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  • · Fachbeitrag · Strafvollstreckungssachen

    Im Beschwerdeverfahren kann erneut die Auslagenpauschale verlangt werden

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    Beim Beschwerdeverfahren in Strafvollstreckungssachen handelt es sich um eine „besondere Angelegenheit“ i.S. des § 15 RVG. Die Postentgeltpauschale der Nr. 7002 VV RVG kann deshalb dort noch einmal verlangt werden (OLG Brandenburg 29.4.13, 1 Ws 46/13, Abruf-Nr. 132253).

     

    Sachverhalt

    Der Rechtsanwalt war dem Verurteilten im strafvollstreckungsrechtlichen Beschwerdeverfahren als Pflichtverteidiger beigeordnet. Bei der Vergütungsfestsetzung beantragt er, auch eine Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG festzusetzen. Der Kostenbeamte des LG hat sie nicht festgesetzt. Die dagegen gerichtete Erinnerung hatte beim LG Erfolg. Die wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Rechtsfrage vom LG zugelassene Beschwerde des Bezirksrevisors hat das OLG zurückgewiesen.

     

    Entscheidungsgründe

    Der Pflichtverteidiger kann gemäß § 15 Abs. 2 S. 2 RVG im Grundsatz „die Gebühren“ in jedem Rechtszug fordern. Damit korrespondiert die Vorbem. 4.2 VV RVG, wonach im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung in der Hauptsache „die Gebühren“ besonders entstehen. Soweit ersichtlich wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung zu diesen Gebühren auch die Auslagenpauschale gerechnet. Zwar spricht gegen diese Auslegung § 1 Abs. 1 S. 1 RVG. Danach setzt sich die anwaltliche Vergütung aus den „Gebühren“ und den „Auslagen“ zusammen. Daher gehören die „Auslagen“ an sich nicht zu den „Gebühren“ und damit auch nicht die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG. Andererseits bestimmt die Anmerkung zu Nr. 7002 VV RVG, dass die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen „in jeder Angelegenheit“ anstelle der tatsächlichen Auslagen nach Nr. 7001 VV RVG gefordert werden kann. Damit besteht ein Widerspruch zwischen § 15 Abs. 2 S. 2 RVG und Nr. 7002 VV RVG. Entsprechend drängt sich die Frage auf, ob die einfachgesetzliche Regelung des § 15 Abs. 2 S. 2 RVG der Anmerkung zu Nr. 7002 VV RVG vorgeht.

     

    Dies kann letztlich jedoch dahingestellt bleiben, da § 15 Abs. 2 S. 2 RVG entgegen dem Wortlaut und der Regelung des § 1 Abs. 1 S. 1 RVG dahingehend auszulegen ist, dass jedenfalls neben Gebühren auch Auslagen erfasst sind. Hierfür spricht nach Auffassung des OLG die historische Auslegung. Es ist ein besonderes Anliegen des Gesetzgebers gewesen, durch die neuen Vorschriften im Teil 4 Abschn. 2 VV RVG für eine ordnungsgemäße Verteidigung auch im Bereich der Strafvollstreckung zu sorgen. Dem Rechtsanwalt sollte es ermöglicht werden, im Strafvollstreckungsverfahren die Interessen des Mandanten auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vertreten zu können. Deshalb ist auch die besondere Verfahrensgebühr im Beschwerdeverfahren eingeführt worden, die der im Regelfall besonderen Bedeutung der Beschwerde im Vollstreckungsverfahren Rechnung trägt. Daher kann auch die Auslagenpauschale verlangt werden.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung entspricht der wohl überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, die - unabhängig vom Wortlaut der Vorbem. 4. 2 VV RVG - die Auslagenpauschale gewährt (OLG Braunschweig RVG prof. 09, 83; OLG Schleswig SchlHA 06, 300 bei Döllel/Dreßen; LG Magdeburg StraFo 10, 172; Burhoff RVGreport 09, 311; a.A. LG Düsseldorf AGS 07, 352 m. Anm. Volpert; Volpert in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., Vorbem. 4.2 Rn. 36)

     

    Erledigt hat sich der Streit durch die Aufhebung des Satz 2 in § 15 Abs. 2 RVG durch das 2. KostRMoG nicht, denn der dafür eingeführte § 17 Nr. 1 RVG beseitigt die sprachlichen Ungenauigkeiten nicht. Allerdings dürfte sich der Streit durch die Einfügung des § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10a RVG durch das 2. KostRMoG erledigt haben. Es ist davon auszugehen, dass wenn für die in Beschwerdeverfahren in den Teilen 4 bis 6 VV RVG erbrachten Tätigkeiten besondere Gebührentatbestände vorgesehen sind, diese Tätigkeiten nicht zum Rechtszug gehören. Damit ist dann gleichzeitig auch eine neue eigene Angelegenheit gegeben (so auch N.Schneider, NJW 13, 1553, 1554), auch wenn in Teil 4 Abschn. 2 VV RVG nicht ausdrücklich „besondere Gebührentatbestände“ vorgesehen sind. Geht man aber von einer eigenen/besonderen Angelegenheit aus, entsteht - unabhängig von der Formulierung in Vorb. 4.2 VV RVG - „Gebühren“ und nicht „Vergütung“ - dann nach den allgemeinen Regeln auch die Nr. 7002 VV RVG.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 133 | ID 39969390