· Fachbeitrag · Besondere Verfahrenssituationen
Anwaltsgebühren bei Diagonal- und Vertikalverweisung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
von RA Norbert Schneider, Neunkirchen und Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| Die in §§ 20, 21 Abs. 1 RVG geregelten Fälle der Verweisung, Abgabe bzw. Zurückverweisung stellen Sonderfälle dar, die für den Anwalt zusätzliche Vergütungsansprüche generieren. Der folgende Beitrag erläutert die Besonderheiten bei der Diagonal- und der Vertikalverweisung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten sowie der Zurückverweisung in Ehesachen (zu den Gebühren bei der Horizontalverweisung: RVG prof. 23, 9 ). |
1. Fälle der Diagonalverweisung nach § 20 S. 2 RVG
Spricht das Rechtsmittelgericht eine Verweisung aus (sog. Diagonalverweisung), ist dies ein Fall des § 20 S. 2 RVG und es liegt eine neue selbstständige Angelegenheit vor. Hier können die Gebühren mehrfach anfallen und werden nicht angerechnet. Denn die Verweisung findet statt, weil die Instanz bereits vollständig durchlaufen ist (BGH RVG prof. 20, 58).
MERKE | § 20 S. 2 RVG gilt unabhängig davon, ob das ursprünglich angerufene erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit bejaht oder verneint hat. |
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K reicht eine Zahlungsklage über 10.000 EUR beim ArbG ein. Dieses weist nach mündlicher Verhandlung die Klage ab. Das LAG hebt nach mündlicher Verhandlung im Berufungsverfahren das erstinstanzliche Urteil auf und verweist die Sache an das zuständige LG. Dort wird erneut verhandelt.
Lösung: Das LAG hat hier nicht an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen, sondern an ein Gericht des niederen Rechtszugs. Damit wird § 20 S. 2 RVG angewendet. Sämtliche Gebühren entstehen anrechnungsfrei erneut. | |
1. Verfahren vor dem ArbG | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 10.000 EUR | 798,20 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 10.000 EUR | 736,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 295,45 EUR |
1.850,45 EUR | |
2. Verfahren vor dem LAG | |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV RVG aus 10.000 EUR | 982,40 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 10.000 EUR | 736,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 330,44 EUR |
2.069,64 EUR | |
3. Verfahren vor dem LG nach Verweisung | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 10.000 EUR | 798,20 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 10.000 EUR | 736,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 295,45 EUR |
1.850,45 EUR |
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K reicht eine Zahlungsklage über 10.000 EUR beim LG Koblenz ein. Dieses weist aufgrund fehlender örtlicher Zuständigkeit die Klage ab. Das OLG Koblenz verweist im Berufungsverfahren die Sache an das örtlich zuständige LG Mainz. Dort wird verhandelt.
Lösung: Es ist § 20 S. 2 RVG anzuwenden. Sämtliche Gebühren entstehen anrechnungsfrei erneut. | |
1. Verfahren vor dem LG Koblenz | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 10.000 EUR | 798,20 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 155,45 EUR |
973,65 EUR | |
2. Verfahren vor dem OLG Koblenz | |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV RVG aus 10.000 EUR | 982,40 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 190,45 EUR |
1.192,85 EUR | |
3. Verfahren vor dem LG Mainz nach Verweisung | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 10.000 EUR | 798,20 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 10.000 EUR | 736,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 295,45 EUR |
1.850,45 EUR |
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Das LG als erstinstanzliches Gericht entscheidet aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil (Streitwert 10.000 EUR). Das OLG hebt in der mündlichen Verhandlung das Urteil auf und verweist an das zuständige FamG. Dort wird erneut verhandelt.
Lösung: Gemäß § 20 S. 2 RVG sind drei Angelegenheiten gegeben: das Ausgangsverfahren vor dem LG, das Berufungsverfahren vor dem OLG (§ 17 Nr. 1 RVG) und das Verfahren nach Zurückverweisung. Der Anwalt erhält seine Gebühren jeweils gesondert, und zwar anrechnungsfrei. | |
1. Verfahren vor dem LG | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 10.000 EUR | 798,20 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 10.000 EUR | 736,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 295,45 EUR |
1.850,45 EUR | |
2. Verfahren vor dem OLG | |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV RVG aus 10.000 EUR | 982,40 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 10.000 EUR | 736,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 330,44 EUR |
2.069,64 EUR | |
3. Verfahren vor FamG nach Verweisung | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 10.000 EUR | 798,20 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 10.000 EUR | 736,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 295,45 EUR |
1.850,45 EUR |
2. Fälle der Vertikalverweisung nach § 21 Abs. 1 RVG
§ 21 Abs. 1 RVG regelt die gebührenrechtlichen Folgen der sog. Vertikalverweisung, bei der das Obergericht die Sache an ein ihm untergeordnetes Gericht zurückverweist. Auch wenn im Ausgangspunkt das weitere Verfahren vor diesem Gericht einen neuen Rechtszug darstellt und demgemäß die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) und ggf. die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) für die erste Instanz jeweils mehrfach anfallen können, bestimmt Vorbem. 3 Abs. 6 VV RVG, dass die bereits entstandene Verfahrensgebühr auf diejenige für das erneute Verfahren anzurechnen ist (BGH RVG prof. 20, 58).
Übersicht / Fälle der Vertikalverweisung nach § 21 Abs. 1 RVG |
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Nachdem das LG nach einer mündlichen Verhandlung den Beklagten zur Zahlung von 10.000 EUR verurteilt hat, hebt das OLG als Berufungsgericht nach mündlicher Verhandlung die Entscheidung auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung an das LG zurück. Dort wird erneut mündlich verhandelt. | |
Lösung: Es liegen insgesamt drei Angelegenheiten vor. Die Verfahrensgebühr für das erstinstanzliche Verfahren vor Zurückverweisung wird allerdings nach Vorbem. 3 Abs. 6 VV RVG auf die erneut entstehende Verfahrensgebühr nach Zurückverweisung an das LG angerechnet. | |
1. Verfahren vor dem LG vor Zurückverweisung | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 10.000 EUR | 798,20 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 10.000 EUR | 736,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 295,45 EUR |
1.850,45 EUR | |
2. Berufungsverfahren vor dem OLG | |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV RVG aus 10.000 EUR | 982,40 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 10.000 EUR | 736,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 330,44 EUR |
2.069,64 EUR | |
3. Verfahren vor dem LG nach Zurückverweisung | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 10.000 EUR | 798,20 EUR |
anzurechnen 1,3-Verfahrensgebühr aus 10.000 EUR gemäß Vorbem. 3 Abs. 6 VV RVG |
- 798,20 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 10.000 EUR | 736,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 143,79 EUR |
900,59 EUR |
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Das AG verurteilt B, an K 5.000 EUR zu zahlen. Dagegen erhebt B eine Anhörungsrüge, die das AG zurückweist. Auf eine Verfassungsbeschwerde hin hebt der VGH das amtsgerichtliche Urteil auf und verweist die Sache zur erneuten Entscheidung an das AG zurück. Das AG verurteilt B nach einer mündlichen Verhandlung erneut.
Lösung: Es liegen insgesamt drei Angelegenheiten vor. Die Verfahrensgebühr für das erstinstanzliche Verfahren vor der Zurückverweisung wird auf die erneut entstehende Verfahrensgebühr nach Zurückverweisung an das LG angerechnet. | |
1. Erstinstanzliches Verfahren vor AG | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 5.000 EUR | 434,20 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 5.000 EUR | 400,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 162,45 EUR |
1.017,45 EUR | |
2. Verfahren vor dem VGH | |
1,6-Verfahrensgebühr, § 37 Abs. 2 RVG i. V. m. Nr. 3206 VV RVG aus 5.000 EUR | 534,40 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 105,52 EUR |
660,92 EUR | |
3. Verfahren vor AG nach Zurückverweisung | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 5.000 EUR | 434,20 EUR |
anzurechnen 1,3-Verfahrensgebühr aus 5.000 EUR gemäß Vorbem. 3 Abs. 6 VV RVG |
- 434,20 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 5.000 EUR | 400,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 79,95 EUR |
500,75 EUR |
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Nachdem das LG nach mündlicher Verhandlung B zur Zahlung von 10.000 EUR verurteilt hat, hebt das OLG als Berufungsgericht nach mündlicher Verhandlung die Entscheidung i. H. v. 7.000 EUR auf und verweist die Sache wegen der restlichen 3.000 EUR zur erneuten Verhandlung an das LG zurück. Dort wird erneut mündlich verhandelt.
Lösung: Das Verfahren nach der Zurückverweisung stellt eine neue Angelegenheit dar. Die neue Verfahrensgebühr entsteht allerdings nur noch aus einem Wert von 3.000 EUR. Aus diesem Wert muss die Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 6 VV RVG erfolgen. | |
1. Verfahren vor dem LG vor Zurückverweisung | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 10.000 EUR | 798,20 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 10.000 EUR | 736,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 295,45 EUR |
1.850,45 EUR | |
2. Berufungsverfahren vor dem OLG | |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV RVG aus 10.000 EUR | 982,40 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 10.000 EUR | 736,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 330,44 EUR |
2.069,64 EUR | |
3. Verfahren vor dem LG nach Zurückverweisung | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 3.000 EUR | 288,60 EUR |
anzurechnen 1,3-Verfahrensgebühr aus 3.000 EURgemäß Vorbem. 3 Abs. 6 VV RVG |
- 288,60 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 3.000 EUR | 266,40 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 54,41 EUR |
340,81 EUR |
3. Zurückverweisung in Ehesache nach § 21 Abs. 2 RVG
Bei einer Zurückverweisung im Scheidungsverbundverfahren gilt eine Besonderheit nach § 146 FamFG, wenn
- neben der Ehe-, Lebenspartnerschaftssache auch Folgesachen anhängig sind,
- das Gericht den Scheidungsantrag abgewiesen hat und
- das Rechtsmittelgericht den Scheidungsantrag für begründet hält und deshalb die Sache zurückverweist.
Die Verfahren vor und nach Zurückverweisung stellen eine gebührenrechtliche Angelegenheit nach § 15 Abs. 1 RVG dar (§ 21 Abs. 2 RVG). Die Gebühren fallen daher nur einmal an.
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Das FamG weist den Scheidungsantrag (Ehesache: 6.000 EUR; Versorgungsausgleich: 1.200 EUR) zurück. Das OLG hebt die Entscheidung im Beschwerdeverfahren nach einer mündlichen Verhandlung auf und verweist die Sache an das FamG zurück. Dort wird erneut mündlich verhandelt.
Lösung: Das Verfahren vor dem FamG nach Zurückverweisung stellt nur eine gebührenrechtliche Angelegenheit dar. | |
1. Verfahren vor dem FamG | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 7.200 EUR | 652,60 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 7.200 EUR | 602,40 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 242,25 EUR |
1.517,25 EUR | |
2. Beschwerdeverfahren vor dem OLG | |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV RVG aus 6.000 EUR | 624,00 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 6.000 EUR | 468,00 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 211,28 EUR |
1.323,28 EUR |
Weiterführender Hinweis
- Anwaltsgebühren bei Horizontalverweisung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, RVG prof. 23, 9