· Fachbeitrag · Zusätzliche Verfahrensgebühr
Rücknahme der Berufung: Gebühr entsteht mit Tätigkeit, die das Verfahren fördern soll
von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
Für das Entstehen der Befriedungsgebühr bei Rücknahme einer Berufung kommt es allein darauf an, ob eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit ersichtlich ist. Anders als im Revisionsverfahren bedarf es einer Vorlage der Verfahrensakten an das für das Rechtsmittel zuständige Gericht nicht (OLG Celle 22.1.14, 1 Ws 19/14, Abruf-Nr. 141209). |
Sachverhalt
Der Angeklagte A hat Berufung gegen seine Verurteilung durch das AG eingelegt. Sein Verteidiger V hat die Rücknahme der Berufung in Aussicht gestellt für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft S die Vollstreckungsreihenfolge der gegen A zu vollstreckenden Freiheitsstrafen in der Weise abändere, dass die Strafvollstreckung nach Teilverbüßung gemäß § 35 BtMG zurückgestellt werden könnte. Hierzu hat V bei der S ein persönliches Gespräch geführt und mit zwei Schreiben erfolgreich um Abänderung der Vollstreckungsreihenfolge ersucht. V hat dann die Rücknahme der Berufung erklärt, ohne dass die Akten bis dahin dem Berufungsgericht vorgelegen hatten. Er hat erfolgreich die Festsetzung der Gebühr Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1, 4124 VV RVG beantragt.
Entscheidungsgründe
Mit der Befriedungsgebühr soll eine intensive Tätigkeit des Verteidigers, die zur Vermeidung der Hauptverhandlung und so für ihn zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führt, gebührenrechtlich honoriert werden. Während im Revisionsverfahren die Durchführung einer Hauptverhandlung die Ausnahme ist, ist sie im Berufungsverfahren der Regelfall. Im Revisionsverfahren ergibt sich das Erfordernis hierfür erst, wenn das Revisionsgericht nicht nach § 349 Abs. 1 oder 4 StPO durch Beschluss entscheidet, § 349 Abs. 5 StPO. Die nach Nr. 4141 VV RVG nötige Anwaltsmitwirkung an der Entbehrlichkeit einer Hauptverhandlung lässt sich so erst nach Eingang der Verfahrensakten beim Revisionsgericht feststellen. Auch der Wortlaut der Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 3 VV RVG differenziert nur zwischen begonnener und nicht begonnener Hauptverhandlung, nicht aber zwischen Anhängigkeit und Nichtanhängigkeit des Verfahrens. Eine auf Verfahrensförderung gerichtete Tätigkeit (Nr. 4141 Abs. 2 VV RVG) liegt in den Verhandlungen mit dem Ziel der Abänderung einer Vollstreckungsreihenfolge als Voraussetzung für die Rücknahme der Berufung.
Praxishinweis
Die Entscheidung ist zutreffend. Zu begrüßen sind auch die Ausführungen zum Einwand des Vertreters der Staatskasse, die Berufung sei ein unsachgemäßes Mittel gewesen. Wenn die S der Abänderung der Vollstreckungsreihenfolge nicht zugestimmt hätte, wäre es legitim gewesen, die Berufung mit dem Ziel einer geringeren, die Anwendung des § 35 BtMG ermöglichenden Sanktion zu erreichen. Wäre die Berufung vor einer solchen Zusage der S zurückgenommen worden, wäre A Gefahr gelaufen, sein Ziel nicht zu erreichen. Es obliege nicht der Landeskasse, darüber zu befinden, ob ein Rechtsmittel sachgerecht sei, wenn eine Besserstellung des A möglich wäre.