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  • · Nachricht · Terminsvertretung

    Die Gebühren des „zusätzlichen“ Pflichtverteidigers

    | Mit dem Beschluss des LG Ulm liegt eine weitere Entscheidung zu den Gebühren des Terminsvertreters des Pflichtverteidigers vor. Die Entscheidung ist zwar im Ergebnis richtig, überzeugt aber nicht in der Begründung (LG Ulm 12.3.24, 1 Qs 7/24, Abruf-Nr. 242528 ). |

     

    Der Rechtsanwalt war vom Vorsitzenden in der Hauptverhandlung zum Pflichtverteidiger bestellt worden, und zwar für „die heutige Sitzung … als notwendiger Verteidiger wegen der Verhinderung des Rechtsanwalts R 1 zum heutigen Termin …“. In dem Termin erläuterte ein aussagepsychologischer Sachverständiger sein Gutachten, es wurden eine weitere Zeugin vernommen worden und die Plädoyers gehalten. Das LG ging davon aus, dass der für diesen Termin für den verhinderten Pflichtverteidiger beigeordnete Rechtsanwalt nicht bloß Terminsvertreter war. Ob eine zeitlich befristete Bestellung zu einem weiteren Verteidiger oder eine auf einen Sitzungstag beschränkte Bestellung zum Vertreter vorliege, hinge in erster Linie von der Formulierung der Verfügung des Vorsitzenden ab. Es könne auch von Bedeutung sein, ob der zusätzlich bestellte Verteidiger gehalten sei, sich umfassend in den Verfahrensstoff einzuarbeiten und/oder eine zeitaufwendige den Termin vorbereitende Tätigkeit zu entfalten. In diesen besonderen Fällen liege ‒ wie hier ‒ keine bloße Vertretung mehr vor.

     

    Das trifft m. E. nicht zu. Denn der „zusätzliche“ Pflichtverteidiger rechnet nach inzwischen wohl überwiegende Meinung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG ab. Ihm stehen die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG, die jeweilige gerichtliche Verfahrensgebühr und die jeweilige gerichtliche Terminsgebühr zu. Er ist „vollständiger“ Verteidiger des Angeklagten, da es eine Vertretung bei der Pflichtverteidigung nicht gibt (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., Teil A 2102 ff.; jüngst auch OLG Brandenburg 27.2.24, 1 Ws 13/24 [S]).

     

    Im Übrigen: Die mit den Gebühren des Terminsvertreters zusammenhängenden Fragen werden in Rechtsprechung und Literatur immer wieder diskutiert. Von daher wäre es vielleicht angebracht gewesen, wenn der entscheidende Einzelrichter der Strafkammer vielleicht doch auf die Kammer übertragen und ggf. die weitere Beschwerde zum OLG zugelassen hätte. Das hätte dem zuständigen OLG Stuttgart die Chance gegeben, seine unzutreffende Rechtsprechung (vgl. 3.2.11, 4 Ws 195/10; RVG prof. 11, 106) aufzugeben und sich der zutreffenden herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung anzuschließen.

    (mitgeteilt von RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Leer/Augsburg)

    Quelle: ID 49974327