte den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Mordes freigesprochen. Die notwendigen Auslagen hatte es der Landeskasse auferlegt. Der Rechtsanwalt hat daraufhin die notwendigen Auslagen des Angeklagten geltend gemacht. Dabei hat er die Mittelgebühr beantragt. Allerdings hat er versehentlich nicht die Schwurgerichtsgebühren der Nr. 4118 ff. VV RVG, sondern nur die Strafkammergebühren der Nr. 4112 ff. VV RVG geltend gemacht. Diese Gebühren sind antragsgemäß festgesetzt worden. Später hat der Rechtsanwalt dann noch weitere notwendig entstandene Auslagen beantragt, nämlich die Mehrkosten der Mittelgebühren für die Vertretung vor dem Schwurgericht nach Nr. 4118 ff. VV RGV. Diese wurde nicht festgesetzt. Das OLG hat sich der ablehnenden Auffassung des Rechtspflegers angeschlossen (14.11.19, 3 Ws 323/19, Abruf-Nr. 213219).

     

    Entscheidungsgründe

    Der Rechtsanwalt ist an sein nach § 14 Abs. 1 RVG einmal ausgeübtes Ermessen gebunden. Denn die Ausübung des Ermessens ist Bestimmung der Leistung durch den Verteidiger. Sie erfolgt gemäß § 315 Abs. 2 BGB durch Erklärung gegenüber dem Mandanten bzw. der Landeskasse.

     

    Die Bestimmung ist rechtsgestaltender Natur, ihre Abgabe ist somit Ausübung des Gestaltungsrechts. Da das Gestaltungsrecht durch seine Ausübung verbraucht ist, kann die Bestimmung, sobald die Erklärung gemäß § 130 Abs. 1 BGB durch Zugang wirksam geworden ist, nicht mehr geändert oder widerrufen werden. Sie ist damit auch für den Verteidiger als Bestimmenden bindend, es sei denn, er hat sich eine Erhöhung ausdrücklich und erkennbar vorbehalten, er ist über Bemessungsfaktoren getäuscht worden oder er hat einen gesetzlichen Gebührentatbestand übersehen (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 24. Aufl., § 14 Rn. 4).

     

    Mit der Geltendmachung der Kostenfestsetzung durch seinen ersten Antrag ist dem Verteidiger die Möglichkeit genommen, seinen Antrag „nachzubessern“, weil er einen entsprechenden Vorbehalt nicht mitgeteilt hat. Es liegt auch kein Übersehen eines gesetzlichen Gebührentatbestands vor, weil der Rechtsanwalt in seinem Antrag erkennbar entstandene Verfahrens- und Terminsgebühren ‒ wenn auch fehlerhaft ‒ geltend gemacht hat.

     

    Beachten Sie | Eine Nachforderung kommt nur bei irrtümlich nicht geltend gemachten Gebühren und Auslagen in Betracht, die in dem früheren Kostenfestsetzungsantrag überhaupt nicht enthalten gewesen sind.

     

    Hier hat der Rechtsanwalt jedoch lediglich bestimmte Umstände bei der Ausübung seines Bestimmungsrechts übersehen. Eine Änderung des einmal ausgeübten Bestimmungsrechts, mit dem der Leistungsinhalt konkretisiert und unwiderruflich wurde, ist dann jedoch nicht mehr möglich (vgl. Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl., § 14 Rn. 52 m.w.N.).

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung des OLG ist m. E. falsch.

     

    Richtig ist allerdings der grundsätzliche Ansatzpunkt des OLG, dass der Rechtsanwalt an sein im Rahmen des § 14 RVG ausgeübtes Ermessen grundsätzlich gebunden ist (vgl. auch Burhoff/Volpert, RVG, Teil A Rahmengebühren, Rn. 1740 m. w. N.) und eine Nachliquidation nur in Ausnahmefällen zulässig ist.

     

    Diese Ausnahmen sieht das OLG m. E. aber zu eng, wenn es darunter den hier entschiedenen Fall nicht einordnet. Denn der Rechtsanwalt ist vorliegend erkennbar von einer falschen Gebühr ausgegangen.

     

    Diesen Fall muss man daher gleich behandeln mit dem, in dem der Rechtsanwalt eine ihm zustehende Gebühr übersehen hat. Das ist etwas anderes, als wenn der Rechtsanwalt nachträglich innerhalb des Rahmens seine Gebühr anders bestimmen will.

     

    Gerade das war hier aber nicht der Fall. Denn der Rechtsanwalt hat auch im Rahmen der Nachliquidation die Mittelgebühren abgerechnet. Er hat nur eine andere Berechnungsgrundlage ‒ nämlich die Schwurgerichtsgebühren anstelle der Strafkammergebühren ‒ zugrunde gelegt.

     

    PRAXISTIPP | Augen auf bei Kostenfestsetzungsanträgen! Schauen und prüfen Sie genau, ob Sie die richtigen Gebühren geltend machen, auch wenn Sie irrtümlich nicht geltend gemachte Gebühren und Auslagen grundsätzlich nachfordern können (KG JurBüro 71, 1029 f.; OLG Hamburg MDR 79, 235). Dies gilt sowohl für die Erhöhung zu niedrig angesetzter als auch für die Forderung solcher Gebühren und Auslagen, die in einer früheren Rechnung überhaupt nicht enthalten waren (BGH NJW 87, 3203).

     

    Gehen Sie nicht davon aus, dass die Vertreter der Staatskasse Sie auf einen Fehler zu Ihren Lasten hinweisen. Dies wird schon aus fiskalischen Gründen nicht geschehen.

     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2020 | Seite 29 | ID 46298680